Der Synodale Weg: Ein Miteinander mit Macken
So richtig wusste im Vorfeld niemand, was ihn bei der ersten Synodalversammlung des Synodalen Wegs in Frankfurt erwarten würde: nicht die deutschen Bischöfe, die ihre Debatten für gewöhnlich hinter verschlossenen Türen führen; nicht die Mitglieder des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), die für gewöhnlich nicht mit den Bischöfen um Beschlüsse ringen; und erst recht nicht die übrigen knapp 90 Teilnehmer, die weder zu der einen noch der anderen Gruppe gehören und sich deshalb teilweise schwertaten mit den bürokratischen Fallstricken der parlamentarischen Arbeitsweise.
Doch nicht das war der Hauptgrund, dass sich am Freitag als erstem richtigem "Arbeitstag" der Synodalen zumindest kurzzeitig ein "Supergau" anbahnte. Denn bevor man in die eigentliche Diskussion zu den Themen Macht, priesterliche Lebensform, Sexualmoral und Frauen einsteigen konnte, mussten die 230 Synodalen, die das oberste Entscheidungsgremium des Synodalen Wegs bilden, erst einmal die Geschäftsordnung verabschieden. Doch wer dachte, dass das nach der von den Bischöfen und dem ZdK bereits im Vorfeld verabschiedete Satzung des Synodalen Wegs nur eine Formalität werden würde, wurde eines Besseren belehrt.
Denn gerade die Erarbeitung und Verabschiedung der Satzung schien für viele Teilnehmer das entscheidende Problem zu sein. Sie fühlten sich von Bischofskonferenz und ZdK nicht richtig eingebunden und informiert über das, was da in den kommenden zwei Jahren passieren soll. Exemplarisch dafür stand ein Antrag einer Gruppe rund um den Bonner Stadtdechanten Wolfgang Picken, der eine Überarbeitung nicht nur der Geschäftsordnung, sondern auch der Satzung empfahl, um "eine partizipative, gleichberechtigte und transparente Gestaltung des Synodalen Weges für alle Mitglieder der Synodalversammlung" zu gewährleisten.
Es entbrannte eine Grundsatzdiskussion: Gibt es genug Transparenz für alle Delegierten? Wer bestimmt die Teilnehmer der Foren, die die Vorlagen für die Synodalversammlungen erarbeiten? Wo sind welche Mehrheiten nötig? Und mehrfach: Ist die Rolle der Frauen richtig gewichtet? Auf der anderen Seite stellte der Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer zum wiederholten Mal ganz grundsätzlich die Frage nach der Wissenschaftlichkeit der MHG-Studie zum Missbrauch in der Kirche und damit auch nach der Diskussionsgrundlage des gesamten Synodalen Wegs. 60 Minuten waren für die Verabschiedung der Geschäftsordnung am Freitagvormittag eingeplant. Doch bis zum späten Nachmittag war noch nicht ein inhaltliches Wort zu den vier Themen gesprochen. Würde der Prozess hier und jetzt scheitern?
Dabei hatte am Tag zuvor alles so harmonisch begonnen. Zur Eröffnung wünschte sich der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz und Synodalpräsident, Kardinal Reinhard Marx, einerseits einen wertschätzenden Dialog aller Teilnehmer. Man wolle nicht mehr gegeneinander oder übereinander reden, sondern miteinander. Andererseits mahnte er einen realistischen Blick auf das an, was dieser Synodale Weg leisten kann. Man bewege sich im kirchenrechtlichen und weltkirchlichen Rahmen. Daher könne man in zwei Jahren keine Wünsche erfüllen, die Aufgabe eines Konzils seien, sagte er – und meinte etwa die Frauenpriesterweihe, ohne sie jedoch explizit zu nennen.
Gemeinsames Erwartungmanagement
Hatte das Zentralkomitee Ende 2018 in seinem Beschluss "Entschlossenes gemeinsames Handeln, jetzt!" noch gefordert, "Frauen und Männer in Kirche gleich zu stellen und daher Frauen Zugang zu allen kirchlichen Ämtern zu gewähren", formulierte es auch ZdK-Präsident Thomas Sternberg nun diplomatischer. Schließlich ist man nun selbst an der Umsetzung der geforderten Reformen beteiligt. Es gebe Beschlüsse, die man direkt in Deutschland umsetzen könne, solche, die als Votum zum Papst gingen, und wieder welche, für die es ein Konzil brauche, so Sternberg. Die Äußerungen waren auch ein Zeichen dafür, dass aus der ehemaligen Opposition von Bischöfen und Laien eine Partnerschaft mit gemeinsamem Erwartungsmanagement geworden ist.
Wenig beeindruckt davon waren allerdings die Protestbewegung Maria 2.0 und der Katholische Frauenverband kfd, die vor dem anschließenden Eröffnungsgottesdienst im Frankfurter Dom Spalier im Eingangsbereich standen, um ihrem Anliegen der Gleichberechtigung lautstark und in Purpur Nachdruck zu verleihen. Es war das bunteste Element einer liturgischen Feier, die zeigte, dass das Umdenken bei einem zentralen Thema wie Klerikalismus und Macht bereits vor den ersten Beschlüssen des Synodalen Wegs eingesetzt hat. Auf einen prunkvollen liturgischen Einzug der Oberhirten wartete man vergebens. Stattdessen mischten sie sich in ihre dunklen Mäntel und Jacken gehüllt unter das Kirchenvolk in die Bänke. Ordensfrauen und junge Menschen erhielten im Gotteshaus das Wort und legten ihr persönliches Glaubenszeugnis ab.
Es war ein starkes Zeichen, das auch in den Sitzungen der Synodalversammlung an den beiden Folgetagen aufblitzte und Früchte trug. So setzten die Organisatoren Bischöfe und Laien nicht in monolithische Blöcke konfrontativ gegenüber, sondern ordneten die Teilnehmer in alphabetischer Reihenfolge an. Ein Vorbild dafür war die Pastoralsynode in der ehemaligen DDR Mitte der 1970er Jahre, als etwa der spätere ZdK-Präsident Hans Joachim Meyer und der spätere Kölner Kardinal Joachim Meisner Schulter an Schulter saßen. Ähnliche Konstellation gab es auch in Frankfurt, die für Reibungen, Unverständnis, aber auch für einen konstruktiven Austausch und damit eine ganz eigene Dynamik dieses Synodalen Wegs sorgten. ZdK-Präsident Thomas Sternberg sprach von "erstaunlichen Nachbarschaften".
Schließlich wurde auch in den Sitzungen der Bann gebrochen und es gab die ersten Erfolgserlebnisse. Mit einer deutlichen Mehrheit von 187 zu 20 wurde die Geschäftsordnung nach stundenlanger Beratung verabschiedet. Zudem werteten die Delegierten das Stimmrecht der Frauen auf. Für gültige Beschlussfassungen der Synodalversammlung braucht es nun auch eine weibliche Mehrheit. Ein Antrag des Münsteraner Studentenpfarrer Michael Berentzen, während der Versammlungen auf alle Titel – vom Professor bis zum Bischof – zu verzichten, wurde dagegen knapp mit 79 zu 115 Stimmen abgelehnt. Am Samstagmittag einigte man sich schließlich auch mit deutlichen Mehrheiten von über 90 Prozent auf die Besetzung der vier künftigen Synodalforen. Auch hier hat es allerdings eine Modifikation gegeben. Anstatt die Besetzung allein dem Synodalpräsidium zu überlassen, wählte die Versammlung je fünf weitere Synodale in die Arbeitsgruppen.
Nüchterne und sachliche Analysen des kirchlichen Ist-Zustands
Das wirkliche Highlight waren allerdings die zahlreichen Wortmeldungen der Synodalen – vom Bischof bis zur Abiturientin. Es waren Beiträge, die das ganze kirchenpolitische Spektrum in Deutschland abbilden. Es waren nüchterne und sachliche Analysen des Ist-Zustands der Kirche und der Probleme, aber auch sehr emotionale und persönliche Bekenntnisse. So diagnostizierte die Benediktinerin Philippa Rath der Kirche aller biblischen Behauptungen zum Trotz, keine Angst haben zu müssen, ein riesiges "Angstpotenzial". Es gebe Angst bei Missbrauchsopfern, über die Taten zu sprechen, und Angst bei den Gläubigen in den Pfarreien wie bei den Mitarbeitern in den Generalvikariaten, ihre Gedanken zu äußern. "Und all das hat mit dem Thema Macht zu tun", sagte Rath.
Auch der Hamburger Erzbischof Stefan Heße nahm kein Blatt vor den Mund. Die kirchliche Lehre zur Homosexualität sei "verletzend und nicht weiterführend". Viele Homosexuelle lebten verbindlich und in Treue. "Enthaltsamkeit" sei da keine passende Antwort der Kirche. Der Kölner Weihbischof Dominikus Schwaderlapp warb dagegen für die Anerkennung der Einheit von Leib und Seele und die "Theologie des Leibes" von Johannes Paul II. Sein Osnabrücker Amtsbruder Franz-Josef Bode bilanzierte nüchtern, dass man Priestern künftig freistellen müsse, ob sie ein zölibatäres Leben führen wollten oder nicht, um dem Nachwuchsproblem entgegenzuwirken.
Dann ist die Synodalversammlung fast vorbei und Janosch Roggel aus dem Erzbistum Paderborn ergreift das Wort. Er gehört zu den 15 vom BDKJ ausgewählten U30-Synodalen. "Ich bin transsexuell", sagt er. "Und der Missbrauch durch einen Priester ist für mich das Schlimmste gewesen." Stille im Saal. Er sei zwar schon volljährig gewesen, als der Missbrauch stattfand, aber nicht frei und erpressbar. "Abhängigkeit und Unfähigkeit sind systemische Fehler", sagt er. Den Anwesenden müsse klar sein, dass sich die Opfer von Missbrauch dieser Veranstaltung nicht stellen wollen. "Aber wir sind im Raum und hören zu." Applaus. Die Synodalen erheben sich.
Es hätte ein versöhnliches und hoffnungsvolles Ende der ersten Synodalversammlung sein können. Aber das allseits beschworene Miteinander geriet dann doch noch einmal ins Wanken. Es sei Macht ausgeübt worden, indem nicht alle Rederecht erhalten haben, bilanzierte der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki. Sein Amtsbruder Reinhard Marx wies die Beschuldigungen jedoch umgehend zurück. Es ist noch ein weiter Weg für die katholische Kirche in Deutschland.