Wiesemann: Kirche muss synodale Elemente stärker in Struktur verankern
Wie war es bei der ersten Synodalversammlung in Frankfurt? Der Speyerer Bischof Karl-Heinz Wiesemann hat in den drei Tagen ein produktives Diskussionsklima gespürt und blickt optimistisch auf den Fortgang des Reformprozesses.
Frage: Bischof Wiesemann, die erste Synodalversammlung ist jetzt vorbei und der Synodale Weg hat volle Fahrt aufgenommen. Was war Ihr Highlight?
Wiesemann: Wir haben sehr gut mit dem Eröffnungsgottesdienst begonnen. Auch die Zeiten der Unterbrechung durch die Geistlichen Begleiter habe ich sehr wichtig gefunden. Besonders berührend ist für mich das gemeinsame und konstruktive Ringen um schwierige Fragen und der erkennbare Willen aller Teilnehmer, miteinander zu sprechen und durch einen geistlich getragenen und der Ernsthaftigkeit der Situation entsprechenden Dialog in unserem Reformprozess voranzukommen.
Frage: Gibt es einen Moment, eine Wortmeldung oder einen Punkt, den sie besonders herausgreifen möchten?
Wiesemann: Die Diskussionen zu den einzelnen Themen der Foren waren sehr produktiv. Das ist entscheidend, denn wir Teilnehmer – Bischöfe wie Laien – wissen, dass wir miteinander um gute Lösungen ringen müssen, die einerseits in der Weltkirche eingebettet sind, andererseits aber die Herausforderungen unserer Kirche in Deutschland wirklich ernstnehmen.
Frage: In den sozialen Netzwerken hat das Statement von Mara Klein bei Synodalversammlung für Aufsehen gesorgt. Viele haben ihre Wortmeldung als Gänsehautmoment bezeichnet…
Wiesemann: Ja, das war auch für mich ein bewegender Moment. In Mara Kleins Kritik ging es um die strukturelle Sünde in der Kirche, die zu Missbrauch geführt hat. Das hat mit dem Thema Macht in der Kirche zu tun, zu dem ich das vorbereitende Forum geleitet habe. Ich selbst habe in meinem Redebeitrag einen Perspektivenwechsel gefordert, der uns vom Evangelium selbst nahegelegt wird: Wir müssen die Option für die Armen leben, also eine Präferenz für die Schwachen und Betroffenen haben und aus ihrer Perspektive Kirche und Welt betrachten. Genau dieser Punkt wurde im Statement von Mara Klein sehr persönlich und betroffen aufgegriffen. Das ist eine Dimension, die mich und hoffentlich alle Gläubigen zutiefst berührt und uns dazu bewegen muss, unser Kirche-Sein neu zu denken.
Frage: Zum Kirche-Sein gehört auch der Aspekt der Macht. Wie muss mit Macht in der Kirche umgegangen werden, damit der Missbrauch dieser Macht nicht mehr möglich ist?
Wiesemann: Schon jetzt haben wir als Kirche unabhängige Anlaufstellen. Die Zusammenarbeit mit der Staatsanwaltschaft ist etabliert. Wir tun, was wir können, damit etwa Vertuschung nicht mehr möglich ist. Aber wir benötigen mehr Möglichkeiten der Teilhabe aller Gläubigen an der kirchlichen Macht. In unserem Forum haben wir mehrere Vorschläge gemacht, wie eine stärkere Einbindung der bischöflichen Autorität in gemeinsame Entscheidungen aussehen könnte. Wir brauchen eine größere Partizipation aller Glieder der Kirche an Entscheidungsprozessen.
Frage: An welche konkreten Veränderungen denken Sie dabei?
Wiesemann: Das muss jetzt auf dem Synodalen Weg diskutiert werden, dem möchte ich nicht vorgreifen. Aber es ist klar, dass die Kirche synodale Elemente deutlich stärker in ihrer Struktur verankern muss. Zum Teil gibt es da schon Ansätze, die jedoch stärker ausgebaut werden müssen.
Frage: Gilt das auch im Hinblick auf die Beteiligung von Frauen an kirchlicher Macht?
Wiesemann: Ja, das gehört selbstverständlich dazu. Ich möchte, dass Frauen auf allen derzeit möglichen Leitungsebenen entsprechend teilhaben. Ich halte das für besonders wichtig.
Frage: Denken Sie dabei auch an die Weihe der Frau?
Wiesemann: Das ist eine Frage, die in diesem Rahmen diskutiert werden muss. Man kann nicht mehr einfach sagen, dass das Thema theologisch geklärt und abgeschlossen ist. Aber diese Frage ist sicher nicht die einzige, die in diesem Kontext besprochen werden muss.
Frage: Halten Sie solche Aufbrüche nach der ersten Synodalversammlung für möglich?
Wiesemann: Ich habe in Frankfurt einen sehr konstruktiven Geist erlebt, der von einer offenen Aussprache und intensivem Hören aufeinander geprägt war. Diese Erfahrung stimmt mich sehr optimistisch, dass es zu einer größeren Teilhabe an kirchlicher Macht durch alle Gläubigen kommen kann.