Die Friedrichswerdersche Kirche – ein Juwel im Herzen der Hauptstadt
Der Werdersche Markt in Berlin-Mitte ist über die Grenzen der Bundeshauptstadt hinaus heute vor allem als Adresse des Auswärtigen Amts bekannt. Hier, nur einen Steinwurf entfernt vom wiedererrichteten Stadtschloss und in fast direkter Nachbarschaft zum Erzbischöflichen Ordinariat des Erzbistums Berlin, wird seit gut 20 Jahren Deutschlands Außenpolitik betrieben.
Doch der Werdersche Markt ist viel mehr als nur der Standort eines Bundesministeriums. Er ist vor allem ein historisch bedeutender Stadtplatz mitten im Herzen der Hauptstadt. Das liegt insbesondere an dem ehrwürdigen Gebäude direkt gegenüber dem Ministerium, das als eines von wenigen Bauwerken in der Umgebung die Verheerungen des Zweiten Weltkriegs und die sozialistischen Abrissbirnen überlebt hat: die Friedrichswerdersche Kirche.
Durch den Bau einer Luxuswohnanlage schwer beschädigt
Das Gotteshaus, das zwischen 1824 und 1830 im Auftrag des preußischen Kronprinzen Friedrich Wilhelm errichtet wurde, ist eines der wichtigsten Werke des bekannten Berliner Baumeisters Karl Friedrich Schinkel und für Touristen eigentlich ein lohnenswertes Ziel. Eigentlich. Denn in den vergangenen sieben Jahren war es für die Öffentlichkeit nicht zugänglich. Der Neubau der benachbarten Luxuswohnanlage "Kronprinzengärten" – vor allem von deren Tiefgarage – hatte im Inneren der Kirche so schwere Schäden verursacht, dass sie geschlossen werden musste. Jetzt aber soll das Gotteshaus, das seit 1987 als Museum genutzt wird, nach langer Sanierung wiedereröffnet werden – an diesem Wochenende zunächst mit zwei Tagen der offenen Tür, und ab Sommer dann dauerhaft.
Außergewöhnlich an der Friedrichswerderschen Kirche ist schon ihr Äußeres. Aus roten Ziegelsteinen errichtet steht sie in starkem Kontrast zu den modernen Geschäfts- und Wohnhäusern der unmittelbaren Umgebung. Das ungewöhnliche Baumaterial – das Gotteshaus war Berlins erster repräsentativer Backsteinbau seit dem Mittelalter – wählte Schinkel, um den Wünschen des Kronprinzen zu entsprechen. Während der geniale Baumeister, dem Berlin unter anderem auch die Neue Wache Unter den Linden und das Schauspielhaus am Gendarmenmarkt verdankt, die Kirche eigentlich im klassizistischen Stil errichten wollte, verlangte der Kronprinz ein Gebäude im altdeutschen – also gotischen – Stil. Dieser, so die offizielle Begründung des späteren Königs Friedrich Wilhelm IV., passe besser "in diese etwas engere Gegend der Stadt, die durch die Unregelmäßigkeit ihrer Straßen sich dem Altertümlichen nähert".
Schinkel beugte sich dem Wunsch des Kronprinzen und entwarf in freier Aneignung gotischer Vorbilder eine Kirche im neugotischen Stil, die jedoch auch deutliche klassizistische Elemente aufweist. So verfügt das Gotteshaus etwa über kein Satteldach und keine spitzen Helme auf den beiden Türmen, wie es für gotische Kirchen eigentlich typisch ist. Das Dach der Kirche ist vielmehr flach und diente den Berlinern einige Zeit lang als Aussichtsplattform. Auch die wuchtige Backsteinfassade erinnert kaum an die schlanken Strukturen gotischer Kathedralen. Anders sieht es im Innenraum der Kirche aus, der sich mit seinen nach oben strebenden gebündelten Pfeilern, seiner hohen Decke und seinem (aufgemalten) Netzgewölbe deutlicher auf die gotischen Originale bezieht.
Auch wenn die Kirche heute als architektonisches Juwel gilt – die Zeitgenossen Schinkels waren von dem Bau wenig angetan. Vereinzelt war sogar von "Schinkels gotischem Schmerzenskind" die Rede. Gleichwohl gab der Baumeister mit der Friedrichswerderschen Kirche den Anstoß für den Bau einer Vielzahl weiterer neugotischer Backsteinkirchen in Berlin und Brandenburg.
Die Weihe der neuerrichteten Kirche fand am 10. Juli 1831 statt. Danach diente sie der preußisch-unierten und der französisch-reformierten Gemeinde über vier Jahrzehnte als gemeinsames Gotteshaus. 1872 erwarben die Unierten dann den Anteil der Reformierten, und bis in den Zweiten Weltkrieg hinein feierte die lutherische Ortsgemeinde von Friedrichswerder hier ihre Gottesdienste. An diese ursprünglich sakrale Nutzung des Gebäudes erinnern heute im Innenraum noch die Kanzel, die Altarmensa und die teils originalen farbigen Glasfenster.
"Die Kirche ist standfest und sicher"
Dass nach dem Weltkrieg keine Gottesdienste mehr in der Kirche gefeiert werden konnten, lag an ihrer großflächigen Beschädigung durch Artilleriebeschuss kurz vor Kriegsende. Für rund vier Jahrzehnte blieb das Gotteshaus deshalb als Ruine ungenutzt. Erst anlässlich des 200. Geburtstags Schinkels folgte von 1979 bis 1986 eine Sanierung; ein Jahr später – zur 750-Jahr-Feier Berlins – wurde die Kirche als Dependance der Alten Nationalgalerie eröffnet. Nach einer neuerlichen Restaurierung von 1997 bis 2000 war hier das Museum für Skulpturen des frühen 19. Jahrhunderts zu sehen. Diese Nutzung ist auch künftig wieder vorgesehen.
Dass die Friedrichswerdersche Kirche nun wiedereröffnet werden kann, ist übrigens auch den Verursachern der Schäden zu verdanken; die Kosten der Sanierung – die Rede ist von acht Millionen Euro – wurden durch den Bauträger der "Kronprinzengärten" getragen. "Wir können die Schäden nicht rückgängig machen. Aber alle sind sich einig: die Kirche ist standfest und sicher", bilanzierte der Pfarrer der Evangelischen Kirchengemeinde in der Friedrichstadt, Stephan Frielinghaus.