Rücktrittsgründe, Konklave und das WM-Finale vor dem TV

Faktencheck: Was stimmt beim Netflix-Film "Die zwei Päpste"?

Veröffentlicht am 13.02.2020 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 
Papst Bendikt XVI. und Kardinal Bergoglio
Bild: © Netflix

Bonn ‐ Nominiert war der Film "Die zwei Päpste" gleich für mehrere Golden Globes und Oscars. Viele Fans aber fragen sich: Wie nah ist der Film an der Realität? Und was ist Fiktion? Ein Faktencheck.

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Eine mehrtägige Begegnung aus dem Jahr 2012 zwischen Benedikt XVI. und seinem späteren Nachfolger, Kardinal Jorge Mario Bergoglio, steht im Zentrum des Netflix-Films "Die zwei Päpste". Aber welche Szenen sind historisch belegt? Und was ist frei erfunden?

Lag Bergoglio, wie im Film gezeigt, als Kandidat der Reformer tatsächlich schon bei der Papstwahl 2005 knapp hinter dem konservativen Favoriten Ratzinger?

Er vereinigte im zweiten und dritten Wahlgang eine relativ hohe Stimmenzahl auf sich, verzichtete dann aber zugunsten von Ratzinger, der vorne lag und im vierten Wahlgang mit weit mehr als zwei Dritteln der Stimmen gewählt wurde.

Bild: ©KNA

Papst Franziskus und Benedeikt XVI.: Sind die Zusammentreffen der beiden Kirchenmänner im Film "Die zwei Päpste" realistisch dargestellt?

Hat Benedikt XVI. 2012 – seinen eigenen Rücktritt schon im Hinterkopf – Bergoglio davon abgehalten, von seinem Amt als Erzbischof von Buenos Aires zurückzutreten, damit dieser beim Konklave 2013 als aussichtsreicher Kandidat ins Rennen gehen und am Ende die "Korrektur" Benedikts im Papstamt werden konnte?

Fakt ist, dass Bergoglio schon 2011 mit Vollendung des 75. Lebensjahres turnusgemäß sein Rücktrittsgesuch schriftlich einreichte, Benedikt XVI. dies aber nicht annahm. Am Konklave 2013 hätte Bergoglio auch ohne das Amt eines Erzbischofs teilgenommen, da alle Kardinäle unter 80 Jahren unabhängig von ihrer Funktion wahlberechtigt sind. Allerdings hätte er als pensionierter Erzbischof vermutlich weniger Aussichten auf eine erfolgreiche Kandidatur gehabt. Eine mehrtägige Begegnung der beiden am päpstlichen Sommersitz in Castelgandolfo ist allerdings nicht historisch überliefert.

Stimmt es, dass Papst Benedikt XVI. fast völlig allein lebte?

Anders als dargestellt lebte Benedikt XVI. mit seinem Privatsekretär sowie einigen Ordensfrauen in einem Haushalt zusammen und speiste in der Regel auch mit ihnen. Fakt ist, dass er im Gegensatz zu seinem Vorgänger und seinem Nachfolger nur selten Gäste zum Essen einlud.

"Die zwei Päpste": Ein sanft-ironischer Blick hinter die Kulissen

Als Jorge Mario Bergoglio 2013 Papst wurde, bedeutete das eine Zeitenwende für die Kirche. Der Film "Die zwei Päpste" beleuchtet das Ringen um den Kurs der Kirche zwischen Franziskus und seinem Vorgänger Benedikt XVI. Dazu leisten beide eine Art Beichte ab.

Hat der Vatileaks-Skandal um den päpstlichen Kammerdiener Paolo Gabriele letztlich Benedikt XVI. zum Rücktritt veranlasst, wie es der Film andeutet?

Der Vertrauensbruch seines engen Mitarbeiters hat Benedikt XVI. schwer schockiert. Hinzu kam der Tod einer der Ordensfrauen aus seinem Haushalt, die unter mysteriösen Umständen von einem Auto überfahren wurde. Auch mehrere Skandale und die angeschlagene Gesundheit trugen zu der Rücktrittsentscheidung bei. Sie reifte offenbar im Jahr 2012, als der damals 85-jährige merkte, dass seine Kräfte nicht mehr reichten, um das Amt verantwortungsvoll auszuüben.

Hat Bergoglio als Ordensoberer der beiden Jesuitenpatres Jalics und Yorio versagt, als diese 1976 Gefangene und Folter-Opfer der argentinischen Militärdiktatur wurden?

Die im Film dargestellte tragische Abfolge der Ereignisse von 1975 und 1976 entspricht weitgehend historischen Fakten, soweit diese heute noch zu ermitteln sind. Bergoglio hat zunächst die beiden mit Linksaktivisten kooperierenden Patres schutzlos zurückgelassen, als sie sich weigerten, seinen Anweisungen zu folgen. Später setzte er sich erfolgreich bei den Militärs für ihre Freilassung ein.

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Sind die Vorgänge beim Konklave 2013 korrekt dargestellt, nach dessen Ende sich Franziskus in demonstrativer Bescheidenheit dem Volk zeigte?

Hier folgt der Film detailgenau den historischen Fakten. Allerdings ist die Authentizität des Satzes "Der Karneval ist vorüber!", mit dem Franziskus einige zeremonielle Accessoires seiner Vorgänger ablehnte, bis heute umstritten.

Die letzte Szene des Films zeigt den ehemaligen und den neuen Papst vor dem Fernseher, wie sie gemeinsam das WM-Finale Deutschland gegen Argentinien 2014 anschauen.

Diese Szene ist höchstwahrscheinlich frei erfunden, schon allein, weil Franziskus aufgrund eines persönlichen Gelübdes seit gut 20 Jahren kein Fernsehen mehr schaut.

Von Ludwig Ring-Eifel (KNA)