Wie ein Gebetsnetzwerk auch nach drei Jahren junge Menschen begeistert
Wie können Jugendliche eine tiefere Beziehung zu Gott bekommen? Wie kann man dafür sorgen, dass Events wie ein Weltjugendtag nicht zum spirituellen Strohfeuer werden? Und wie können junge Menschen wieder lernen, zu beten? Diese Fragen haben Jugendpfarrer Daniel Rietzler aus dem Bistum Augsburg umgetrieben. In Gesprächen mit jungen Menschen wurde ihm klar, dass sich viele eine Hilfestellung für ihr tägliches Gebetsleben wünschen. Seine Idee: Gebetsimpulse per WhatsApp verschicken und junge Menschen im Bistum miteinander vernetzen.
In der Praxis funktioniert das so: Bei der Anmeldung nennen die Jugendlichen ihre Postleitzahl und werden dann in eine Gruppe aus ihrer Region eingeladen. Dort werden Anleitungen für ein kurzes Morgen- und Abendgebet geteilt. Jeden Tag bekommen die jungen Menschen außerdem einen Audio-Impuls von Geistlichen, Ordensleuten oder anderen Gläubigen weitergeleitet, der zu persönlichen Gebet anregen soll. Regelmäßig sollen sich die Menschen aus den WhatsApp-Gruppen darüber hinaus treffen, um sich auszutauschen und gegenseitig zu motivieren.
Die meisten Gruppen treffen sich offline nicht
Seitdem Daniel Rietzler zusammen mit dem Passionisten Frater Dominikus die Initiative mit dem Namen "einfach gemeinsam Beten" gegründet hat, sind nun drei Jahre vergangen. Und es hat sich einiges geändert: Mittlerweile nutzen nach eigenen Angaben 3000 bis 3500 Gläubige in etwa 180 Gruppen das Gebetsnetzwerk – und das nicht nur im Bistum Augsburg. Es gibt Gruppen in vielen Regionen und den meisten größeren Städten Deutschlands und sogar in Österreich und der Schweiz.
"Am Anfang hat es sich wie ein Lauffeuer verbreitet", sagt Rietzler. Vor allem in Bayern fanden sich schnell Freiwillige, die Gruppen gegründet und anderen von ihren positiven Erfahrungen berichtet haben, sodass sich rasch ein Netzwerk gebildet hat. Diese Netzwerker bekommen die Gebetsimpulse von einem Redaktionsteam zugeschickt und sind dafür verantwortlich, sie weiterzuleiten, die Gruppen zu verwalten und neue Mitglieder hinzuzufügen. Der Grundgedanke, dass sich die Beter über das soziale Medium hinaus begegnen und miteinander über ihren Glauben sprechen, hat sich so allerdings nicht bewahrheitet. "Manche Gruppen treffen sich immer mal wieder und fahren sogar auf Wallfahrten, die meisten aber nicht", resümiert Rietzler.
Aus der alltäglichen Arbeit wie dem Erstellen und Versenden der Impulstexte hat Rietzler sich mittlerweile zurückgezogen, auch bei der Suche nach neuen Impulsgebern gibt er nur noch hin und wieder einen Tipp. Die Organisation erledigt ein Leitungsteam von zehn Gläubigen und rund 20 Mitarbeiter arbeiten in der Redaktion – alle ehrenamtlich. "Im Kirchlichen läuft ja sonst sehr viel Top-Down", sagt Rietzler. Häufig würden Initiativen auf Bistums- oder Verbandsebene erarbeitet, dann vor Ort angeboten und gewartet, dass sich die Menschen darauf einlassen.
Durch seine Erfahrungen aus "einfach gemeinsam beten" wolle er einen anderen Weg gehen. "Ich habe durch die Initiative auch gelernt, als Jugendpfarrer nicht alles nur aus dem Büro heraus vorzubereiten und dann einzuladen, sondern von Anfang an darauf zu achten, die Jugendlichen mit ins Boot zu holen und dann zu schauen, welche eigenen Ideen sie einbringen und wie sich daraus etwas entwickelt." Er vergleicht das mit der Apostelgeschichte in der Bibel: Diejenigen, die den auferstandenen Jesus begegnet und sich begeistern ließen, hätten auch angefangen, ihren Glauben weiterzutragen. Dadurch sei an manchen Orten eine Gemeinde gewachsen, an anderen seien die Gläubigen aber wieder vertrieben worden. "So bahnt sich der Glaube seinen Weg, ohne dass man das steuern muss oder steuern kann", sagt Rietzler.
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Während der Instant-Messaging-Dienst WhatsApp anfangs die einzige Kommunikationsplattform war, werden die Impulse heute auch auf Instagram, SoundCloud oder der christlichen "App2Heaven" verbreitet. Einzelne Freiwillige hatten sich bereiterklärt, die Inhalte auf den jeweiligen Plattformen hochzuladen. Da es sich bei "einfach gemeinsam beten" nicht um eine offizielle kirchliche Initiative, sondern eine Privataktion mit kirchlicher Unterstützung handele, sei aber auch die Verwendung von WhatsApp datenschutzrechtlich in Ordnung, sagt Rietzler.
Ursprünglich sollte sich die Initiative ausschließlich an Jugendliche richten, Erwachsene sollten nicht in die Gruppen aufgenommen werden. "Der schlimmste Fall für einen Jugendlichen wäre, wenn in derselben Gruppe die Eltern mit dabei sind", sagt Rietzler. Da aber vor allem vielen fernstehenden Erwachsenen die lockere Ansprache in den persönlichen Impulsen und das Gebetsnetzwerk selbst gefallen habe, wurden schließlich auch Gruppen für Erwachsene gegründet. Alle bekommen aber die gleichen Impulse zugeschickt, betont Rietzler.
Beitritt in das Gebetsnetzwerk "eine Führung des Heiligen Geistes"
Als zusätzliche Motivation und Anregung, durchzuhalten und täglich zu beten, bekommen die Nutzer regelmäßig Textnachrichten von Mitbetern geschickt. So zum Beispiel von der 23-jährigen Barbara, die davon berichtet, dass das Gebetsnetzwerk ihr dabei geholfen habe, "eine schwierige Lebenssituation zu meistern". Durch die täglichen Impulse sei in ihr die Sehnsucht entstanden, ihr Leben intensiver mit Gott zu leben. Der 24-jährigen Miriam aus Bielefeld haben die Impulse einen neuen Blickwinkel auf Gott, das Leben und die Welt eröffnet und die 44-jährige Elke aus Passau sagt sogar: "Für mich war der Beitritt in das Gebetsnetz eine Führung des Heiligen Geistes." Der Kontakt zu den Menschen in den Impulsen berühre sie "von ganzem Herzen".
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"Das Schöne ist, dass bis heute immer wieder Menschen an ganz unterschiedlichen Orten merken, dass ihnen die Impulse bei der Suche nach einem täglichen Gebetsrhythmus helfen", sagt Jugendpfarrer Rietzler. So würden sie auch in ihrem Glauben vorankommen und oft selbst überlegen, wie sie diesen an andere weitergeben könnten. Daher werde unter dem Stichwort "einfach gemeinsam dienen" überlegt, mit jugendlichen Gebetsgruppen beispielsweise Senioren in Altersheimen zu besuchen und mit ihnen Zeit zu verbringen.
"Zwischenzeitlich haben wir schon gedacht, dass das irgendwann wieder einschläft"
Im Laufe der Jahre haben viele die Gebetsgruppen auch wieder verlassen, weil sie bemerkt haben, dass diese Form nicht zu ihnen passt. Trotzdem kämen fortlaufend Menschen zum Gebetsnetzwerk hinzu sagt Rietzler. "Dass es immer wieder neue Schübe gibt, überrascht mich schon. Zwischenzeitlich haben wir schon gedacht, dass das irgendwann wieder einschläft", sagt er. "Es war auch nicht geplant, dass das über mehrere Jahre läuft." Doch das positive Feedback und das engagierte Mitarbeiterteam motivierten ihn dazu, doch weiterzumachen.
In der Fastenzeit rechnet Rietzler wieder mit einem Zuwachs von rund 200 bis 300 neuen Betern. Denn dann gibt es einen neuen prominenten Impulsgeber, den Augsburger Weihbischof Florian Wörner – ein Unterstützer der ersten Stunde.