Theologe Johann Baptist Metz gestorben
Johann Baptist Metz, weltweit anerkannter Theologe und Begründer der "Neuen Politischen Theologie", ist am Montag im Alter von 91 Jahren in Münster gestorben. Das bestätigte am Dienstag die Katholisch-Theologische Fakultät der Universität Münster auf Anfrage. Der emeritierte Münsteraner Hochschullehrer galt als einer der bedeutendsten Vordenker in der Zeit nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-65). Der Schüler des Jesuiten Karl Rahner (1904-1984) hatte Einfluss auf Entstehung und Entfaltung der lateinamerikanischen Befreiungstheologie und wurde in seinen Entwürfen wiederum von dieser mitgeprägt. Ausgehend von eigenen Erfahrungen im Zweiten Weltkrieg und dem Tod von Millionen stellte Metz die Frage, wie nach der Katastrophe von Auschwitz von Gott gesprochen und Theologie betrieben werden könne.
Münsters Bischof Felix Genn schrieb in einem Kondolenzschreiben an die Fakultät, Metz habe als akademischer Lehrer in der Kirche in Deutschland und weltweit großen Einfluss gehabt. "Wir sind in Münster dankbar und stolz, dass er seine Kompetenz und großen Fähigkeiten den vielen Studierenden an der Universität Münster geschenkt hat." Die Universität Münster und deren Katholische Fakultät erklärten, Metz habe mehrere Studenten-Generationen geprägt. Die von ihm begründete "Neue Politische Theologie" verstehe sich ausdrücklich als eine Gottesrede nach dem Holocaust im Zweiten Weltkrieg.
Bambergs Erzbischof Ludwig Schick reagierte mit Trauer auf den Tod des aus dem Erzbistum Bamberg stammenden Metz. Er erinnere sich gern an die persönlichen Begegnungen und die wertvollen Gespräche, sagte Schick. Er würdigte dabei vor allem sein engagiertes Eintreten für die Theologie der "Compassion", die Mitleidenschaft Gottes für das Wohl und Heil der Menschen, den er zu einem Zentralbegriff der heutigen Theologie gemacht habe. Daraus habe er wichtige Impulse für eine neue "Theologie der Welt" und für das Wirken der Kirche heute gegeben. Aus der Mitleidenschaft Gottes mit den Menschen habe er ein Mitleiden der Christen und der ganzen Kirche mit jedem Menschen und der ganzen Schöpfung gezogen. Er gelte zurecht als einer der bedeutendsten Theologen seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil.
Der Philosoph Jürgen Habermas (90) würdigte Metz als einen "sensiblen Gesprächspartner". Metz sei aus seiner Generation "vielleicht der Theologe, der sich am leidenschaftlichsten an der für ihn existenziellen Frage abgearbeitet hat, in welcher Sprache nach dem Holocaust überhaupt noch von Gott geredet werden" könne. Mit dieser Frage habe er nicht nur politisch in die Kirche hineingewirkt, sondern als akademischer Lehrer auch eine große Zahl selbstständig weiterdenkender Schüler angezogen, sagte Habermas der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Habermas und Metz waren befreundet.
Küng "betrübt" über Tod
"Betrübt" über den Tod seines Münsteraner Kollegen zeigte sich der Tübinger Theologe Hans Küng (91). Der KNA sagte er am Dienstag in Tübingen, auch wenn sie auf die gemeinsame Sorge um Kirche und Welt theologisch unterschiedlich geantwortet hätten, so habe sie die Orientierung an Jesus Christus als Leitfigur für menschenfreundliches Leben und Handeln sowie das Bemühen um eine weltoffene Kirche geeint. Zugleich würdigte Küng "persönliche Leidenschaft und praktisches Engagement" bei Metz.
Der 1928 in Auerbach in der Oberpfalz geborene Metz promovierte nach Studien in Bamberg, Innsbruck und München in Philosophie und Theologie und wurde 1954 zum Priester geweiht. Nach Jahren in der Seelsorge lehrte er von 1963 bis 1993 in Münster Fundamentaltheologie. Nach dem Konzil war er auch Berater des römischen Sekretariats für die Nicht-Glaubenden. Zudem war er Mitbegründer der internationalen theologischen Zeitschrift "Concilium". Großen Einfluss hatte Metz als Berater der Synode der Bistümer der Bundesrepublik Deutschland von 1971 bis 1975 in Würzburg. Der Synodenbeschluss "Unsere Hoffnung" über das Christsein im Alltag trägt seine Handschrift.
Metz warnte immer wieder vor einer Verbürgerlichung des Christentums und einer "Vergleichgültigung" der Gesellschaft. Inspiriert wurde er auch von der sogenannten Frankfurter Schule um die Philosophen Theodor W. Adorno, Max Horkheimer und Habermas. Die von Metz begründete "Neue Politische Theologie" stieß indes bei Joseph Ratzinger, dem inzwischen emeritierten Papst Benedikt XVI., auf große Skepsis. Als Erzbischof von München verwehrte Ratzinger 1979 Metz einen Ruf an die dortige Universität. Auch später wollte Metz nach eigenem Bekunden "nicht den Eindruck erwecken, als wäre nichts passiert". Zur Annäherung kam es bei einer Tagung zum 70. Geburtstag von Metz 1998 in Ahaus.
Die Universität Wien, an der der vielfach ausgezeichnete Theologe von 1993 bis 1997 eine Gastprofessur innehatte, verlieh ihm 1994 den Ehrendoktor. 2002 ehrte ihn der Koordinierungsrat der Gesellschaften für christlich-jüdische Zusammenarbeit mit der Buber-Rosenzweig-Medaille. 2007 erhielt Metz den "Theologischen Preis der Salzburger Hochschulwochen". (tmg/KNA)
3.12., 11:26 Uhr: Ergänzt um Stellungnahme von Habermas. 13 Uhr: Ergänzt um Stellungnahme von Küng. 15:22 Uhr: Ergänzt um Stellungnahmen von Genn, Universität und Fakultät. 15:30 Uhr: Ergänzt um Stellungnahme von Schick.