Rabbinerkonferenz sprachlos: "Nicht eine jüdische Stimme"

Rabbiner kritisieren "Herder Korrespondenz"-Sonderheft zur Bibel

Veröffentlicht am 27.04.2020 um 11:16 Uhr – Lesedauer: 

Berlin ‐ Anfang April veröffentlichte die "Herder Korrespondenz" ein Sonderheft zur Bibel. Jetzt äußert die Allgemeine Rabbinerkonferenz daran deutliche Kritik. Vor allem aus einem Grund zeigt sich die Konferenz mit Blick auf das Heft "sprachlos".

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Die Allgemeine Rabbinerkonferenz Deutschland (ARK) äußert deutliche Kritik am aktuellen Sonderheft der "Herder Korrespondenz" zur Bibel. In einem auf den gestrigen Sonntag datierten Brief an die Chefredaktion der Zeitschrift, der katholisch.de vorliegt und inzwischen auch auf Facebook veröffentlicht wurde, erklärt der Vorsitzende der ARK, Rabbiner Andreas Nachama, er und seine Kolleginnen und Kollegen in der Rabbinerkonferenz seien "sprachlos", dass in dem Sonderheft "Die Bibel ‒ Der unbekannte Bestseller" "nicht eine jüdische Stimme" vorkomme.

Nachama: Das Sonderheft ist ein Armutszeugnis

"Kein Wort zum historischen Ertrag der deutsch-jüdischen Bibelwissenschaft, nichts über die aktuelle Forschung und Lehre an der Hochschule für Jüdischen Studien in Heidelberg und an der School of Jewish Theology an der Universität Potsdam", heißt es in dem Brief mit Blick auf den Inhalt des Sonderhefts wörtlich. Und weiter: "Nichts zur Frage, wie wir Juden die Bibel lesen ‒ und auch nichts zu einem Meilenstein des Verlages Herder: die revidierte Übersetzung der Hebräischen Bibel von Rabbiner Ludwig Philippson, herausgegeben von Walter Homolka, Hannah Liss und Rüdiger Liwak."

Nachama betont in dem Schreiben zwar, dass viele Mitglieder der ARK die "Herder Korrespondenz" schätzten, weil sie dabei helfe, den Horizont zu erweitern. Die Ausgabe über die Bibel kranke aber daran, dass sie ihren Blick in ganz unnötiger Weise beschränke. "Was in Ihrem Editorial mit 'so kontrovers wie kreativ und überaus vielfältig' angekündigt wird, erfüllt sich nicht; das Spezial wird so zum Armutszeugnis. Mich persönlich bekümmert es als Herder-Autor auch, dass Sie unserem gemeinsamen Anspruch an Niveau, Seriosität und Unabhängigkeit dieses Mal nicht gerecht werden", so der Rabbiner.

"Herder Korrespondenz"-Chefredakteur zeigt Verständnis für Kritik

Der Chefredakteur der "Herder Korrespondenz", Volker Resing, zeigte am Montagvormittag auf Anfrage von katholisch.de Verständnis für die Kritik der Rabbinerkonferenz. "Wir sind immer dankbar für konstruktive Kritik und können sie in diesem Fall auch nachvollziehen. Es ist in der Tat ein Versäumnis, dass wir in der Ausgabe keine jüdischen Autoren zu Wort kommen lassen", sagte Resing. Zugleich verwies er jedoch darauf, dass das Sonderheft "nur ein Ausschnitt" der redaktionellen Arbeit der "Herder Korrespondenz" sei.

Das 68-seitige Sonderheft "Die Bibel ‒ Der unbekannte Bestseller" ist Anfang April erschienen und fragt nach Bedeutung und Interpretationsmöglichkeiten der biblischen Texte für die Gegenwart. Unter anderem beschreibt der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick darin Lukas als seinen persönlichen "Lieblingsevangelisten", weil dessen Erzählungen Orientierung und Humanität vermittelten und die "Menschenfreundlichkeit Gottes" spürbar mache. Außerdem erläutert die Theologin Johanna Rahner, warum manche biblische Aussagen – etwa zu Homosexualität oder zur Rolle von Frauen – keine unveränderlichen Lehraussagen seien, sondern neu interpretiert werden müssten. (stz)