Der Verzicht von Kardinal Marx auf den DBK-Vorsitz irritiert
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"Alles hat seine Zeit" – mit diesem Zitat aus dem biblischen Buch Kohelet hat Kardinal Reinhard Marx seinen Verzicht auf eine weitere Amtszeit als Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) angekündigt. Wenige Wochen vor der Frühjahrs-Vollversammlung der DBK in Mainz ist die Entscheidung von Marx ein kleines Erdbeben für die Kirche in Deutschland. Der Münchner Erzbischof steht den deutschen Bischöfen erst seit einer Amtszeit vor und straft mit der Ankündigung, den einflussreichen Posten als DBK-Vorsitzender zu räumen, seine Kritiker Lügen, die ihn teilweise als Machtmensch verschrien haben. In seiner Erklärung äußerte Marx den Wunsch, dass nun "die jüngere Generation an die Reihe" kommt. Zudem macht er sich für einen häufigeren Wechsel im Amt des Vorsitzenden stark. Er selbst wolle sich künftig mehr Zeit für seine Erzdiözese nehmen.
So verständlich die von Marx angeführten Gründe auch sein mögen, so irritierend ist sein Verzicht zum jetzigen Zeitpunkt. Denn der Rückzug des langjährigen Vorsitzenden der Bischofskonferenz trifft die Kirche in Deutschland in ihrer aktuellen Situation massiv: Erst vor wenigen Tagen hat der Synodale Weg mit seiner ersten Versammlung in Frankfurt volle Fahrt aufgenommen. Marx ist neben dem Präsidenten des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Thomas Sternberg, eine der treibenden Kräfte des Reformprozesses. Sein Verzicht auf die als doch recht sicher geltende Wiederwahl an die Spitze der deutschen Bischöfe bedeutet auch, dass er seinen Platz im Präsidium des Synodalen Wegs für den neuen DBK-Vorsitzenden räumen muss.
Marx' Verzicht hinterlässt viele offene Fragen
Das Ausscheiden von Marx aus dem Vorstand des auf zwei Jahre angelegten Synodalen Wegs ist eindeutig eine Schwächung der kirchlichen Erneuerungsbewegung – daran kann auch seine Beteuerung nichts ändern, er wolle sich dort weiterhin "besonders engagieren". Sein kurzer Draht zu Papst Franziskus als Mitglied des Kardinalsrats wird dem Synodalen Weg und der Kirche in Deutschland fehlen, zumindest in einem offiziellen Amt, denn Marx bleibt als Erzbischof von München weiterhin Mitglied der DBK und Teilnehmer des Synodalen Wegs. Zumal bei der ersten Synodalversammlung anschaulich zu Tage getreten war, dass der Reformprozess im Kreuzfeuer einer wenn auch kleinen, so doch lauten konservativen Minderheit steht, die dem Synodalen Weg gegenüber kritisch eingestellt ist.
Der Verzicht des Münchener Kardinals auf den Vorsitz der deutschen Bischöfe hinterlässt viele offene Fragen. Denn innerhalb der Bischofskonferenz haben sich die Fronten in der letzten Zeit deutlich verhärtet: Reformwillige Bischöfe rund um Kardinal Marx stehen einer Gruppe von Amtsbrüdern gegenüber, für die die derzeitige Kirchenkrise eher mit fehlendem Glauben als mit Missbrauch fördernden Strukturen und fehlender Glaubwürdigkeit zusammenhängt. Auch beim Ringen um ein einheitliches Verfahren zur Entschädigung von Missbrauchsopfern ist noch keine Einigung der DBK in Sicht. Gerade angesichts dieser Konflikte wäre Marx als erfahrene und starke Führungsfigur der am besten geeignete Vorsitzende der Bischöfe gewesen.
Auch wenn Marx offiziell sein Alter und die Aufgaben in seiner Erzdiözese als Gründe für seinen Rücktritt anführt, werden in den Medien zudem andere Motive ins Spiel gebracht. Angesichts der Spaltungen in der Bischofskonferenz sei der Münchner Kardinal frustriert und schmeiße sein Amt entnervt hin, schreiben die einen. Er habe dem Druck seiner konservativen Mitbrüder nicht mehr standhalten können und müsse nun gehen, mutmaßen die anderen. Selbst eine bevorstehende Versetzung in den Vatikan wird genannt. So spannend diese nur schwer belegbaren Gerüchte auch sein mögen, sie ändern doch nichts am Rückzug von Marx, der die Kirche in Deutschland in einer schwierigen Zeit trifft, in der sie im wichtigen aber doch eher moderierenden als machtvollen Amt des DBK-Vorsitzenden eine erfahrene Persönlichkeit benötigt hätte.
13 Diözesanbischöfe sind 60 Jahre alt oder jünger
Marx wird eine Lücke an der Spitze des deutschen Episkopats hinterlassen, die nur schwer gefüllt werden kann. Als Nachfolger kämen qua Amt und Titel zunächst zwei Oberhirten in Frage: Zum einen der Stellvertreter von Marx im Amt des DBK-Vorsitzenden, Bischof Franz-Josef Bode. Der Osnabrücker Oberhirte ist der dienstälteste deutsche Diözesanbischof und ein bedeutender Vertreter der für Reformen aufgeschlossenen Mehrheit der Bischöfe. Allerdings hat er am Dienstag bereits abgewunken. Die Gründe für den angekündigten Rückzug von Marx träfen auf ihn selbst erst recht zu, so Bode. Zum anderen ist Erzbischof Rainer Maria Woelki, neben Marx einer der beiden Kardinäle in der Leitung einer deutschen Diözese, ein möglicher Kandidat für den Vorsitz der Bischofskonferenz. Der Oberhirte des finanzstarken Erzbistums Köln gilt zudem als Wortführer einer Minderheit von konservativen Bischöfen – ein Umstand, der jedoch wohl eher einen Nachteil für den Weg an die Spitze der DBK darstellt. Denn zur Wahl zum Vorsitzenden ist eine Zwei-Drittel-Mehrheit und damit eine breite Basis im Episkopat notwendig.
Die nötigen Stimmen wird daher wohl eher ein anderer Kandidat auf sich vereinigen. Marx' Anregung folgend könnten sich die deutschen Oberhirten auf einen der 13 Diözesanbischöfe einigen, der 60 Jahre oder jünger ist. Diese Bischöfe stammen aus allen Regionen Deutschlands und repräsentieren verschiedenste kirchenpolitische und theologische Lager. Wer die nötige Mehrheit der Stimmen auf sich vereinigen könnte, ist völlig offen. Klar ist jedoch, dass die Bischöfe einen aus ihrem Kreis an die Spitze wählen werden, der einerseits zwischen den verschiedenen inhaltlichen Positionen vermitteln kann und andererseits den begonnenen Reformprozess entschieden weiterführt. Auch ob die Zeit für einen lediglich zum Übergang gewählten Kompromisskandidaten gekommen ist, wie den vorletzten DBK-Vorsitzenden Alt-Erzbischof Robert Zollitsch, oder doch eher für einen langjährigen Vorsitzenden vom Format der Kardinäle Frings oder Lehmann, wird sich zeigen. Die deutschen Bischöfe haben nun immerhin noch drei Wochen Zeit, sich über einen möglichen Nachfolger für Marx Gedanken zu machen.