"Mein Glaube sollte mir auch etwas wert sein"

Bischof Kramer verurteilt Kirchenaustritte aus Steuergründen

Veröffentlicht am 17.12.2019 um 11:10 Uhr – Lesedauer: 

Erfurt ‐ Kirchenaustritt, um Steuern zu sparen? "Man macht sich etwas vor, wenn man sagt, ich trete zwar aus der Kirche aus, aber ich glaube natürlich weiter", sagte dazu jetzt Landesbischof Friedrich Kramer.

  • Teilen:

Der mitteldeutsche Landesbischof Friedrich Kramer hat Kirchenaustritte aus Steuergründen scharf kritisiert. "Ich denke, man macht sich etwas vor, wenn man sagt, ich trete zwar aus der Kirche aus, aber ich glaube natürlich weiter", sagte Kramer im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) am Montag in Erfurt. Glaube brauche immer Gemeinschaft. "Und mein Glaube sollte mir auch etwas wert sein", so der Landesbischof der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM).

"Zu den populärsten Lohnsteuer-Spartipps gehört immer der Kirchenaustritt. Da sollten wir als Kirche argumentativ stärker und klarer dagegenhalten", erklärte Kramer. Zugleich räumte er ein: "Das Schwerste für uns ist sicherlich zu vermitteln, dass Kirche kein Verein ist, in den man ein- und austritt, sondern den Rahmen gibt für eine Lebensbindung an Gott." Menschen träten aus Verärgerung aus der Kirche aus oder weil Glaubensthemen für sie keine Relevanz mehr hätten. "Das, gravierendste ist aber die Mammon-Frage: 'Bin ich bereit, mein Geld für die Kirche zu geben?'", stellte der Landesbischof fest.

Kramer: Deutsche Einheit durch Neue Rechte vollzogen

Weiter äußerte sich Kramer zum Thema Rechtspopulismus. Die deutsche Einheit ist nach Ansicht des Landesbischofs "durch die Neue Rechte und die AfD vollzogen". Im Interview sagte er: "Die Neue Rechte hat es geschafft, die Ängste der Leute einzusammeln. Die gehen in die Regionen und sagen: 'Wir sind für euch da.'" Kramer führte aus: "Wenn Björn Höcke vor 30 Jahren auf dem Erfurter Domplatz seine AfD-Reden geschwungen hätte, dann hätten die Menschen gesagt: 'Was quatscht der Wessi für ein dummes Zeug?'" Jetzt grölten viele seine Parolen mit. "Die deutsche Einheit bekommt dadurch einen Geschmack, wie wir es nicht gewollt haben - nämlich nationalistisch", so Kramer.

Der Landesbischof warb dafür, mit AfD-Anhängern zu diskutieren. "Wir sind als Kirche erst einmal für alle da, auch für AfD-Sympathisanten und Mitglieder. Gleichzeitig ist klar, dass wir bestimmte Grundwerte haben, über die wir dann streiten müssen", so Kramer. "Wir wollen AfD-Anhänger nicht ausgrenzen, werden aber die Klarheit unserer christlichen Botschaft nicht aufgeben. Das ist die Herausforderung." Zugleich zeigte er sich skeptisch, ob es bischöfliche Kontakte zu leitenden AfD-Politikern in Thüringen und Sachsen-Anhalt geben sollte: "Das mache ich an den gegenwärtigen Personen fest."

Kramer trat am 7. September das Amt des EKM-Landesbischofs an. Zuvor leitete er die Evangelische Akademie Sachsen-Anhalt in Wittenberg. Er ist bundesweit der einzige ostdeutsch sozialisierte evangelische Bischof. (tmg/KNA)