Das ist die einzige 2019 neugeweihte Kirche Deutschlands
Dass Kirchen profaniert, umgebaut oder sogar abgerissen werden, ist in Deutschland heute Alltag. Der umgekehrte Fall ist die Ausnahme: Wenn eine neugebaute Kirche geweiht wird. Katholisch.de hat in allen deutschen Diözesen angefragt: Diesen Fall gab es 2019 bundesweit nur ein einziges Mal. Wer die neue Kirche sehen will, muss nach Oberbayern fahren.
Der Münchner Stadtteil Neuperlach ist eine klassische Trabantenstadt: Hochhäuser und Wohnblöcke prägen das Bild, klassisch dörfliche Strukturen fehlen. Das liegt an der jungen Geschichte des Stadtteils: Er entstand ab 1967 auf vorher unbebautem Gebiet, um der Wohnungsnot in der schnell wachsenden bayerischen Landeshauptstadt zu begegnen.
1974 entstand in Neuperlach die St.-Jakobus-Kirche als erste Kirche, vier weitere sollten ihr im Neubaugebiet noch folgen. Architektonisch passte der Bau zur Umgebung: freiliegender Beton und kantige Formen – so sehen viele Bauwerke aus den 1970er Jahren aus, egal ob Schulen, Stadthallen oder Kirchen.
Doch fast 40 Jahre nach ihrer Erbauung gab es Probleme mit der Neuperlacher Kirche: Die Substanz war marode, das ganze Gebäude einsturzgefährdet. Einige Monate musste das Gotteshaus geschlossen werden, weil nicht garantiert werden konnte, dass das Dach Schnee und Eis standhalten könnte. Die Zahlen sprachen eine eindeutige Sprache: Eine Sanierung des Baus hätte das Erzbistum München und Freising bis zu sieben Millionen Euro gekostet, ein Neubau noch nicht einmal die Hälfte. Das Schicksal der Kirche war besiegelt, sie wurde 2012 abgerissen. Für die Menschen in Neuperlach ein Schock: "Das war ein heftiges Politikum, denn viele hier wuchsen mit St. Jakobus auf", sagte Pfarrer Bodo Windolf der "Abendzeitung".
Zwei Gebäude, eine Geschichte
Die Geschichte der Kirche ist eng mit dem benachbarten Kindergarten verbunden, der ebenfalls marode war. Nachdem die Kirche abgerissen wurde, entstand an ihrer Stelle ein neuer Kindergarten. Die Pfarraktivitäten zogen in eine andere Kirche um. An die Stelle des Kindergartens rückte nun eine neue Kirche. Sie wurde im Februar 2019 geweiht.
Der Kirchbau entstand in kubischen Formen: Ein hoher in Sichtbeton ausgeführter Quader ist durch ein goldenes Kreuz, das sich um eine Gebäudeecke biegt, als Kirche erkennbar. Daneben sind in einem mit Holz verkleideten niedrigeren Riegel die Gemeinderäume untergebracht. Außen wie innen besticht das Gotteshaus durch seine Schlichtheit: Im Kirchenraum dient ein an der Oberseite abgeschnittener Findling aus dem Allgäu als Altar, in den auf der Rückwand angebrachten Rillen scheint eine Kreuzform auf. Daneben gibt es nur einen hölzernen Ambo sowie eine historisierende Marienfigur und einen versilberten Tabernakel aus der alten Kirche. Durch die wenigen Ausstattungsstücke und das vor allem aus einer Deckenluke einfallende indirekte Licht entsteht eine meditative Atmosphäre.
Doch im Neubau der Kirche zeigen sich auch die veränderten Realitäten des kirchlichen Lebens. Hatte die alte Kirche noch mehrere hundert Plätze, finden in der neuen nur noch 50 Gläubige Platz. Sonntagsmessen wird es hier nicht geben, dafür müssen die Katholiken weiterhin in eine der drei Kirchen der Umgebung gehen. Die früheren fünf Pfarreien in Neuperlach sind seit zehn Jahren zu einer einzigen verschmolzen. Grund dafür sind – wie so oft – weniger Kirchenmitglieder und Gottesdienstbesucher. Gab es im Erzbistum vor 20 Jahren noch mehr als zwei Millionen Katholiken, sind es heute noch knapp 1,7 Millionen – bei steigenden Bevölkerungszahlen. Die Aufgabe der kleinen Kirche wird dementsprechend eine andere sein als die ihres Vorgängers. Sie soll ein Ort für Werktagsmessen, kleine Gruppen und Gebetskreise sein.
Nachhaltig konzipiert
Auf die Bedingungen des 21. Jahrhunderts geht auch die Baukonzeption der Kirche ein. Die Auflagen zur Energieeinsparung unterschreitet das Gebäude um 20 Prozent, ist an das Fernwärmenetzwerk angeschlossen, besitzt eine Belüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung, wird mit viel natürlichem Licht beleuchtet und das Dach ist begrünt.
Im Gegensatz zu früher liegt die Kirche nun nicht mehr an der Straße, sondern etwas eingerückt hinter dem Kindergarten. Beide Gebäude sind als Ensemble gedacht und werden durch einen Platz mit zahlreichen Stelen verbunden, die den Weg des heiligen Jakobus symbolisieren sollen.
Auch wenn die Münchner Kirche dieses Jahr die einzige neugeweihte Kirche in Deutschland ist: Weihegottesdienste waren deutlich häufiger. Aus mehreren Bistümern hat katholisch.de erfahren, dass dort kleinere Kapellen in diesem Jahr geweiht wurden. Noch häufiger waren Altarweihen, etwa nach der Renovierung eines Gotteshauses.
Öfter gab es jedoch auch die Schließungen von Kirchen. Laut Kenntnisstand der Deutschen Bischofskonferenz wurden dieses Jahr elf Kirchen profaniert, zwei davon wurden bereits abgerissen, bei zwei weiteren ist ein Abriss geplant. Andere wurden verkauft oder beispielsweise für soziale Einrichtungen umgenutzt. Allerdings bieten auch diese Abbrüche manchmal Raum für Neuanfänge: So wurde die St.-Josefs-Kirche in Greven (Nordrhein-Westfalen) zwar aus baulichen Gründen dieses Jahr profaniert und abgerissen, an ihrer Stelle soll aber eine neue Kirche entstehen. Diese wird allerdings, wie in München, deutlich kleiner ausfallen als ihr Vorgänger.