Neuer DBK-Vorsitzender Bätzing: "Man möchte eigentlich weglaufen"
Synodaler Weg, Entschädigung für Missbrauchsopfer: An Herausforderungen mangelt es Georg Bätzing als neuem Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) nicht. Im exklusiven katholisch.de-Interview gibt er Einblicke in seine Wahl – und was er alles ändern will.
Frage: Herr Bischof, erst einmal herzlichen Glückwunsch zur Wahl zum Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz. Sie haben in einer ersten Reaktion gesagt, der Heilige Geist hat bei der Wahl mitgewirkt. Haben Sie dennoch kurz darüber nachgedacht, das Amt nicht anzunehmen?
Bätzing: Danke für die Glückwünsche. In dem Wissen darum, was von dem Amt erwartet wird, und angesichts der Stärke des Vorgängers, habe ich in der Tat Respekt gehabt. Vielleicht ist das aber auch zu unemotional ausgedrückt. Man möchte eigentlich weglaufen. Auf der anderen Seite will man sich aber auch den Voten der Mitbrüder stellen.
Frage: In der Bischofskonferenz bedeutet Ihre Wahl einen Generationswechsel. Was folgt daraus?
Bätzing: Sieben Jahre Altersunterschied zu Kardinal Reinhard Marx ist ja eigentlich keine Generation. Ich werde im nächsten Jahr 60. Über Sätze wie "Jetzt müssen die Jungen mal ran" amüsiere ich mich deshalb. Aber das ist letztlich auch eine Frage der Perspektive in der katholischen Kirche. In der Tat gehöre ich zu einer Altersgruppe, in der es viele neue Bischöfe gibt. Andere wie Karl-Heinz Wiesemann, Stephan Ackermann oder Franz-Josef Overbeck sind aber im gleichen Alter und bereits sehr erfahren. Ich denke, der Stil des Miteinanders und des Arbeitens in der Konferenz wird sich nun etwas ändern. Das ist ein deutlicher Wunsch, der bereits im Vorfeld von vielen Bischöfen geäußert wurde. Und den kann ich gut verstehen.
Frage: Was genau bedeutet dieser Wunsch nach Veränderung?
Bätzing: Ich glaube, es könnte uns helfen, wenn wir Vorsitz und Moderation in der Bischofskonferenz aufspalten. So können wir inhaltliche Äußerungen auf der einen und das Zusammenhalten der Konferenz auf der anderen Seite voneinander trennen. Ein gutes Beispiel, was ebenfalls anders laufen kann, war unsere Sitzung heute Morgen. Vor der Wahl haben wir nicht über einzelne Kandidaten gesprochen, sondern uns in zehn Kleingruppen fast eine Stunde ausgetauscht.
Frage: Worum ging es in den Kleingruppen?
Bätzing: Es gab drei Fragen für alle: Was sind die gesellschaftlichen und kirchlichen Herausforderungen, die jeder Einzelne sieht? Was bedeutet das für unsere Arbeit der Konferenz? Und lässt sich daraus ableiten, was von einem neuen Vorsitzenden erwartet wird?
Frage: Und was wird vom neuen Vorsitzenden erwartet?
Bätzing: Das, was er nie und nimmer erfüllen kann. (lacht) Da kommt ein Spiegel an Erwartungen zusammen. Die beiden wichtigsten Kennzeichen sind aber integrieren und authentisch kommunizieren. Das ist aber kein Gegensatz zu dem, was Reinhard Marx die ganze Zeit gemacht und worum er sich bemüht hat.
Frage: Jetzt sind Sie ja nicht nur Vorsitzender der Bischofskonferenz, sondern automatisch auch im Präsidium des Synodalen Wegs. Was bedeutet das für Ihre Arbeit dort und für Ihren Vorsitz im Forum zum Thema Sexualmoral?
Bätzing: Was sich nicht verändert, ist mein positiver Blick auf den Synodalen Weg. Ich halte ihn wirklich für eine große Chance des Zusammenwirkens und des miteinander Übens, wie man synodal auf dem Weg sein kann. Das will der Papst von uns. Was das für das Forum bedeutet, muss ich mit der Vorsitzenden Birgit Mock und den anderen Mitgliedern besprechen.
Frage: Es wäre aber denkbar, dass Sie in einer Doppelfunktion tätig sind?
Bätzing: Es ist jetzt alles noch sehr frisch. Wir müssen in das Statut schauen, ob es Festlegungen gibt, und dann überlegen, was klug, vernünftig und der Sache angemessen ist.
Frage: Noch eine inhaltliche Frage zum Forum: In Fragen der Sexualmoral geht es um kirchliche Lehre, die seit der Enzyklika "Humanae Vitae" von 1968 ziemlich festgenagelt ist. Wieviel Spielraum sehen Sie für Homosexualität oder Sexualität vor der Ehe?
Bätzing: In unserem Papier, das wir bei der Synodalversammlung vorgelegt haben, sehen wir durch die "Theologie des Leibes" von Johannes Paul II. bereits Veränderungen. Die Enzyklika "Amoris laetitia" hat dann die Tür noch einmal weit geöffnet. Das heißt für mich: Es gibt Spielraum und Öffnungen in der Lehre. Wir müssen nun schauen, wie wir diese Lehre in ihrer Substanz so formulieren können, dass sie wirklich noch einmal zu einem Orientierungswissen für Menschen und nicht als diese ewige Verbotsmoral wahrgenommen wird. Und das betrifft auch den Umgang mit Homosexuellen und ihre Lebensweise. Da muss sich etwas ändern.
Frage: Während der Vollversammlung hier in Mainz gab es erneut Proteste von Missbrauchsopfern. Diese haben angekündigt, jetzt mit zivilem Ungehorsam bis in die Kirchen hinein – etwa bei Gottesdiensten – ihre Forderungen unterstreichen zu wollen. Was sagen Sie als neuer Vorsitzender der Bischofskonferenz dazu?
Bätzing: Zunächst ist der Protest ja für einige Betroffene die einzige Möglichkeit, sich uns gegenüber auszudrücken. Insofern gebührt auch dem Protest der Respekt. Die Frage ist, ob wir in der Sache so zusammenkommen, dass der Protest ein Ende nimmt. Das liegt letztlich nicht nur an Bischöfen, Bistümern und Ordensgemeinschaften. Denn letztlich geht es nicht nur um Betroffene von Missbrauch innerhalb der katholischen Kirche. Wir stehen durch den Unabhängigen Missbrauchsbeauftragten der Bundesregierung und den allgemeinen Rechtsrahmen in einem sehr viel größeren Kontext.
Frage: Braucht es nicht dennoch bald einen Durchbruch bei Entschädigungszahlungen seitens der katholischen Kirche in Deutschland?
Bätzing: Ich hoffe, dass wir in den kommenden Tagen ein Konzept beschließen werden.