Kirchenvandalismus: Was Gemeinden gegen die Zerstörungswut tun können
Brandstiftung, eingeworfene Kirchenfenster, beleidigende Graffiti auf dem Altar, Zigarettenstummel im Beichtstuhl und Urin im Weihwasserbecken. Die Liste von Vandalismus in kirchlichen Gebäuden in den vergangenen Jahren ist lang. Immer wieder kommt es zu solchen Angriffen – doch dieser Ärger ist noch nicht so alt: Seit 2010 seien die Fälle von Vandalismus in Kirchen spürbar angestiegen, sagt Jakob Johannes Koch, Referent der Deutschen Bischofskonferenz für Kunst, Kultur und Erwachsenenbildung. Dazu kommt Kochs Meinung nach noch eine große Dunkelziffer, da nicht alle Einbrüche und vandalischen Angriffe auf Kirchengebäude in polizeiliche Statistiken aufgenommen würden.
Auch die Qualität der Angriffe habe sich in jüngster Zeit verändert und schlage immer mehr in Hass über: Vor 2010 sei es vor allem zu Graffiti, Farbbeutelwürfen oder umgestoßenen Kerzen gekommen. "Alles Dinge, die hässlich sind und Arbeit machen, aber die nicht von vornherein einen ideologischen Hintergrund haben", sagt Koch. Seit rund zehn Jahren gäbe es nun aber vermehrt Angriffe mit ideologischen Motiven.
Ermittelt werde in 90 bis 95 Prozent aller Fälle aber allerdings wegen Sachbeschädigung, schätzt der Kulturreferent. Hinweise auf ideologische Hintergründe würden bei den Ermittlungen nicht selten übersehen. Die Enthauptung einer Christus- oder Heiligenstatue oder das Hinterlassen von Exkrementen an liturgischen Orten sei aber vielmehr ein Religionsdelikt im Sinne des Strafgesetzbuches. "Potenziellen Tätern muss von Staat und Polizei offensiv klargemacht werden, dass so ein Angriff auf Kirchen aufgrund des grundgesetzlich verbürgten Schutzes der Religionen eine besonders schwere und deshalb massiv strafbewehrte Straftat und nicht bloß Sachbeschädigung ist", fordert Koch.
Was können Gemeinden tun?
Doch was können Gemeinden überhaupt tun, um sich gegen Vandalismus in ihren Gotteshäusern zu schützen? Koch rät, zunächst sachlich zu analysieren, ob sich Kirchen in der Nähe von Treffpunkten von Dealern, Clans oder Kleinkriminellen befinden oder ob es eine aktive Extremistenszene in der Nähe gibt. Im Anschluss daran könne man effektive Präventions- und Gegenmaßnahmen entwickeln – wenn es Hinweise gibt, im Fokus bestimmter Gruppen zu stehen. "Das Falscheste, was mir machen können, ist Alarmismus und Verschwörungstheorien zu verbreiten", sagt Koch. Vandalismus durch Täter, die Spaß am Zerstören haben, sich profilieren wollen oder perspektivlos sind, lasse sich nur schwer vorhersehen.
Betroffene Gemeinden sollten als erstes versuchen, die personelle Präsens in den Kirchen sicherzustellen – auch wenn es nicht leicht ist, Freiwillige dafür zu finden. "Es gibt ganz viele Menschen, gerade im dritten Lebensalter, die nur darauf warten, angesprochen zu werden", sagt Koch. "Vielleicht sogar Menschen, die nicht mehr in den Gottesdienst gehen." Diese Menschen können allein durch ihre Anwesenheit dafür sorgen, dass die Kirche einladender wird, und gleichzeitig Menschen abschrecken, die dort Unfug treiben wollen. "Ich würde mir wünschen, dass auch diejenigen, die nicht selbst religiös sind, Kirchen als 'unsere Kirchen' wahrnehmen, die zu unserem Erbe, unserem Stadtquartier und unserem Dorf gehören", so Koch.
Angemessene Maßnahmen, um beispielsweise nächtliche Sprayer abzuschrecken, könnten außerdem helle Beleuchtung im Außenbereich, Bewegungsmelder oder vielleicht sogar ein Wachdienst sein. Grundsätzlich sei es wichtig, Schäden durch Vandalismus schnell zu beseitigen. "Wenn potenzielle Straftäter an Orten vorbeikommen, die bereits sichtbar beschmiert oder verwüstet sind, sind sie enthemmter, in dieselbe Kerbe zu schlagen", sagt Koch.
Videoüberwachung – alternativlos oder überschätzt?
Ein bei Gemeinden immer beliebteres Mittel, um Vandalismus in den Kirchen zu verhindern, ist die Videoüberwachung. Dafür entschieden sich auch die Verantwortlichen der Stadtpfarrei Sankt Johannes der Täufer im mittelfränkischen Hilpoltstein nach längerer Diskussion. Zuvor war es zu mehreren Fällen von Vandalismus gekommen, unter anderem war die Krippe zerstört worden. "Wir haben uns gesagt: 'Das kann man doch nicht machen, in der Kirche Kameras aufstellen.' Aber letztendlich ist es alternativlos", sagt der Hilpoltsteiner Kirchenpfleger Norbert Müller.
Matthias Ullrich sieht das anders. "Ich denke, das wird überschätzt", sagt der Diözesandatenschutzbeauftragter der ostdeutschen Bistümer. Mit der Videoüberwachung verhindere man die Schäden nicht, sondern dokumentiere sie bestenfalls. "Das Dokument heißt dann: Die Wand ist beschmiert oder der Antonius ist gestohlen worden. Das sieht man im Zweifel aber auch am nächsten Tag." In den seltensten Fällen gelänge es, den Täter anhand der Aufzeichnungen zu überführen.
Viele Anfragen, ob Videoüberwachung in einer Kirche möglich ist, bekomme er nicht. "Ich befürchte aber, dass das tatsächlich gemacht wird." Grundsätzlich verboten ist das nicht, aber es gibt strenge Regeln für Videoüberwachung im Kirchlichen Datenschutzgesetz (KDG §52). Die Überwachung könne in diesem Zusammenhang nur dann das Wahrnehmen eines berechtigten Interesses sein, wenn tatsächlich häufig gestohlen oder beschmutzt wird, erklärt Ullrich. "Die Frage ist dann immer noch: Ist die Videoüberwachung notwendig oder gibt es nicht mildere Mittel, beispielsweise wertvolle Heiligenstatuen mit einer Verankerung zu sichern." Dass man das geprüft habe, müsse mindestens nachgewiesen werden.
Wenn Videokameras installiert werden, müssen die Verantwortlichen einige Dinge beachten: So dürfen die Aufzeichnungen in der Regel nicht länger als 24 Stunden und in begründeten Fällen nicht länger als 72 Stunden gespeichert werden und müssen spätestens dann gelöscht werden. Innerhalb dieser Zeit muss nachgewiesen werden, ob etwas passiert ist. Zudem dürfen nur die Bereiche gefilmt werden, die geschützt werden sollen. Betende Besucher, die Beichtstühle oder der Eingangsbereich darf nicht einfach aufgenommen werden. Besucher müssen daher mit bestimmten Schildern auf die Überwachung, die überwachten Bereiche und die Verantwortlichen hingewiesen werden, wenn sie die Kirche betreten. "Die Videoüberwachung ist eigentlich das letzte Mittel", fasst Ullrich zusammen.
Daher muss auch regelmäßig überprüft werden, ob die Videoüberwachung weiterhin notwendig ist, um Vandalismus zu verhindern. Wenn sich die Lage geändert hat, müssen die Kameras wieder entfernt werden.
Geschlossene Kirchen müssen verhindert werden – auch wegen des Kirchenrechts
Was mit allen Maßnahmen verhindert werden soll, ist die Schließung von Kirchen tagsüber – auch aus kirchenrechtlicher Sicht: Laut CIC Can. 937 müssten Pfarrkirchen, in denen die Eucharistie aufbewahrt wird, täglich wenigstens einige Stunden geöffnet sein. "Man muss schauen, wie man da zu einer Balance zwischen Evangeliumstreue und Verkündigungsauftrag auf der einen Seite und unvermeidlichen Restriktionen zum Sach- und Gebäudeschutz auf der anderen Seite kommt", sagt Kulturreferent Koch. "Offene Kirchen sind konstitutiv für unseren einladenden Glauben. Das sollte auch so bleiben, wenn das irgendwie möglich ist. Es wäre ein ganz schwerer Verlust, wenn Pfarrkirchen unter der Woche gar nicht mehr geöffnet werden."
Für viele betroffene Gemeinden dürften weitreichende Maßnahmen zur Vandalismusprävention aber auch an der fehlenden Finanzierung scheitern. Dabei sei es sinnvoll, für effektive Maßnahmen auch mehr Geld zu investieren, sagt Koch. Er rät daher zu Crowdfunding – auch über den Kreis der Kirchengemeinde hinaus: "Ich bin überzeugt, dass dann auch Menschen, die selbst nicht mehr in die Kirchen gehen und sogar Gläubige anderer Religionsgemeinschaften, dort spenden. Die Religionen sitzen hier ja im selben Boot."