Warum nur ein Priester Professor in Bonn werden soll
"Die Professur wird mit einem Priester besetzt" – so deutlich steht es in der Stellenausschreibung für den neuen Professor für Exegese des Neuen Testaments an der katholischen Theologie-Fakultät der Universität Bonn. Für Aufsehen sorgte, dass zunächst der übliche Textbaustein zu Diversität und Chancengleichheit auch in der Ausschreibung zu lesen war: "Einschlägig qualifizierte Frauen" seien "nachdrücklich" zur Bewerbung aufgefordert. In der aktuellen Version ist diese Aufforderung weggefallen – ein Priester wird immer noch gesucht. Wie ist das möglich an einer staatlichen Universität? Die einschlägigen Gesetze und staatskirchenrechtlichen Verträge schweigen sich aus. Der Vertrag zwischen dem Land Nordrhein-Westfalen und dem Heiligen Stuhl erwähnt ebenso wie das Hochschulgesetz die universitäre Theologie, der Vertrag regelt zudem explizit die fachliche Qualifikation von Theologie-Professoren, die der anderer Professoren entsprechen muss. Eine "Priesterquote" bei der Stellenbesetzung wird dort aber nicht festgelegt.
"Es handelt sich um eine kirchliche Vorgabe", erläutert der Pressesprecher der Bonner Universität, Andreas Archut. Tatsächlich ist die kirchliche Mitwirkung bei Stellenbesetzungen von Theologieprofessuren in den Hochschulgesetzen festgeschrieben. Der Ball liegt also bei der Kirche. Was genau der zuständige Bischof, der Erzbischof von Köln, für "seine" Bonner Fakultät festgelegt hat, ist nicht bekannt. Dass der kirchliche Stand eine Rolle bei der Stellenbesetzung spielt, ist aber auch nichts Neues – nur wird es nicht immer so deutlich formuliert wie in der Bonner Ausschreibung. "Wenn es ohnehin klar ist, dass eine Stelle mit einem Priester besetzt werden soll, dient das der Transparenz", sagt Rafael Rieger. Der Franziskaner ist Kirchenrechtler und Verfasser des Standardwerks zu Standesanforderungen an Dozenten an staatlichen Theologie-Fakultäten. "Für alle Verfahrensbeteiligten ist es das beste, wenn das von vornherein klar ist", sagt er über Ausschreibungen nur für Priester. "Dann wissen alle, woran sie sind." Immer wieder habe es vor allem in Nordrhein-Westfalen entsprechende Ausschreibungen gegeben.
Früher lehrten nur Priester Theologie
Aber auch ohne explizite Ausschreibung legt die Kirche darauf Wert, dass unter den Professoren Priester sind. Was heute als Ausnahme wahrgenommen wird, dass nämlich ein Theologieprofessor zwingend Priester sein muss, war lange Zeit ausnahmslos so. Erst Ende der 1960er Jahre hat sich das langsam geändert, 1972 hatte die Deutsche Bischofskonferenz erstmals Laien und damit auch Frauen eine Habilitation ermöglicht, also die formale Qualifikation für eine Theologieprofessur. Dort ist noch mit Verweis auf die universalkirchlichen Regeln die Rede davon, dass Laien nur "in Ausnahmefällen" habilitiert und auf Lehrstühle berufen werden können, die Regel seien nach wie vor Priester als Professoren.
Dieses Verhältnis hat sich heute eher umgekehrt; schon aufgrund des Priestermangels übernehmen immer mehr Laien Theologielehrstühle. Dieses gewandelte Verhältnis wird auch in der Rede von einer "Priesterquote" offenbar, die bei der Besetzung von Lehrstühlen einzuhalten sei. Als fester Prozentsatz festgeschrieben ist sie nirgends, bestätigt Rieger. Anstelle einer festen Priesterquote legte das kirchliche Hochschulrecht bis zu seiner Revision durch Papst Franziskus im Jahr 2017 fest, dass die Dozenten in der Priesterausbildung "in der Regel Priester" zu sein hätten. Der Kirchenrechtler spricht daher nicht von einer "Priesterquote", sondern von der Communiter-Formel nach der lateinischen Formulierung dieses Grundsatzes, "communiter sint sacerdotes". Lange Zeit habe man die Formulierung "in der Regel" als Mindestquote von 50 Prozent verstanden. Das aktuell gültige kirchliche Hochschulrecht, die Apostolische Konstitution "Veritatis Gaudium", hat diesen Grundsatz nur wenig modifiziert. Eine "angemessene Anzahl der Dozenten" solle an theologischen Fakultäten Priester sein, heißt es nun darin. Solche kirchlichen Vorgaben kann eine staatliche Universität nicht selbst umsetzen. "Die Konkretisierung ist Sache des zuständigen Diözesanbischofs", erläutert auch die Universität Bonn auf Anfrage.
Die ganze Bandbreite kirchlichen Lebens abbilden
Dass die Kirche Wert auf Priester als Professoren legt, hat nicht nur historische Gründe. "Ursprünglich entstammt das einer klerikerzentrierten Sichtweise", erläutert Rieger: "Theologie war eine Sache des Klerus." Heute hebe man aber auf andere Begründungen ab. Wichtig sei dabei, dass aus Sicht der Kirche das Theologiestudium als Teil der Priesterausbildung im Zentrum steht. "Künftige Priester sollen entsprechende Vorbilder unter den Lehrenden haben", deutet Rieger den Sinn der Regel: "Das ist auch in anderen Berufsfeldern so. An der medizinischen Fakultät unterrichten Ärzte mit klinischer Erfahrung, an der juristischen Volljuristen, die ein Referendariat durchlaufen haben."
Als fachfremdes Berufungskriterium sieht Rieger daher das Weiheerfordernis für bestimmte Professuren nicht, auch nicht als Schwächung der Wissenschaftlichkeit der Theologie. Stattdessen brächten Priester-Professoren zusätzliche Qualifikationen und Sichtweisen an die Universität. Gerade da die Theologie sich nicht in den Elfenbeinturm zurückziehen dürfe, seien Priester eine Brücke zur Praxis, vor allem mit Blick darauf, dass auf Feldern wie Liturgie und Sakramentenspendung vieles Priestern vorbehalten ist. Daher sieht Rieger eine Beschränkung auf Priester bei der Stellenbesetzung nicht primär als Einschränkung, sondern als Maßnahme, die Breite der kirchlichen Realität im Lehrkörper abzubilden: "Idealerweise wäre es wohl so, dass erstens alle kirchlichen Berufsgruppen vertreten sind, und dass zweitens verschiedene Dimensionen und Erfahrungen an einer Fakultät zusammenkommen – also dass Priester, Diakone, Ordensmänner und -frauen, verheiratete Laien, Frauen wie Männer lehren."
Priester stellen 0,06 Prozent der Katholiken und 42 Prozent der Theologieprofessoren
Explizit in Ausschreibungen finden sich aber nur Priester. In der Praxis wird daher eine Beschränkung auf Priester doch als Einschränkung wahrgenommen – erst recht, wenn die übliche Aufforderung, die Diversität im Lehrkörper zu erhöhen, bei einer Ausschreibung der theologischen Fakultät wegfällt. Im Verhältnis zu ihrem Anteil insgesamt an den Katholiken sind Priester deutlich überrepräsentiert. 2011 waren einer Studie im Auftrag der Deutschen Bischofskonferenz zufolge 39 Prozent der Professoren an staatlichen Theologie-Fakultäten Priester, 13 Prozent waren Frauen. Bezieht man die kirchlichen Hochschulen ein, erhöht sich der Priesteranteil auf 42 Prozent bei gleichbleibendem Frauenanteil. Im selben Jahr waren von den 24,5 Millionen Katholiken laut kirchlicher Statistik weniger als 15.000 Priester.
"Das Bewerberfeld für die Bestenauslese ist unter dieser Voraussetzung eingeschränkt", gibt auch Uni-Sprecher Archut zu. Das übliche Berufungsverfahren, wie es das Hochschulgesetz festschreibt, sichere aber die Qualität von Forschung und Lehre. Auch Rieger betont, dass eine Ausschreibung für Priester nicht dazu führen dürfe, Qualitätsabstriche zu machen. "Es wäre natürlich schlecht für die Theologie im Konzert der anderen Wissenschaften, wenn man Priester berufen würde, die schlechter qualifiziert wären als entsprechende Laien", betont er. Zur Ausschreibung muss daher immer auch ein geeigneter Bewerber kommen – und das ist nicht einfach in Zeiten von Priestermangel und Bischöfen, die sich schwertun, Priester für die Wissenschaft statt für die Pastoral freizustellen.