Jesuit für ein anderes Deutschland: Vor 75 Jahren starb Alfred Delp
Es fehlten nur wenige Wochen bis zum Zusammenbruch des nationalsozialistischen Regimes, doch der Volksgerichtshof machte mit Alfred Delp kurzen Prozess: Dass sich der Jesuit am Kreisauer Kreis beteiligt hatte, der Gruppe um Helmuth James Graf von Moltke, die für einen Neuanfang nach dem Sturz der Nationalsozialisten plante, machte den 37-Jährigen aus Sicht des Regimes zum Hochverräter. Am 2. Februar 1945 wurde Delp in Plötzensee hingerichtet.
In Delps Heimat, im hessischen Lampertheim, wird zum 75. Jahrestag mit einer Gedenkwoche an ihn erinnert. Eine kleine Ausstellung zeigt Originaldokumente und persönliche Gegenstände, eine Lesung gibt Einblicke in Delps Glaubenswelt vor seiner Hinrichtung. Bei festlichen Gottesdiensten predigen der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf am 9. Februar in Lampertheim und am Todestag genau eine Woche zuvor in der Mannheimer Jesuitenkirche der Speyerer Bischof Karl-Heinz Wiesemann, der Delp als beeindruckenden Zeugen für die "Wirklichkeit und Wirksamkeit Gottes selbst mitten im Abgrund, mitten in den Abstürzen der Menschheit" würdigt. Delp habe im Dunkel der nationalsozialistischen Katastrophe eine christliche Vision des Neuanfangs entwickelt.
Delp wurde als Sohn eines protestantischen Kaufmanns und einer katholischen Mutter 1907 in Mannheim geboren. Er engagierte sich im hessischen Lampertheim, wo die Familie ab 1914 wohnte, in der katholischen Jugendarbeit. Sein Gemeindepfarrer förderte die intellektuelle Begabung des Jugendlichen. Direkt nach dem Abitur trat Delp entgegen den Wünschen seiner Eltern in den Jesuitenorden ein. Während der Studienzeit war Karl Rahner, der spätere Konzilstheologe, sein Lateinlehrer. Es folgten Studien im In- und Ausland, für einige Zeit war er in der Schwarzwald-Jesuitenschule in Sankt Blasien tätig.
Nachdem ihm die Nationalsozialisten ein Promotionsstudium an der Universität München verweigerten, kam Delp zur NS-kritischen Jesuitenzeitschrift "Stimmen der Zeit". Gleichzeitig entwarf er in Predigten in Abgrenzung zum nationalsozialistischen Staat die Vision eines solidarischen Christentums und einer humanen Gesellschaft.
Delp war zugleich ein scharfer Kritiker einer selbstzufriedenen, verbürgerlichten Kirche. Er forderte einen "drängenden missionarischen Dialog mit dieser Zeit". Die Kirche dürfe nicht "Misstrauen gegen die schöpferischen Kräfte der Menschen" hegen. Der Jesuit war überzeugt: "Es wird kein Mensch an die Botschaft vom Heil und vom Heiland glauben, solange wir uns nicht blutig geschunden haben im Dienste des physisch, psychisch, sozial, wirtschaftlich, sittlich oder sonstwie kranken Menschen."
Vermittelt durch den Münchner Jesuitenprovinzial Augustin Rösch kam Delp in Kontakt mit dem Kreisauer Kreis. Wie groß sein Einfluss dort war und wie oft er an Treffen teilnahm, bleibt unter Historikern umstritten. Sicher ist, dass Delp kein realpolitisches Programm für die Zeit nach Hitler entwarf, sondern eher Gedanken für die sozialphilosophischen Fundamente eines neuen Deutschlands beisteuerte. Delp hoffte auf einen "Humanismus im Namen Gottes", auf ein Erwachen des Menschen zu seinen Werten.
Delps Name in Stauffenbergs Notizbuch
Nach der Verhaftung Moltkes und vor allem nach dem gescheiterten Attentat auf Hitler durch Claus Schenk Graf von Stauffenberg geriet Delp ins Visier der Gestapo. Weil sich in Stauffenbergs Notizbuch Delps Name fand, wurde er verdächtigt, an der Verschwörung des 20. Juli beteiligt gewesen zu sein. Was aktuellen Forschungen zufolge indes nicht der Fall war.
Am 9. und 10. Januar 1945 macht ihm der oberste NS-Richter Roland Freisler wegen Hoch- und Landesverrats den Prozess. Delp selbst spürte, wie er es nach der Verurteilung formuliert, schon "bei den ersten Fragen die Vernichtungsabsicht. Es war alles fertig, als es anfing." Am 11. Januar 1945 verkündet Freisler Delps Todesurteil.
Mit gefesselten Händen verfasste der Pater in den ihm verbleibenden Wochen zwischen Verhaftung und Hinrichtung Briefe, Meditationen und Abhandlungen. Sein geistliches Testament. Sein Glaube und sein tiefes Gottvertrauen sind bis zuletzt ungebrochen. Als er am 2. Februar 1945 zum Galgen geführt wurde, soll er dem Gefängnisseelsorger zugeflüstert haben: "In einer halben Stunde weiß ich mehr als Sie."