Atomwaffen nein, Sturmgewehre ja

Orthodoxe Kirche: Bald kein Segen für Bomben mehr?

Veröffentlicht am 05.02.2020 um 12:24 Uhr – Lesedauer: 

Bonn ‐ Orthodoxe Geistliche segnen alles, so das Klischee. Dass dazu auch schwere Waffen gehören, hat insbesondere in der Krimkrise zu Unmut geführt. Nun diskutiert die russisch-orthodoxe Kirche: Ist bald Schluss mit göttlichem Beistand für Atombomben?

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Die russisch-orthodoxe Kirche erwägt, künftig keine Bomben und andere Massenvernichtungswaffen mehr zu segnen. Das Moskauer Patriarchat hat am Dienstag den Entwurf eines Dokuments "Über den Segen orthodoxer Christen für die Erfüllung des Militärdienstes" veröffentlicht und zur Diskussion gestellt. Der Entwurf entstammt dem Komitee für Kirchenrecht der "Interkonziliaren Präsenz", einem Beratungsorgan des Patriarchen, das Grundsatzdokumente ausarbeitet.

In dem Schreiben wird betont, dass Gebet und Segen für Soldaten zur Tradition der Kirche gehörten. Dabei ginge es aber in erster Linie darum, für ihre Sicherheit zu beten: "Nicht die 'Heiligung' von Gewehren, Raketen oder Bomben wird von Gott erbeten, sondern der Schutz der Soldaten", heißt es in dem Entwurf. Daher soll der überlieferte Segensritus für "Waffen, deren Einsatz zum Tod einer unbestimmten Anzahl von Menschen" führt, nicht mehr verwendet werden. Darunter fallen insbesondere Massenvernichtungswaffen und Waffen, die keine Unterscheidung von militärischen und zivilen Objekten zulassen wie Landminen und Streubomben. Der persönliche Segen für Soldaten und ihre Einsatzausrüstung, darunter auch die Gefechtsausrüstung, zu der persönliche Waffen gehören, soll weiterhin erfolgen.

Kontroverse Online-Diskussion

Der Entwurf des Dokuments wird jetzt verschiedenenen kirchlichen Gremien zur Konsultation übergeben. Auch eine Beteiligung der Öffentlichkeit ist über Onlineplattformen möglich. Bisher hat sich dort unter anderem ein Erzpriester der russischen Diözese Valuy zu Wort gemeldet. Er befürchtet, dass ein Verzicht auf die Segnung von Bomben als kirchliches Werturteil über den Einsatz von Kriegswaffen wahrgenommen werden könnte. So könnte der Eindruck erweckt werden, der Dienst in der Armee werde grundsätzlich verurteilt. Andere Kommentatoren bezeichnen das Dokument als "vernünftig und ausgewogen". Der Konsultationsprozess läuft noch bis zum 1. Juni. Ein Auslöser für die Diskussion liegt in der Krimkrise. Besonders in der Ukraine stieß der Segen von Raketen durch russisch-orthodoxe Geistliche auf Kritik.

Segen für die Sojus-Rakete
Bild: ©NASA/Joel Kowsky (Archivbild)

Weiterhin unproblematisch: Die Segnung von Weltraumraketen.

In der römisch-katholischen Kirche gibt es kein aktuelles Formular für das Segnen von Waffen. Sowohl der aktuelle katholische Militärbischof in Deutschland, Franz-Josef Overbeck, als auch sein Vorgänger Walter Mixa haben sich ausdrücklich gegen die Segnung von Waffen ausgesprochen. Laut Mixa hätten bereits in den beiden Weltkriegen keine katholischen Priester mehr Waffen gesegnet. Vor der Liturgiereform enthielt das Pontificale Romanum, die Sammlung der von einem Bischof durchgeführten Rituale, einen eigenen Waffensegen. In dem verwendeten Gebet wurde betont, dass die Waffen verwendet werden müssen, "um die Gerechtigkeit zu schützen". (fxn)