Pater Philipp König über das Sonntagsevangelium

Der Zauber des Anfangs

Veröffentlicht am 25.01.2020 um 17:45 Uhr – Lesedauer: 
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Frankfurt am Main ‐ Wie war das damals, zu Beginn dieser Beziehung? Das Sonntagsevangelium erzählt von faszinierten Jüngern, die für Jesus alles wagen. Gerade heute braucht es mehr von dieser mutigen Leichtigkeit, ist Pater Philipp König überzeugt.

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Impuls von Pater Philipp König

"Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne", so schreibt Hermann Hesse in seinem berühmten Stufen-Gedicht. Anfänge sind tatsächlich von großer Bedeutung: Gerne denke ich etwa an den Anfang einer Freundschaft zurück. Ich liebe es, ein neu gekauftes Buch zu öffnen und seine Seiten zum ersten Mal durchzublättern. Das erste Kapitel eines gelungenen Romans, der erste Satz eines guten Textes gibt immer schon den Grundton des Ganzen an.

Von Anfängen geht eine eigene, ganz besondere Faszination aus. Vielleicht auch, weil sich in ihnen die unterschiedlichsten Gefühle verbinden: Wenn ich etwa eine neue Arbeitsstelle beginne oder in eine andere Stadt ziehe, mischen sich meist Vorfreude mit unsicherer Anspannung, der Reiz des Neuen ist begleitet von einem leise Zögern: War meine Entscheidung richtig? Was wird der neue Lebensabschnitt bringen?

Der Anfang, von dem Matthäus im heutigen Evangelium berichtet, ist ebenfalls faszinierend und spannungsreich zugleich. Es geht um den Anfang des öffentlichen Wirkens Jesu. Die wenigen Sätze lassen bereits alle wesentlichen Punkte im Leben und in der Verkündigung Jesu anklingen. Ich finde, die besondere Stimmung ist beim Lesen noch heute zu spüren. Eine Spannung, ja sogar ein Zauber liegt in der Luft, wenn wir die Worte hören, mit denen Jesus sein öffentliches Auftreten beginnt: "Kehrt um! Denn das Himmelreich ist nahe."

Gleich zu Beginn macht Jesus klar, worin seine Predigt besteht und was er erwartet: Umkehr! Das nahe Himmelreich duldet weder Halbherzigkeiten noch Ausflüchte. Vielmehr gilt es, das eigene Leben zu ändern. Dass dies schmerzhafte Konsequenzen nach sich ziehen kann, wird nicht verschwiegen: Johannes der Täufer musste dafür ins Gefängnis gehen, später sollte er den Tod erleiden.

Jesus beginnt sein öffentliches Wirken in seiner galiläischen Heimat, genauer in Kafarnaum. Damit wählt er eine Gegend aus, die kein hohes Ansehen genoss. Im Gegenteil: Wenn Matthäus, den Propheten Jesaja frei zitierend, vom "heidnischen Galiläa" spricht, dann wird deutlich, was viele damals von dieser Region und den dort lebenden Menschen gehalten haben. Man blickte auf Galiläa herab, verband es mit Finsternis und nannte es sogar "Schattenreich des Todes". Genau hier setzt Jesus den Beginn seines Wirkens! Von Anfang an ist damit klar: Jesu Botschaft ist eine Freudenbotschaft gerade für die Verachteten und Verlierer, für die, die man schon längst abgeschrieben und für tot gehalten hat.

Im heutigen Evangelium hat mich eines am Nachhaltigsten berührt: Die Freude des Anfangs! Mich fasziniert die Leichtigkeit, mit der Simon und Andreas alles stehen und liegen lassen, um Jesus nachzufolgen: "Sofort ließen sie ihre Netze liegen." Ebenso Jakobus und Johannes: "Sogleich verließen sie das Boot und ihren Vater und folgten Jesus nach." Jesus muss einen gewaltigen Eindruck auf die Männer gemacht haben, so unbekümmert wie sie alle bisherigen Sicherheiten aufgeben: Familie, Umfeld, Arbeit… Ob sie sich der Konsequenzen und Risiken bewusst waren?

Viele werden ihr Verhalten für naiv halten. Doch oft wünsche ich mir für unsere Kirche genau diese Haltung der Jünger: Dass wir wieder mehr die Frische und Leichtigkeit atmen, die in den Berufungsgeschichten weht. Dass wir uns neu anstecken lassen vom Zauber des Anfangs: dem Anfang unserer je eigenen und unverwechselbaren Geschichte mit Jesus.

Von P. Philipp König OP

Aus dem Evangelium nach Matthäus (Mt 4,12-23)

Als Jesus hörte, dass Johannes ausgeliefert worden war, kehrte er nach Galiläa zurück. Er verließ Nazaret, um in Kafarnaum zu wohnen, das am See liegt, im Gebiet von Sebulon und Naftali.

Denn es sollte sich erfüllen, was durch den Propheten Jesaja gesagt worden ist: Das Land Sebulon und das Land Naftali, die Straße am Meer, das Gebiet jenseits des Jordan, das heidnische Galiläa: Das Volk, das im Dunkel saß, hat ein helles Licht gesehen; denen, die im Schattenreich des Todes wohnten, ist ein Licht erschienen.

Von da an begann Jesus zu verkünden: Kehrt um! Denn das Himmelreich ist nahe. Als Jesus am See von Galiläa entlangging, sah er zwei Brüder, Simon, genannt Petrus, und seinen Bruder Andreas; sie warfen gerade ihr Netz in den See, denn sie waren Fischer.

Da sagte er zu ihnen: Kommt her, mir nach! Ich werde euch zu Menschenfischern machen. Sofort ließen sie ihre Netze liegen und folgten ihm nach.

Als er weiterging, sah er zwei andere Brüder, Jakobus, den Sohn des Zebedäus, und seinen Bruder Johannes; sie waren mit ihrem Vater Zebedäus im Boot und richteten ihre Netze her. Er rief sie und sogleich verließen sie das Boot und ihren Vater und folgten Jesus nach.

Er zog in ganz Galiläa umher, lehrte in den Synagogen, verkündete das Evangelium vom Reich und heilte im Volk alle Krankheiten und Leiden.

Der Autor

Pater Philipp König gehört dem Dominikanerorden an und arbeitet als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Patristik und Antikes Christentum an der Hochschule St. Georgen in Frankfurt/Main. Außerdem ist er als Postulatsleiter in der Ordensausbildung tätig.

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