Warum Krippenspiele keine Theaterstücke sind
"Fürchtet euch nicht" sagt ein kleines Mädchen mit weißer Tunika und Engelsflügeln unsicher in das Mikrofon. Sie blickt auf den Boden. "Heute ist euch in der Stadt Davids der Retter geboren, er ist Christus der Herr." Das Engelchen übergibt das Mikrofon an drei mit dunklen Umhängen und Schlapphüten verkleidete Kinder. Die laufen vor dem Altar entlang auf die andere Seite der Kirche. Dort hocken neben einer kleinen Puppe in einer Holzkrippe Maria und Josef. "Ein Engel kam heute Nacht zu uns und hat gesagt, dass hier in der Krippe Gottes Sohn geboren sein soll."
Für viele ist das Krippenspiel eines der Highlights der Weihnachtsfeiertage. Gerade Familien besuchen die Aufführungen am Heiligabend gerne, um sich auf die anstehende Bescherung einzustimmen. Krippenspiele können aber noch mehr, als nur Weihnachtsstimmung zu erzeugen, sagt Heike Helmchen-Menke. Sie arbeitet als Referentin für Elementarpädagogik am Institut für Religionspädagogik der Erzdiözese Freiburg und ist überzeugt: "Das Krippenspiel bringt religionspädagogisch betrachtet äußerst viel – sowohl für die Kinder, die mitspielen, als auch für die Kinder und Eltern, die mitfeiern."
Jedes Krippenspiel sei zunächst einmal Teil einer Liturgie, und meist in eine Familienmesse an Heiligabend oder einen Wortgottesdienst – häufig "Krippenfeier" genannt – integriert ist. Durch die Proben und das Krippenspiel selbst könnten die mitspielenden Kinder sich aktiv mit der Weihnachtsgeschichte auseinandersetzen. Und auch die Kinder und Erwachsenen, die nicht selbst mitspielen, bekämen einen religiösen Impuls, der dafür sorgen könne, dass ihr Heiligabend nicht komplett säkularisiert abläuft. "Das sind für mich starke Argumente, alle freien Kapazitäten in die Vorbereitung und Feier solcher Krippenspiele zu stecken", sagt Helmchen-Menke.
Wichtig sei, die Evangelien als Grundlage für das Krippenspiel zu verwenden. Die Weihnachtserzählungen der Evangelisten zu mischen sei aber durchaus möglich. Die Geschichte könne sogar aus Sicht eines Hirten oder eines Schafes aufgeführt werden. Stücke, in denen etwa Außerirdische auf die Erde kämen, um Weihnachtsbräuche zu entdecken, sollten im Krippenspiel dagegen nicht gezeigt werden, rät die Theologin. "Viele Menschen erleben diese Feiern als einen der ganz wenigen Gottesdienste im Jahr. Was wäre das für eine verpasste Chance, wenn sie nicht mal da eine biblische Erzählung hören würden?" In der Krippenfeier an Weihnachten erlebe sie in ihrer Gemeinde viele hundert Menschen, die emotional stark berührt seien, weil sie sich beispielsweise an Weihnachtsfeste in ihrer Kindheit erinnern, berichtet Helmchen-Menke. "Das ist auch ein Dienst der Kirche an den Menschen, diese Anknüpfungspunkte zu liefern."
Keine Zuschauer, sondern Mitfeiernde
Diese Involviertheit der Gläubigen sei der große Unterschied zwischen einem Krippenspiel und einer säkularen Darbietung. "Krippenspiele sind keine Theateraufführungen", betont die Theologin. "Bei einem Theaterstück sind die Menschen Zuschauer, bei einem Krippenspiel sind sie Mitfeiernde." Um diesen Charakter zu betonen sei es sinnvoll, dass die Besucher der Krippenfeier Lieder singen und das Krippenspiel selbst mit Gebeten und Fürbitten umrahmen. So werde deutlich, dass es nicht um schauspielerische Leistungen gehe, sondern darum, die Botschaft von Jesu Geburt zu vermitteln und zu verkünden, "dass unser Leben heute schon eine andere Qualität bekommt, weil uns zugesagt ist, dass unser Leben einen Sinn hat und mit dem Tod nicht alles zu Ende ist", sagt Helmchen-Menke.
Müssen diejenigen, die so ein Krippenspiel vorbereiten, deshalb religionspädagogisch ausgebildet sein? "Nicht jede Person, die an der Vorbereitung eines Krippenspiels beteiligt ist, muss erstmal einen theologischen Kurs machen", sagt Helmchen-Menke. Sinnvoll sei es allerdings, das theologische und religionspädagogische Wissen einzubringen, das durch Pastoral- und Gemeindereferenten, Priester oder Religionslehrer ohnehin in der Gemeinde vorhanden sei. Außerdem sollte man die Krippenfeier auch inhaltlich mit den anderen weihnachtlichen Gottesdiensten der Pfarrei abstimmen. Oft sind es ohnehin engagierte Eltern, die sich in den Gemeinden um die Krippenspiele kümmern.
Ihnen rät die Theologin, sich bei der Vorbereitung zu entlasten. Die Vorbereitenden sollten im Rahmen der Zeit, die sie zur Verfügung haben, zwar alles möglich machen und sehr gut vorbereitet sein. Es müsse aber nicht alles bis ins kleinste Detail perfekt sein. Das sei häufig das, was die Vorbereiter bei den Planungen unter Druck setze und Stress verursache. "Das Wesentliche sind nicht die Äußerlichkeiten. Die tragen nur dazu bei, dass das liturgische Spiel ein bisschen mehr Atmosphäre bekommt", beruhigt die Theologin. Es komme darauf an die Weihnachtsbotschaft zu vermitteln. "Es ist kein Problem, wenn dabei der Kranz im Haar eines Engelchens schief sitzt oder die Hirten mal in die falsche Richtung laufen."