Das Warten hat ein Ende
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Impuls von Schwester Charis Doepgen
Johannes in der Wüste, der unerschrocken Klartext redet und seine Zuhörer provoziert, Johannes, der faszinierende Rhetoriker vom letzten Sonntag, stellt heute eine kleinlaute Frage, die Unsicherheit und Zweifel erkennen lässt. Um es gleich zu sagen: Dieser Johannes ist mir sympathischer – bei aller Bewunderung für den Volksprediger, der die Massen mobilisieren kann – als der selbstsicher auftretende.
Wie gut tut es, im Prediger den Fragenden zu entdecken. Gäbe es doch viele solcher Gottesmänner, die statt einstudierter Rhetorik einen Blick in die eigene Seele gestatten. Es tut gut den Glauben teilen zu können, aber es ist ebenso hilfreich, den Zweifel nicht verstecken zu müssen. Klingt vielleicht etwas paradox, aber es kann durchaus den Glauben stärken, wenn man auch den Zweifel teilen kann.
Die Johannes-Frage hat es in sich: Bist du es? Oder müssen wir immer noch warten? Im Advent reden wir unentwegt von Erwartung, aber was meinen wir? Weihnachten war vor 2000 Jahren. Mit Jesu Antwort an Johannes sollte eigentlich das Thema Warten erledigt sein. Wie wäre es, wenn wir einfach mal das Warten unterbrechen und so leben, wie es der schon gekommene Jesus von uns erwartet?
Dann müssten allen, die immer noch nicht sehen wollen, was die Stunde geschlagen hat, die Augen aufgehen; die Schwerfälligen würden sich endlich in Bewegung setzen; die Ausgegrenzten erhielten in der Kirche einen akzeptierten Platz als Kinder Gottes; das Zuhören würde wichtiger als Monologe der theologischen Besserwisser; erstorbene Hoffnung könnte sich neu beleben. So stelle ich mir vor, wird den Armen das Evangelium verkündet.
Jesus räumt bei der Menge, zu der er über Johannes redete, mit etlichem Vorurteilen auf. Bevor die Botschaft des Evangeliums in den Köpfen – und natürlich in den Herzen – ankommen kann, müssen die falschen Erwartungen bereinigt werden. Dafür bietet der Advent Gelegenheit.
Statt zu warten würde das Volk Gottes das Bild einer erneuerten Kirche entwerfen – in der zum Beispiel Kleiderfragen keine Rolle mehr spielen. Für die Frage nach groß oder klein würde sich niemand mehr interessieren... Wenn wir Weihnachten den Messias in einer Krippe finden, umgeben von armen Hirten, ist das von Gott das Signal (Zeichen im Sinn von Lk 2,12): Das Warten hat ein Ende. Der Erwartete ist da.
Die Komposition der Perikope ist genial. Da will Johannes in misslicher Lage wissen, was er von Jesus zu halten hat, und am Schluss haben die Zuhörer aus dem Mund Jesu alles erfahren, was man über diesen Johannes sagen kann. Und wir heute finden in Johannes einen, der unsere Frage stellt. Jesu Antwort kann aus falschen Adventsträumen aufwecken.
Evangelium nach Matthäus (Mt 11,2-11)
In jener Zeit hörte Johannes im Gefängnis von den Taten des Christus. Da schickte er seine Jünger zu ihm und ließ ihn fragen: Bist du der, der kommen soll, oder sollen wir auf einen anderen warten?
Jesus antwortete ihnen: Geht und berichtet Johannes, was ihr hört und seht: Blinde sehen wieder und Lahme gehen; Aussätzige werden rein und Taube hören; Tote stehen auf und Armen wird das Evangelium verkündet. Selig ist, wer an mir keinen Anstoß nimmt.
Als sie gegangen waren, begann Jesus zu der Menge über Johannes zu reden: Was habt ihr denn sehen wollen, als ihr in die Wüste hinausgegangen seid? Ein Schilfrohr, das im Wind schwankt? Oder was habt ihr sehen wollen, als ihr hinausgegangen seid? Einen Mann in feiner Kleidung? Siehe, die fein gekleidet sind, findet man in den Palästen der Könige.
Oder wozu seid ihr hinausgegangen? Um einen Propheten zu sehen? Ja, ich sage euch: sogar mehr als einen Propheten. Dieser ist es, von dem geschrieben steht: Siehe, ich sende meinen Boten vor dir her, der deinen Weg vor dir bahnen wird. Amen, ich sage euch: Unter den von einer Frau Geborenen ist kein Größerer aufgetreten als Johannes der Täufer; doch der Kleinste im Himmelreich ist größer als er.