In Hilfe und Entschädigung "wenig bis nichts passiert"

Opferinitiative: Aufarbeitung von Missbrauch noch lange nicht beendet

Veröffentlicht am 11.01.2020 um 10:59 Uhr – Lesedauer: 

Hamburg ‐ Seit zehn Jahren ist der Missbrauchsskandal Thema in der katholischen Kirche. Die Aufarbeitung sei noch lange nicht beendet, kritisiert Matthias Katsch von der Opferinitiative "Eckiger Tisch". Handlungsbedarf sieht er vor allem bei den Bischöfen.

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Zehn Jahre nach Bekanntwerden des Missbrauchsskandals in der katholischen Kirche in Deutschland ist die Aufarbeitung nach Ansicht von Matthias Katsch, Sprecher der Betroffeneninitiative "Eckiger Tisch", noch lange nicht beendet. Notwendig sei unter anderem eine "systematische Aufarbeitung durch Experten, die alle Akten lesen und Zeugen befragen dürfen", sagte Katsch dem "Spiegel" (Samstag). Er hoffe, dass es bald dazu komme und fügte hinzu: "Eine staatliche Wahrheits- und Gerechtigkeitskommission zur Kirche konnten wir leider nicht durchsetzen".

Was Hilfe, Unterstützung, Beratung und Entschädigung angehe, sei "wenig bis nichts passiert", kritisierte er. "Keiner hat bisher einen Euro Entschädigung bekommen. Es gab Anerkennungszahlungen von maximal 5.000 Euro pro Person. Wir warten auf die Antwort der Bischöfe auf unsere Vorschläge für eine faire Entschädigung in Höhe von bis zu 400.000 Euro pro Person. Die Bistümer und Orden sollten dafür in einen Fonds einzahlen. Es sollte möglich sein, dafür auch Kirchensteuermittel einzusetzen."

Beginn am "Canisius-Kolleg"

Katsch ist einer von drei ehemaligen Schülern des Jesuitengymnasiums "Canisius-Kolleg" in Berlin, die vor zehn Jahren den damaligen Rektor Klaus Mertes aufsuchten, um Missbrauch durch zwei Patres der Schule anzuzeigen. Mertes wandte sich daraufhin in einem Brief an alle Schüler, die das Kolleg in den 1970er- und 1980er-Jahren besucht hatten. Dies löste eine bundesweite Debatte über sexuellen Missbrauch aus und führte zur Aufdeckung weiterer Fälle auch in nichtkirchlichen Einrichtungen. Nach wie vor fehle es am Canisius-Kolleg wie an den anderen Jesuitenschulen an einer unabhängigen wissenschaftlichen Aufarbeitung, beklagte Katsch. Den Opfern gehe es darum, dass sich die Einrichtungen und der Orden ihrer Gewaltgeschichte stellten. Defizite gebe es auch an anderer Stelle. "Weder strafrechtlich noch kirchenrechtlich wurde bisher ein Vorgesetzter verurteilt, der vertuscht und verheimlicht."

Er nehme dem Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, und dem Missbrauchsbeauftragten der Bischöfe, dem Trierer Bischof Stephan Ackermann, ihre persönliche Betroffenheit ab, betonte Katsch und fügte mit Blick auf Ackermann hinzu: "Ich habe aber nicht den Eindruck, dass seine Mitbrüder ihn ausreichend bei seiner Arbeit unterstützen." Die Kirche müsse hinterfragen, "ob diejenigen, die für dieses systematische Verheimlichen verantwortlich sind, jetzt weitermachen können", sagte Katsch. "Chilenische Bischöfe haben kollektiv ihren Rücktritt angeboten und dem Papst die Entscheidung über ihre Zukunft überlassen. Das wäre auch eine Möglichkeit der Erneuerung bei uns." (mpl/KNA)