Der Chefökumeniker des Papstes – Kardinal Koch wird 70
60 Prozent seiner Arbeit sei Diplomatie, erläuterte er einmal in einem Interview. Was der Präsident des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen damit gemeint hat, zeigt ein Blick in seinen Terminkalender zum Jahresbeginn, als der noch nicht durch das Coronavirus eingeschränkt war: Treffen mit dem Lutherischen Weltbund in Genf, Teilnahme am Welt-Holocaust-Forum in Jerusalem, theologischer Dialog mit den orientalisch-orthodoxen Kirchen im Libanon, dazwischen viele Termine in Rom etwa zur Gebetswoche für die Einheit der Christen.
Mehr Zeit für Theologie
Außerdem fand er noch Zeit zu Besuchen in Augsburg beim Glaubenskongress "Mehr" und in Aachen als Laudator bei einer Preisverleihung für das Oberhaupt der Orthodoxen Kirche von Albanien, Erzbischof Anastasios Yannoulatos. Auch für einen Jüngeren als Kardinal Kurt Koch, der am 15. März 70 Jahre alt wird, wäre das ein forderndes Programm.
Dabei hatte der vormalige Bischof von Basel gehofft, wieder mehr Zeit für die Theologie zu haben, als ihn Papst Benedikt XVI. im Sommer 2010 zum Nachfolger von Kardinal Walter Kasper nach Rom berief. Natürlich geht es in den offiziellen "Dialogen", die der Einheitsrat mit den verschiedenen Kirchen und Denominationen der östlichen und der westlichen Tradition führt, inhaltlich vor allem um Theologie. Doch der Faktor der persönlichen Begegnung und Vertrauensbildung ist für das Gelingen von wesentlicher Bedeutung. Für beides brachte Koch aus der Schweiz seine Erfahrungen in sein Amt als "Ökumeneminister" des Vatikan mit.
Der aus Emmenbrücke bei Luzern stammende Sohn eines Kaufmanns wurde in seiner Jugend vom Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-65) geprägt. Im Theologiestudium in München und Luzern beschäftigte er sich besonders mit ökumenischen Themen. Seine theologische Promotion 1987 setzte sich mit dem Ansatz des evangelischen Theologen Wolfhart Pannenberg auseinander.
Nach dem Diplom 1975 ging er zunächst als Laientheologe in die praktische Seelsorge und arbeitete bei einem Projekt der Bischöflichen Kommission Justitia et Pax unter dem Sozialethiker Franz Furger mit. Zum Priester geweiht wurde er erst 1982 mit 32 Jahren. Nach Promotion und Habilitation erhielt Koch eine Professur für Dogmatik und Liturgie sowie ökumenische Theologie in Luzern, er galt bald als "Reformer".
Doch blieb er nicht lange in der Wissenschaft. Bereits 1995 wurde er zum Bischof von Basel, der größten Diözese der Schweiz, gewählt. Sein bischöflicher Wahlspruch "Christus hat in allem den Vorrang" aus dem Kolosserbrief beschreibt auch seinen Ansatz der Ökumene. In seinem Bistum erwarteten Koch manche Konflikte, die er schließlich befrieden konnte. Von 2007 bis 2009 war er auch Präsident der Schweizer Bischofskonferenz.
Die Berufung nach Rom war auch eine Befreiung aus dem heimischen Klein-Klein. Mit seiner guten Kenntnis des Protestantismus konnte er wesentlich dazu beitragen, dass Katholiken und Lutheraner im Vorlauf des Reformationsgedenkjahrs 2017 einen Weg "vom Konflikt zur Gemeinschaft" fanden. Da eine solche Gemeinschaft nicht auf getrennten Wegen mit Lutheranern und Reformierten zu finden ist, startete er auch das Experiment eines Dialogs mit der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa, der inzwischen einen offiziellen Status erhalten hat.
Eng sind mittlerweile auch die Beziehungen zu den verschiedenen orthodoxen Kirchen - auch wenn der offizielle Dialog durch die aktuellen innerorthodoxen Konflikte beeinträchtigt wird. Ebenfalls in Kochs Ressort gehören die religiösen Gespräche mit Vertretern des Judentums - ein mitunter schwieriges Feld, wie die von Koch unterstützte Veröffentlichung eines Aufsatzes des emeritierten Papstes Benedikt XVI. zeigte. Mittlerweile sind die Wogen hier wieder geglättet.
Gemeinsame Erklärung mit Lutheranern?
Für die nächsten Jahre wünscht Koch sich eine gemeinsame Erklärung mit den Lutheranern zu den zentralen Themen Kirche, Eucharistie und Amt als Voraussetzung für eine engere Kirchengmeinschaft - am liebsten bis 2030, dem 500. Jahrestag der Veröffentlichung des Augsburger Bekenntnisses. Wenn sie zustande käme, dürfte wohl sein Nachfolger die Ernte einfahren - denn er selbst wäre dann 80 und hätte die auch für Kurienkardinäle bestehende Altersgrenze überschritten.