Die Erfahrung bleibender Verbundenheit
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Impuls von Schwester Anne Kurz
"Herr, sieh: Der, den Du liebst, er ist krank" – diese Nachricht erreicht Jesus. Es handelt sich bei dem Kranken um Lazarus aus Betanien. Dessen Schwestern Maria und Marta lassen Jesus die Botschaft zukommen – wohl in der Hoffnung, dass er kommen möge, um ihn zu heilen und ihm beizustehen.
Es muss eine herbe Enttäuschung gewesen sein, dass er nicht eintrifft. Lazarus stirbt, ohne seinen Freund Jesus noch einmal gesehen zu haben.
Seltsam konkret ist das Evangelium in unserer von dem Corona-Virus gezeichneten Welt. Geliebte Menschen erkranken. Für Viele ist noch schlimmer: Man kann ihnen physisch nicht nahe sein und beistehen. Innere Verbundenheit bleibt jedoch wirksam. Sie ist tief menschlich und Gabe des Heiligen Geistes.
Tatsächlich sind sich Lazarus und Jesus sehr verbunden. Jesus trägt seinen Freund im Herzen und weiß intuitiv, ohne weitere Benachrichtigung: "Lazarus ist gestorben". Jetzt geht es nicht mehr um Heilung. Die Frage, die im Raum steht, ist der Tod. Schon das zu schreiben, löst in mir vieles aus: Die Bilder der Särge, die in diesen Tagen besonders in Italien und Spanien zu sehen sind. Aber auch: Wenn nichts mehr zu machen ist. Wenn alles zu spät ist. Wenn es um einen dunkel wird, und man nicht mehr aufstehen kann.
Jesus scheint auf etwas zu warten. Dann erhebt sich ein Feuer trotzig und kraftvoll in ihm. Ein Licht leuchtet in ihm auf: Gott ist Leben und Auferstehung. In dieser Kraft kann er auf den Tod zugehen. Das Grab des toten Freundes lässt seinen eigenen Tod nahekommen. Betanien liegt nah bei Jerusalem, dem Ort seiner Passion. Die Wirklichkeit der Auferstehung überträgt sich auch auf die, die ihm nahe sind. Thomas muss sie gespürt haben, als er ruft: "Lasst uns mit ihm gehen, und mit ihm sterben!"
Aufstehen ist Ausdruck von Auferstehung. Alle Personen dieses Evangeliums sind an dieser Bewegung beteiligt. Jesus und die Jünger stehen auf und gehen nach Bethanien. Maria und Marta stehen auf und gehen ihm entgegen. Alle gehen zum Grab. Am Ende steht Lazarus auf.
Ein praktisches Beispiel der Auferstehung ist mir in einer Begegnung geschenkt worden: In einer geistlichen Auszeit bat ich eine mir bis dahin unbekannte Frau, mich durch Gespräche zu begleiten. Bei unserem ersten Treffen eröffnete sie mir, dass eine gute Freundin von ihr im Sterben liege. Sie wolle jetzt ganz für mich da sein, dann in die Klinik fahren. Noch während unseres Gespräches traf die Nachricht ein, dass die Freundin gestorben sei. Nach kurzer Stille haben wir zusammen für sie gebetet. Dann passierte sehr unaufdringlich etwas, was ich so beschreiben würde: Mir war, als sei die Verstorbene da. Es war nicht unheimlich. Es war wie eine Kraft, Freude, Nähe, Bestätigung. Ich konnte nicht zweifeln, dass sie aufgestanden und "gekommen" ist.
Diese besondere Erfahrung hat mir gezeigt, wie tief Verbundenheit sein kann. Die beiden Freundinnen kamen für einander nicht "zu spät". Der Tod hat sie schmerzhaft getrennt, aber sie waren bleibend darin verbunden, Leben und Liebe zu schenken.
Auferstehungsglaube stellt manches auf den Kopf und braucht Füße.
Evangelium nach Johannes (Joh 11,1-45)
In jener Zeit war ein Mann krank, Lazarus aus Betanien, dem Dorf der Maria und ihrer Schwester Marta. Maria war jene, die den Herrn mit Öl gesalbt und seine Füße mit ihren Haaren abgetrocknet hatte; deren Bruder Lazarus war krank.
Daher sandten die Schwestern Jesus die Nachricht: Herr, sieh: Der, den du liebst, er ist krank. Als Jesus das hörte, sagte er: Diese Krankheit führt nicht zum Tod, sondern dient der Verherrlichung Gottes. Durch sie soll der Sohn Gottes verherrlicht werden.
Jesus liebte aber Marta, ihre Schwester und Lazarus. Als er hörte, dass Lazarus krank war, blieb er noch zwei Tage an dem Ort, wo er sich aufhielt. Danach sagte er zu den Jüngern: Lasst uns wieder nach Judäa gehen. Die Jünger sagten zu ihm: Rabbi, eben noch suchten dich die Juden zu steinigen und du gehst wieder dorthin?
Jesus antwortete: Hat der Tag nicht zwölf Stunden? Wenn jemand am Tag umhergeht, stößt er nicht an, weil er das Licht dieser Welt sieht; wenn aber jemand in der Nacht umhergeht, stößt er an, weil das Licht nicht in ihm ist. So sprach er. Dann sagte er zu ihnen: Lazarus, unser Freund, schläft; aber ich gehe hin, um ihn aufzuwecken. Da sagten die Jünger zu ihm: Herr, wenn er schläft, dann wird er gesund werden.
Jesus hatte aber von seinem Tod gesprochen, während sie meinten, er spreche von dem gewöhnlichen Schlaf. Darauf sagte ihnen Jesus unverhüllt: Lazarus ist gestorben. Und ich freue mich für euch, dass ich nicht dort war; denn ich will, dass ihr glaubt. Doch wir wollen zu ihm gehen. Da sagte Thomas, genannt Didymus, zu den anderen Jüngern: Lasst uns mit ihm gehen, um mit ihm zu sterben!
Als Jesus ankam, fand er Lazarus schon vier Tage im Grab liegen. Betanien war nahe bei Jerusalem, etwa fünfzehn Stadien entfernt. Viele Juden waren zu Marta und Maria gekommen, um sie wegen ihres Bruders zu trösten. Als Marta hörte, dass Jesus komme, ging sie ihm entgegen, Maria aber blieb im Haus sitzen.
Marta sagte zu Jesus: Herr, wärst du hier gewesen, dann wäre mein Bruder nicht gestorben. Aber auch jetzt weiß ich: Alles, worum du Gott bittest, wird Gott dir geben. Jesus sagte zu ihr: Dein Bruder wird auferstehen. Marta sagte zu ihm: Ich weiß, dass er auferstehen wird bei der Auferstehung am Jüngsten Tag.
Jesus sagte zu ihr: Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt, und jeder, der lebt und an mich glaubt, wird auf ewig nicht sterben. Glaubst du das? Marta sagte zu ihm: Ja, Herr, ich glaube, dass du der Christus bist, der Sohn Gottes, der in die Welt kommen soll.
Nach diesen Worten ging sie weg, rief heimlich ihre Schwester Maria und sagte zu ihr: Der Meister ist da und lässt dich rufen. Als Maria das hörte, stand sie sofort auf und ging zu ihm. Denn Jesus war noch nicht in das Dorf gekommen; er war noch dort, wo ihn Marta getroffen hatte.
Die Juden, die bei Maria im Haus waren und sie trösteten, sahen, dass sie plötzlich aufstand und hinausging. Da folgten sie ihr, weil sie meinten, sie gehe zum Grab, um dort zu weinen. Als Maria dorthin kam, wo Jesus war, und ihn sah, fiel sie ihm zu Füßen und sagte zu ihm: Herr, wärst du hier gewesen, dann wäre mein Bruder nicht gestorben.
Als Jesus sah, wie sie weinte und wie auch die Juden weinten, die mit ihr gekommen waren, war er im Innersten erregt und erschüttert. Er sagte: Wo habt ihr ihn bestattet? Sie sagten zu ihm: Herr, komm und sieh!
Da weinte Jesus. Die Juden sagten: Seht, wie lieb er ihn hatte! Einige aber sagten: Wenn er dem Blinden die Augen geöffnet hat, hätte er dann nicht auch verhindern können, dass dieser hier starb?
Da wurde Jesus wiederum innerlich erregt und er ging zum Grab. Es war eine Höhle, die mit einem Stein verschlossen war. Jesus sagte: Nehmt den Stein weg! Marta, die Schwester des Verstorbenen, sagte zu ihm: Herr, er riecht aber schon, denn es ist bereits der vierte Tag. Jesus sagte zu ihr: Habe ich dir nicht gesagt: Wenn du glaubst, wirst du die Herrlichkeit Gottes sehen?
Da nahmen sie den Stein weg. Jesus aber erhob seine Augen und sprach: Vater, ich danke dir, dass du mich erhört hast. Ich wusste, dass du mich immer erhörst; aber wegen der Menge, die um mich herumsteht, habe ich es gesagt, damit sie glauben, dass du mich gesandt hast.
Nachdem er dies gesagt hatte, rief er mit lauter Stimme: Lazarus, komm heraus! Da kam der Verstorbene heraus; seine Füße und Hände waren mit Binden umwickelt und sein Gesicht war mit einem Schweißtuch verhüllt. Jesus sagte zu ihnen: Löst ihm die Binden und lasst ihn weggehen!
Viele der Juden, die zu Maria gekommen waren und gesehen hatten, was Jesus getan hatte, kamen zum Glauben an ihn.