"Epochale Veränderung"
Laut Bischof Ipolt wird das Christentum in Deutschland und Europa "ganz neue Formen" annehmen. "Wir verabschieden uns gerade von einem Bild von Kirche, dass wir vielleicht seit 100 oder 150 Jahren kennen", sagte Ipolt. Das Christentum werde wieder zu einer Stadtreligion. Das sei auch im frühen Christentum so gewesen. In Zukunft würden geistliche Zentren wie Klöster wieder eine größere Rolle spielen. "Das ist eine epochale Veränderung des Bildes von Kirche nach außen", sagte der Bischof.
Christliche Werte nicht immer Konsens
Auch könne die Kirche nicht mehr davon ausgehen, dass ihre Werte in einem Konsens von der gesamten Gesellschaft getragen werden. "Wir sind lange davon ausgegangen, dass der Staat, die Gesellschaft unsere christlichen Überzeugungen mit trägt und stützt. Das wird wegfallen", prophezeite Ipolt. "Die Kirche muss sich der Tatsache stellen, dass nicht alle unsere Überzeugungen durch Gesetze des Staates noch gestützt werden". Dies hätten die Christen im Osten Deutschlands bereits zu DDR-Zeiten erlebt. "Das berühmte christliche Abendland ist zu Ende gegangen", sagte der Görlitzer Oberhirte.
Von einem Priestermangel in seiner Diözese will Ipolt nicht sprechen. "Von mir werden Sie das Wort ‚Priestermangel’ nicht hören", sagte er. Vielmehr gebe es einen Gläubigenmangel. Die derzeit rund 30 aktiven Priester und drei Priesterkandidaten seien für das Bistum Görlitz mit rund 29.000 Katholiken eine gute Zahl. In der Stadt Görlitz wachse die Zahl der Gemeindemitglieder sogar durch den Zuzug polnischer Katholiken.
Ipolt: Mehr Aufgaben für Laien
Aus der Pastoralkommission der Deutschen Bischofskonferenz berichtete Ipolt, die Bischöfe seien sich einig, dass es in Zukunft ein stärkeres Engagement der Laien in der Kirche geben müsse. "Jeder Christ hat den Auftrag Kirche zu sein und Kirche aufzubauen". Ziel von pastoralen Umstrukturierungen müsse es sein, die Taufberufungen neu zu entdecken. Viele Aufgaben müssten nicht unbedingt Priester übernehmen, sondern könnten von Laien erledigt werden. Sie könnten Gruppen von Laien leiten, Verwaltungsaufgaben übernehmen und zum Gebet anleiten. Eine Absage erteilte der Bischof einer Verbreitung von sogenannten Wort-Gottes-Feiern. "Es gibt keinen Ersatz für die Eucharistie", sagte Ipolt. Wort-Gottes-Feiern könnten nur von Beauftragten geleitet werden, die aus der Eucharistiefeier entsendet sind und nur dort stattfinden, wo es keine Möglichkeit gebe, eine Messfeier zu erreichen.
Kritik an Bundesverfassungsgericht und Bundestag
In Bezug auf die Politik ermahnte der Görlitzer Bischof, den Wert des Grundgesetzes anzuerkennen. So seien gegenwärtige Interpretationen an manchen Stellen fragwürdig. Insbesondere die jüngste Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes zum Ehegattensplitting gehe ihm zu weit. "Was ist dann noch der besondere Schutz der Familie und der Ehe?", fragte Ipolt.
Problematisch sei zudem, dass das Bundesverfassungsgericht Aufgaben des Bundestages übernehme. "Es bestimmt Dinge, die eigentlich das Parlament zu entscheiden hätte". Es könne nicht sein, dass das Verfassungsgericht politische Entscheidungen vorgebe, bei denen das Parlament nur noch nachziehen müsse. "Der Bundestag muss nur noch das Gesetz machen, das das Bundesverfassungsgericht eingefordert hat. Da verschieben sich in unserem Land zur Zeit die Rollen", so Ipolt.
Von Markus Kremser