"Frauen machen Kirche" – warum sie bleiben und was sie ändern wollen
Frauen haben es in der Kirche nicht leicht: noch sind zu wenige von ihnen in Führungspositionen, ein Weiheamt wird vom rein männlichen Klerus beharrlich abgeleht. Eigentlich Grund genug, der Insititution den Rücken zu kehren. Warum so viele dennoch bleiben, was ihnen an der Kirche trotz allem wichtig ist und welche Veränderungen sie sich wünschen, das greift der Sammelband: "Frauen machen Kirche" auf. 80 Frauen unterschiedlicher Herkunft, Generationen und Berufsgruppen schreiben über ihr persönliches Verhältnis zur Kirche. Herausgeber des Bandes ist "bleiben, erheben, wandeln", eine Initiative deutschsprachiger Theologinnen. Zu Weltfrauentag veröffentlicht katholisch.de exemplarisch vier der Statements.
Bleiben, Wandeln, Erheben
Die Kirche. In der Welt, in die ich hineingeboren wurde, ein selbstverständliches Element der gesellschaftlichen Wirklichkeit. Genauso selbstverständlich wie subversiv gegenüber der damaligen Form des Staates. In einem verworrenen Geflecht der gegenseitigen Bekämpfung und Duldung, das aber auch Freiräume schaffte.
Die Kirche. Menschen, die danach trachten, in der Nachfolge Jesu zu sein. Eine Gemeinschaft der Nahen und Vertrauten. Kirche: eine Hoffnungsträgerin, die uns ermöglicht, über den grauen Alltag eines nicht unabhängigen Staates hinauszuwachsen. Ein Ort der Freiheit.
Konkret erlebt an der einzigen katholischen Universität im ganzen Ostblock – in Lublin. Einer Universität, die gemäß der eigenen Identität vielen Intellektuellen einen Freiraum und Möglichkeiten der Entwicklung angeboten hat, wo sie ihnen woanders aus politischen Gründen verweigert wurden – unabhängig von ihren Weltanschauungen.
Die Kirche als Teil eines gewaltfreien Widerstandes. Einer gesellschaftlichen Veränderung, einer Transformation, von vielen selbstlos getragen, von einigen als eine große Chance, von anderen als einen großen Verlust erlebt.
Die Kirche und ihre Theologie als Orte der Erfahrung, dass das eigene Leben und das eigene Denken sich verändern, wandeln können. Der Freude, mein eigenes Leben selbst gestalten zu dürfen und zu können. Kirche: eine wachsende Gemeinschaft der Gleichgesinnten.
Und schmerzlich zugleich: die Kirche, geführt von (männlichen) Vertretern. Für zu viele von ihnen ist sie als eine Institution kostbarer geworden als die offene Weggemeinschaft. Zu viele von ihnen maßen sich an, über das Leben von anderen urteilen zu dürfen, statt einfach mit ihnen zu leben. Zu viele maßen sich an, das Denken von anderen als ideologisch abzutun, statt mit ihnen weiterzudenken. Zu viele, die ihre Macht und den geschenkten Vertrauensvorschuss missbrauchen auf Kosten von Wehrlosen.
Immer: zwischen den Amtsträgern und allen Gläubigen zu wenige, die überzeugend in der Nachfolge Jesu leben. Immer wieder, jetzt: Es erheben sich die Stimmen der VisionärInnen und ProphetInnen. Sie sollen gehört werden.
Von Elżbieta Adamiak
Zur Person: Elżbieta Adamiak, geboren 1964, ist seit 2014 Professorin für Fundamentaltheologie und Dogmatik der Universität Koblenz-Landau (Deutschland). Nach dem Studium der Theologie in Lublin (Polen), Regensburg (Deutschland) und Nijmegen (Niederlande) wurde sie 1994 an der Katholischen Universität in Lublin promoviert mit dem Thema "Das Marienbild in der feministischen Theologie von Catharina Halkes".
Taten statt bloßer Worte
Wenn ich an die aktuelle Kirchensituation denke, fühle ich mich ohnmächtig angesichts des Systemversagens. Wo bleiben die konkreten Taten der Reue? Mir genügen keine Lippenbekenntnisse (mehr). Warum treten diejenigen, die den sexuellen Missbrauch direkt oder indirekt an wichtigeren wie unwichtigeren Stellen gedeckt haben, nicht zurück? Es ist also nicht weit her mit der Solidarität und dem Mitgefühl mit den Betroffenen. Das macht mich fassungslos.
In der moraltheologischen Tradition gibt es die Denkfigur der "cooperatio ad malum", der Mitwirkung am Bösen. Warum wird die unterschiedliche Beteiligung am Bösen, am sexuellen Missbrauch, nicht ähnlich streng ausgelegt wie beim Verbleiben bzw. Ausscheiden aus der staatlichen Beratung im Schwangerschaftskonflikt im deutschen System? Fragen über Fragen. Es braucht, um den Vertrauensverlust der Kirche irgendwie und hoffentlich aufzufangen, demütige und ehrliche Zeugnisse des Umkehrwillens und, ja, einfach auch Taten!
Von Kerstin Schlögl-Flierl
Zur Person: Kerstin Schlögl-Flierl ist Professorin für Moraltheologie an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Augsburg. Sie ist unter anderem Stellvertretende Universitäts-Frauenbeauftragte, Mitglied der Ethik-Kommission der Universität Augsburg sowie Beraterin der Bischöflichen Unterkommission "Bioethik" der Glaubenskommission I der Deutschen Bischofskonferenz.
Verlorene Heimat
Wann ist es eigentlich gekippt? Dass ich meinen Glauben plötzlich an Bedingungen knüpfe. Nur wenn sich die katholische Kirche grundlegend ändert, kann ich wieder Ostern feiern, wieder in die Kirche gehen.
Die letzten Jahrzehnte war ich loyal zur "Amtskirche", habe meinen Glauben in meinem privaten, eher kirchenfernen Umfeld verteidigt und in meiner eigenen "Blase" zufrieden gelebt. Überzeugend lebende Menschen waren mir WegweiserInnen und haben mir in der Kirche Heimat gegeben. "Der" Klerus hat mich weniger interessiert. Für mich überholte Moralvorschriften habe ich ausgeblendet. Ich bin sehr gerne in den Gottesdienst gegangen, besonders in Klöstern, denen ich mich verbunden fühle.
Seit dem Herbst 2018 fühlt sich meine katholische Welt nicht mehr stimmig an. Auslöser für meine tiefe eigene Krise ist der Umgang der deutschen Bischöfe mit der vorgestellten Missbrauchsstudie. Die ausgerufene "Wir schauen nach vorne" -Strategie der DBK lässt mich angesichts des vorgestellten Ausmaßes der Missbrauchsfälle fassungslos zurück. Aufarbeitung der Vergangenheit? Fehlanzeige! Warum bekennt niemand, dass er an der systematischen Vertuschung aktiv mitgewirkt hat und nun deshalb seinen Hut nimmt?
Meine "katholische Blase" ist geplatzt. Anstatt in die Kirche zu gehen, richtet sich meine Aufmerksamkeit ausschließlich auf die "Hausaufgaben", die schon lange hätten erledigt werden müssen. Und das sind verdammt viele. Um die Glaubwürdigkeit wiederherzustellen, braucht es mehr als kleine "Reformen" je nach Gusto der jeweiligen Bistumsleitung. Es braucht endlich breitangelegte, ergebnisoffene Diskussionsprozesse mit verbindlich umzusetzenden Ergebnissen.
Ich möchte wieder Heimat finden in einer Kirche, in der die katholische Gegenwelt aufgelöst ist und gesellschaftliche Realitäten anerkannt sind. In der verwirklicht ist, dass Gott Charismen nicht geschlechtsspezifisch verteilt hat, sondern auch jede Frau ihr Potential voll entfalten und ihre Berufung leben kann.
Von Sandra Bartmann
Zur Person: Sandra Bartmann, geboren 1970, Diplompsychologin, ist Geschäftsführerin eines Non-Profit-Unternehmens. Aufgewachsen in der Nähe von Wuppertal, hat sie in Trier Psychologie studiert. Heute lebt sie in München.
Mit Mut in die kirchliche Zukunft
Wenn ich an die katholische Kirche denke, sehe ich ein farbenfrohes Bild von Menschen aller Couleur und Meinungen vor mir. Ich sehe vor mir eine Kirche, die weltoffen ist, bunt, vielfältig, gerecht.
Momentan verbinden viele Menschen das aber nicht mit der katholischen Kirche, eher mit Begriffen wie schwerfällig, veraltet, ungerecht.
Ich möchte das ändern. Und damit bin ich glücklicherweise nicht allein. Viele Frauen und Männer wünschen sich Veränderungen und strukturelle Reformen in der Kirche. All jenen ist die Kirche nicht gleichgültig. Auch mir nicht. Ich liebe die katholische Kirche, und darum kämpfe ich für sie, weil sie es wert ist. In meiner Vision von Kirche kommen verheiratete Priester und Priesterinnen vor, werden homosexuelle Menschen nicht mehr vom Lehramt diskreditiert und Wiederverheiratete nicht von der Kommunion ausgeschlossen.
Ich setze mich dafür ein, dass Menschen ein Bild von Kirche erhalten, welches das Verhalten von Jesus widerspiegelt. Dieser war nämlich weltoffen, barmherzig, liebevoll. Er setzte sich vor allem für jene Menschen ein, die von der damaligen Gesellschaft an den Rand gedrängt wurden. Jesus verbrachte seine Zeit auf Erden überwiegend mit den "Nicht-Perfekten" und zeigte damit, dass jeder Mensch eine besondere Würde hat und nicht ausschließlich über äußere Faktoren, wie Reichtum oder Herkunft, definiert werden darf. Hinzu kam, dass er Frauen gleichberechtigt behandelte. Dies war in der damaligen Gesellschaft alles andere als üblich. Er nahm gar Frauen in seinen Jüngerkreis auf und traute ihnen vieles zu. Etwa, dass er bei dem wichtigen Ereignis der Auferstehung einer Frau, Maria von Magdala, zuerst begegnete und nicht etwa einem Mann. Wenn ich an die aktuelle Kirchensituation denke, ist es bedauerlich, dass die Amtskirche sich in so vielen Punkten vom Geiste Jesu Christi entfernt hat.
Wenn ich mit Menschen ins Gespräch komme, spüre ich oft die Resignation jener, die noch Mitglied der Kirche sind, und Kopfschütteln derer, die sich bereits von der Kirche abgewandt haben. Die katholische Kirche hat großes Potenzial, um ein Ort der Heimat und Gemeinschaft für die Menschen zu sein. Aber um wieder eine größere Relevanz in unserer Gesellschaft zu gewinnen, muss die Amtskirche auch etwas dafür tun. Sie muss erkennen, dass der gegenwärtige Kurs etliche Menschen aus der Kirche treibt und viele verletzt. Ich wünsche mir daher, dass die obersten Kirchenverantwortlichen die "Zeichen der Zeit" erkennen und danach handeln. Und ich hoffe, dass die Kirchenbasis weiterhin laut bleibt, auf Missstände hinweist, aber gleichzeitig den Bischöfen Mut zuspricht, damit diese mit Rückenwind für die Reformanliegen der Basis in Rom kämpfen können.
Von Jacqueline Straub
Zur Person: Jacqueline Straub ist katholische Theologin und arbeitet als Journalistin, Buchautorin und Referentin. Seit ihrer Jugend möchte sie römisch-katholische Priesterin werden und setzt sich daher für Reformen in der Kirche ein. Sie lebt in der Schweiz.
Die Statemetns sind erschienen im Buch "Frauen machen Kirche", Herausgeber: "bleiben.erheben.wandeln", Patmos Verlag, Ostfildern 2020. Der Band hat 232 Seiten und kostet 19 Euro.