Schulpastoral in Deutschland

Wie die Schule künftig als Kirchort funktionieren kann

Veröffentlicht am 07.01.2020 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Bonn ‐ In Schulen ist die Kirche jenseits des Religionsunterrichts auch in der Schulpastoral präsent. Letztere bietet die einzigartige Chance, sich auch um weniger religiöse Jugendliche zu bemühen. Doch nicht überall sind die Seelsorger willkommen.

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Bei den Stichworten "Kirche" und "Schule" denken die meisten wohl an den Religionsunterricht. Doch die Kirchen sind auch noch in anderer Form vor Ort: Mit der Schulpastoral leisten sie über das Curriculum hinaus einen Beitrag zum gelingenden Alltag. Davon profitieren nicht nur die Schulen, auch für die Kirchen ist ihre Präsenz eine Chance: "Hier können wir junge Menschen in ihrer ganzen Fülle erreichen", sagt Simone Birkel, Dozentin für Jugend- und Schulpastoral an der Uni Eichstätt. Will heißen: Anders als in der Gemeinde oder dem Jugendverband müssen die Jugendlichen nicht zur Kirche zu kommen, sondern die Kirche kommt sozusagen zu ihnen – und hat die Chance, auch diejenigen zu erreichen, die sich sonst nicht für sie interessieren würden.

Schulgottesdienste und Flüchtlingsarbeit

Die Angebote der Schulpastoral sind vielfältig. Was sie gemeinsam haben, ist vor allem die Definition, auf die sie sich beziehen: Schulpastoral ist der "Dienst der Kirche an den Menschen im Handlungsfeld Schule", so haben es die Bischöfe 1996 formuliert. Doch wer welche und wieviele Angebote macht, das unterscheidet sich von Schule zu Schule, von Bistum zu Bistum und von Bundesland zu Bundesland. "Die Schulpastoral gibt es nicht", sagt Simone Birkel.

Kinder sind beim Unterricht in der Schule
Bild: ©Christian Schwier/Fotolia.com

Kinder sind beim Unterricht in der Schule.

Von Beichtgelegenheiten und Schulgottesdiensten über Tage der Begegnung, die an Wochenenden außerhalb der Schule stattfinden, Projekten zur Integration von Flüchtlingen bis hin zur schlichten Präsenz in der Schule verbunden mit einem Gesprächsangebot an die Schülerinnen und Schüler reicht die inhaltliche Palette. An mancher katholischen Schule arbeiten Seelsorgerinnen und Seelsorger, die diese Aufgabe in Vollzeit wahrnehmen, meistens steht dafür allerdings nur ein bestimmtes Stundendeputat zur Verfügung. An staatlichen Schulen hat die Kirche zudem einen Gaststatus: "Schulpastoral ist immer ein freiwilliges Angebot. Und es hängt davon ab, ob die Schulen dies nutzen möchten", erklärt Angela Kaupp, Professorin an der Universität Koblenz-Landau. Und natürlich gibt es auch Schulen, die davon lieber keinen Gebrauch machen wollen.

Schon seit 18 Jahren ist Dieter Scharf Schulseelsorger. Dass er dieser Aufgabe – abgesehen von einigen Stunden Religionsunterricht – ausschließlich nachgehen kann, empfindet er als großen Vorteil. Ein Grundpfeiler seiner Arbeit am Sankt-Adelheid-Gymnasium, einer katholischen Mädchenschule in Bonn, sind Gottesdienste. Sie finden regelmäßig einmal in der Woche und zusätzlich auch an besonderen Festen des Kirchenjahres statt. Auch einzelne Schülergruppen wie die Religionskurse in der Oberstufe feiern die Eucharistie, immer wieder kommen Schüler zur Beichte. Außerdem veranstaltet Scharf regelmäßig Besinnungswochenenden für die verschiedenen Altersklassen oder lädt zu Wallfahrten ein, etwa nach Altötting. Es ist ihm darüber hinaus wichtig, im Schulalltag präsent zu sein. Schüler wie auch Lehrer können jederzeit das Gespräch mit ihm suchen. "Durch meine besondere Rolle können sie mit mir auf einer ganz anderen Basis sprechen als mit ihrem Lehrer oder Kollegen – zum Beispiel, wenn es um schulinterne Konflikte geht", so Scharf.

Doch solch komfortable Verhältnisse herrschen nicht überall. Oft ist das Ziel, dass die Schüler wenigstens einmal in ihrer Schulzeit mit der Schulpastoral in Berührung kommen. Dafür bieten sich sogenannte Tage der Orientierung an, für die Schulklassen an einem Wochenende gemeinsam wegfahren und über ihre grundsätzlichen Ziele sprechen. Ein andere Initiative, die ursprünglich auf die Schulpastoral im Erzbistum Freiburg zurückging, haben inzwischen auch staatliche oder private Schulen übernommen. "Compassion" ist eine Art Sozialpraktikum: Die Heranwachsenden gehen zwei Wochen lang in soziale Einrichtungen wie Altenheime oder Krankenhäuser und sollen so verantwortungsvolles Handeln lernen. Dabei werden sie inhaltlich von ihrer Schule begleitet.  

Linktipp: Wenn die Schule zur Gemeinde wird

Viele Kinder und Jugendliche haben heute kaum noch Kontakt zur Kirchengemeinde. Regina Geyer versucht daher als Schulseelsorgerin, auch kirchenferne Kinder zu erreichen. Wie, erzählt sie im Interview.

Angela Kaupp wie Simone Birkel und Dieter Scharf betonen, dass die Schulpastoral offen ist für alle Schülerinnen, Schüler, Lehrkräfte und gegebenenfalls auch die Eltern – gleich welcher Religion oder Konfession. "Auch Nicht-Getaufte sind eingeladen, mit nach Taizé zu fahren und können bei einem Gesprächsangebot oder einer Aktion mitmachen", sagt Angela Kaupp. Gleichzeitig gilt: Alle Angebote der Schulpastoral sind freiwillig, niemand muss zur Beichte gehen oder beim Besinnungswochenende mitfahren. "Es geht hier ja nicht um Mission", macht Dieter Scharf klar. Die Schulpastoral, da sind sich alle einig – hat ein großes Potential. Schließlich ist bei den Strukturreformen in deutschen Bistümern derzeit oft von sogenannten "Kirchorten" die Rede: In Zukunft sollen neben den territorialen Pfarreien auch andere Institutionen wie Verbände, Krankenhäuser oder Kindergärten lebendige Orte der Glaubensvermittlung und -ausübung sein. "Auch die Schule könnte ein solcher Kirchort sein", sagt Dieter Scharf.

Schulpastoral ausbauen

Aus seiner Sicht müsste die Schulpastoral in Zukunft weiter ausgebaut werden – auch wenn er weiß, dass wegen des sich abzeichnenden Personalmangels Priester und andere ausgebildete Theologen anderswo ebenso dringend gebraucht werden. Ähnlich sieht das Simone Birkel: "Durch die Schulpastoral leistet die Kirche einen Beitrag zu einem gelingenden Leben der jungen Leute. Und dazu gibt es doch einen hohen Bedarf". Bleibt zu hoffen, dass das auch diejenigen so wahrnehmen, die für den Personalschlüssel der Schulpastoral festlegen.

Von Gabriele Höfling