Wie man Jugendlichen die Bibel nahebringt
Nicht umsonst gilt sie als "Buch der Bücher": die Bibel. Einige der biblischen Texte sind über drei Jahrtausende alt und sie gilt bis heute als das meistverkaufte Buch der Welt. Doch ist die Bibel noch immer aktuell? Und wie bringt man unterschiedlichen Gruppen diesen "Wälzer" näher? Verschiedene Ausgaben gibt es bereits, etwa für Kinder oder in leichter Sprache. Auch die jüngere Generation soll mit speziellen Jugendbibeln bedient werden. Mit "WIR erzählen DIE BIBEL" brachte nun der Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) eine weitere Ausgabe der Heiligen Schrift für junge Menschen heraus.
Dass es solche Bibeln bereits gibt, war auch den Autoren der Jugendbibel, Peter Otten und Christian Linker, bewusst. Mit den beiden Passauer Exegeten Sandra Huebenthal und Bernhard Klinger entwickelten Otten und Linker die Jugendbibel. Die erste Idee: Sie brachten die Texte in die Reihenfolge, in der sie nach aktuell exegetischer Forschung mutmaßlich entstanden ist. "Die Ordnung in der Bibel, wie wir sie kennen, stellt nicht die chronologische Reihenfolge dar. Wir aber fangen mit einem der ältesten Texte aus dem Buch der Richter an und hören mit einem der jüngsten Texte auf, dem zweiten Brief des Petrus", erklärt Otten. Die Aufteilung in das Alte und Neue Testament bleibe dennoch erhalten.
Was den Autoren und Exegeten ebenso wichtig war: Sie wollten den Graben "zwischen den Erlebniswelten junger Menschen und der Zeit, in der die Bibel geschrieben wurde" überwinden. Doch wie bringt man Jugendlichen ein Buch nahe, das mehrere Jahrtausende alt ist und das viele von ihnen wahrscheinlich mit dem Religionsunterricht in Verbindung bringen? Über verschiedene Ansätze will die BDKJ-Jugendbibel das erreichen. Zunächst erzähle ein "literarisches Wir" aus der damaligen Zeit – jedoch mit dem Wissen von heute. "Was ist damals passiert, wer hat damals gelebt, wie waren die gesellschaftlichen, politischen, religiösen Verhältnisse und was hat das vielleicht mit dem Heute zu tun?", beschreibt Otten die grundlegenden Fragen. Vor jedem Bibeltext hilft dieses "literarische Wir" auf wenigen Seiten dabei, die darauffolgende Erzählung zu verstehen.
Enthalten sind in der Jugendbibel nicht alle Texte der Bibel, sondern "eine Art Best-of", erklärt Otten. "Da haben wir einen guten Mix gefunden zwischen Texten, die Kinder und Jugendliche aus ihrem Religionsunterricht kennen, aber auch Passagen, die jungen Leuten vielleicht fremd sind." Nicht fehlen dürften dabei bekannte Erzählungen, etwa von David und Goliath, dem goldenen Kalb oder der Erschaffung der Welt. Auf der anderen Seite sei es Otten, der für das Neue Testament zuständig war, wichtig gewesen, dass beispielsweise die Offenbarung des Johannes in Teilen vorkommt. "Für mich war das eins der spannendsten Kapitel. Wenn man das heute so liest, klingt das ein bisschen wie ein Fantasy-Roman. Dadurch machen wir deutlich, dass es auch früher literarische Moden gab. Damals war es angesagt, so verrätselt zu schreiben."
Rätselhaft ist wohl auch der eine oder andere Bibeltext – nicht nur für Jugendliche. So sind die Briefe des Apostel Paulus nicht nur ausschließlich von ihm geschrieben. Nach dessen Tod verfassten Paulusschüler die Episteln. "Ich fragte mich: Wie kann ich so einen literarischen Kniff erklären?", sagt Otten. Bei seiner Recherche stieß er auf eine Parallele zur Jugendkrimi-Reihe "Die drei Fragezeichen". Dessen Schöpfer Robert Arthur war zu Anfang seiner Karriere völlig unbedeutend, kannte jedoch den Film-Riesen Alfred Hitchcock persönlich. Damit seine Werke Beachtung fanden, bat er Hitchcock darum, sie unter dessen Schirmherrschaft als Herausgeber veröffentlichen zu können. Die Reihe wurde zum Erfolg. Das erläutert auch das "literarische Wir" in der Jugendbibel, um den Brief an die Kolosser zu erklären, der nicht von Paulus selbst verfasst wurde.
Mit den Texten wollten die Macher der Jugendbibel junge Menschen ansprechen und ihnen einen "Anpack" für die Bibel geben, mit dem man den roten Faden innerhalb der Bibel erkennen kann, sagt BDKJ-Bundesvorsitzende Katharina Norpoth. Der Verband stelle besonders die Themen Freiheit, Liebe und Würde in den Vordergrund. "Das sind die Punkte, die junge Menschen schon seit Generationen im Besonderen berühren. Es geht darum, wie diese wichtigen Werte ihren Weg in unsere Zeit geschafft haben und dass sie immer wieder neu interpretiert werden müssen", erklärt Norpoth. So könnten diese Werte in der heutigen Zeit betrachtet werden. "Wie sieht es mit Themen aus, die durch 'Fridays for Future' und Greta Thunberg vorangebracht werden? Aber auch Fragen von Freiheit: Wo wird sie eingeschränkt? Oder wo haben wir Probleme mit Gerechtigkeit – auch in einem Klima von teilweise zunehmender Verrohung unter anderem in den sozialen Netzwerken und von zunehmendem Antisemitismus?", so Norpoth.
Dies zu vermitteln sei seinem Mitautoren Christian Linker etwa im Kapitel zu Amos gut gelungen, sagt Otten. Er beschreibt den sozialkritischen Amos nicht als Propheten, sondern als Aktivisten und setzte das mit der Klimabewegung heute in Verdingung. "Da bekommt die Bibel eine wahnsinnige, fast schon berührende Aktualität", sagt Otten. Er selbst sehe es als 50/51?-Jähriger als vermessen an, sich in die Lage junger Menschen zu versetzten. Deshalb war sein Kriterium, über Themen zu schreiben, die ihm Spaß machen oder die ihn beschäftigen. Das Neue Testament etwa beschäftige sich oft mit dem Thema Identität. "Ein spannendes Kapitel ist der Brief an die Philipper, wenn die Bewegung Jesu Palästina in andere Richtungen verlässt und praktisch eine neue Idee in eine völlig fremde Kultur bringt. Das ist dieselbe Situation wie heute, wenn man an Flüchtlingsbewegungen oder das Erasmus-Programm denkt", so der Autor.
Otten und Norpoth sehen die Jugendbibel als Chance. Die BDKJ-Vorsitzende betont, dass sich die Jugendbibel nicht nur an junge Menschen richtet: "Es ist eine Bibel, die auf eine bisher noch nicht bekannte Weise Bibeltexte aufgreift und sie ins Heute übersetzt. Damit wird die Veränderungsnotwendigkeit von Glauben, Religion und Kirche deutlich."