Juden-Witze und Führer-Geburtstag

Veröffentlicht am 29.05.2013 um 00:00 Uhr – Lesedauer: 4 MINUTEN
Rassismus

Würzburg ‐ Juden- oder KZ-Witze, eine Feier am 20. April zum Geburtstag von Adolf Hitler, rechtsradikale Musik - die Vorwürfe gegen ein paar Seminaristen des Würzburger Priesterseminars wiegen schwer. Doch was ist genau dran? Seit Wochen beschäftigen sich die Verantwortlichen in den Bistümern Würzburg und Bamberg, deren künftige 18 Seelsorger gemeinsam in der unterfränkischen Domstadt ausgebildet werden, mit den Anschuldigungen. Es gibt einen Schriftverkehr, der manchen Vorwurf konkretisiert, aber auch klarstellt: Antisemitismus und Rassenhass darf es im Priesterseminar nicht geben.

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Herbert Baumann, als Regens Chef des Priesterseminars, räumt in einem Schreiben vom 27. Mai ein, dass "einige wenige Alumnen bei unterschiedlichen Gelegenheiten (...) Judenwitze erzählt haben, die rassen- und menschenverachtenden Charakter haben". Im Gespräch am Mittwoch mit der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) spricht er von "einem oder mehreren KZ-Witzen", die im privaten Kreis erzählt worden seien. Außerdem habe es "leichtsinniges Reden über Führers Geburtstag" am 20. April von einem Bewohner am Schwarzen Brett des Hauses gegeben.

Baumann streitet Vorwürfe ab

Dieser sei jedoch nicht bei der angeblichen Feier am Abend im Bierkeller dabei gewesen, so der Regens. "Wir haben keinen Zeugen, der uns das bestätigen kann." Klar sei nur, dass drei Bewohner nach einer Gebetsveranstaltung in Würzburg sowie nach einem Konzert der Band "Frei.Wild" zusammengesessen hätten. Insgesamt richten sich die Vorwürfe laut Baumann gegen vier bis fünf Bewohner des Seminars.

Den Musikern von "Frei.Wild" wird rechtsradikales Gedankengut vorgeworfen, sie selbst distanzieren sich davon. Überhaupt ist die Anschuldigung, es gebe bei manchen Seminaristen einen Hang zu Musik der rechten Szene schwer zu klären. Von CDs mit Hakenkreuz wisse er nichts, so Baumann. Im Bierkeller habe es nur eine CD mit Marschmusik und der Deutschlandfahne auf dem Cover gegeben, frei im Handel erhältlich. Ebenso wenig klar ist, ob einige Alumnen für Uniformen aus der Zeit des Dritten Reiches schwärmten und den Paradeschritt der Wehrmacht nachahmten.

Vorwürfe kamen aus dem Priesterseminar

Die Informationslage ist schwierig: Viele Einzelgespräche habe er geführt, berichtet der Regens. Denn die Anschuldigungen seien aus dem Priesterseminar selbst gekommen. Dabei sei unter anderem auf Erzählungen verwiesen worden, die an der Würzburger Universität kursierten. Aber auch Verantwortliche einer Studentenverbindung, in der angehende Priester Mitglied sind, hätten sich nach dem Gedankengut von zwei Personen erkundigt.

Alles in allem scheinen die Vorwürfe nicht komplett aus der Luft gegriffen zu sein. In einer sogenannten "Instructio" vom 14. Mai hat der Regens den Bewohnern deutlich gemacht, dass Judenfeindlichkeit und diskriminierende Aussagen und Handlungen gegenüber Ausländern nicht dem christlichen Menschenbild entsprächen. Vielmehr sind diese "unkatholisch" und "für Priester und Kandidaten nicht tragbar".

Priesterseminar mit jüdischer Geschichte

Gegenüber ihren Bischöfen hätten sich die Seminaristen erklärt. Außerdem hat Baumann dazu aufgefordert, sich eine Selbstverpflichtung aufzuerlegen. Diese soll von jenen, die die Vorwürfe erheben, und von den Beschuldigten erarbeitet werden. Der Würzburger Generalvikar Karl Hillenbrand hat in einem Brief wissen lassen, dass das Erzählen von Judenwitzen und Zusammenkünfte, die an Nazirituale erinnern, nicht toleriert werden. Auch stellte er die Frage nach der geistlichen und menschlichen Reife solcher Bewerber für das Priesteramt. Wenn es daran fehle, seien solche Leute "nicht qualifiziert".

Hillenbrand verwies auch auf die Geschichte des Priesterseminars. Es handelt sich um ein ehemaliges Synagogengebäude, das nach dem Zweiten Weltkrieg von einer amerikanischen Organisation an die Diözese Würzburg verkauft wurde. Diese Aktion sei damals gegen den "ausdrücklichen Willen der wenigen noch in Würzburg und Unterfranken verbliebenen Juden" geschehen, erinnerte der Generalvikar.

Von Barbara Just und Christian Wölfel (KNA)

Priesterseminar

Ausbildungsstätte für angehende Priester. Die wissenschaftliche Ausbildung der Priesteramtskandidaten erfolgt an den katholisch-theologischen Fakultäten der staatlichen Universitäten oder an kirchlichen Hochschulen. Die abschließende Ausbildung und Vorbereitung auf die Priesterweihe findet in den Priesterseminaren der Bistümer statt. Der Leiter des Priesterseminars heißt Regens oder Regent. Ihm stehen der Subregens und der Spiritual zur Seite. (Quelle: Manfred Becker-Huberti/Ulrich Lota | © Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2010)