Unter neuen Vorzeichen: Frauendiakonat wird wieder diskutiert
Frauen sind wie Männer gleichwertige Geschöpfe Gottes, Zugang zu Weiheämtern haben sie aber nicht. Wie passt das zusammen? Die Kirche müsse und wolle die "von ihr vertretene und geglaubte Wahrheit, daß die Frau in ebenbürtiger Weise Person ist, die daraus folgenden Konsequenzen für die Gesellschaft heute und ihre eigenen Verhaltensweisen neu überdenken", schreiben die deutschen Bischöfe – 1981. Seitdem sind die Frauen der Weihe nicht wirklich nähergekommen. Vielmehr hielt Papst Johannes Paul II. in "Ordinatio sacerdotalis" (1994) mit einem bis heute umstrittenen Verbindlichkeitsgrad fest, dass nur Männer zu Priestern geweiht werden dürfen. Aber was ist mit dem Diakonat? Bereits zum wiederholten Male setzt sich jetzt eine vatikanische Kommission damit auseinander, ob und wenn ja welche Rolle Diakoninnen in der Kirche gespielt haben.
Schon zwischen 1998 und 2002 hatte die Internationale Theologenkommission des Vatikan zum Frauendiakonat geforscht. Ein eindeutiges Ergebnis kam dabei nicht heraus. Man verwies die Frage an das Lehramt, das eine Entscheidung treffen müsse. 2016 setzte Papst Franziskus auf Anfrage von Ordensoberinnen eine Studienkommission ein, die gezielt die Rolle von Diakoninnen in der frühen Kirche erörtern sollte. Denn dass es sie gab, ist klar – vor allem in Syrien und generell eher im Osten als im Westen der damals noch nicht geteilten Kirche. Nur ob sie geweiht wurden, ist umstritten – und auch, ob sie den Männern wirklich gleichgestellt waren. Nach Ende der Arbeit der Kommission und einem Abschlussbericht, der nie veröffentlicht wurde, resümierte der Pontifex, dass es kein gemeinsames Ergebnis der zwölf Theologinnen und Theologen (die Kommission war erstmals paritätisch besetzt) gegeben habe.
Das Thema hat die Kirche aber nicht losgelassen. Nachdem auch die Amazonas-Synode dafür plädiert hatte, die Einsetzung von Diakoninnen zu prüfen, hat Franziskus nun eine weitere Kommission zusammengerufen, die sich nun unter anderen Vorzeichen und in neuer Besetzung mit dem Thema befasst.
Alles auf dem Tisch?
Geforscht werde zu Diakoninnen schon lange, trotzdem würden nicht alle Ergebnisse auf den Tisch gelegt, beklagen die emeritierten Dogmatiker Petra Kurten (Eichstätt) und Georg Kraus (Bamberg). Kurten zielt dabei vor allem auf den ökumenischen Austausch ab: Denn im Protestantismus wie in der Orthodoxie gebe es schließlich Diakoninnen – "und das nicht ohne Grund". Natürlich sei etwa das lutherische Diakoninnenamt etwas anderes das Ständige Diakonat der katholischen Kirche nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965). Allerdings würden die Forschungsergebnisse und Erfahrungen anderer Konfessionen im katholischen Bereich kaum rezipiert, vielmehr werde das Thema in erster Linie als etwas Trennendes gesehen. "Da wäre ein ökumenischer Dialog interessant", findet Kurten.
Kraus verweist hingegen darauf, dass bereits das Konzil von Chalcedon (451) in einem Canon explizit Diakoninnen behandelt und einen Weiheritus mit Handauflegung und Gebet aufführt – also eine klassische Weihe wie bei Männern. Noch um 770 habe es in der Westkirche im Ordo Romanus ein Weiheformular für Diakoninnen gegeben. Erst im 11. Jahrhundert seien Diakoninnen aus bisher unbekannten Gründen sowohl in der West- als auch in der Ostkirche verschwunden. Warum diese Aspekte bisher nicht berücksichtigt werden? "Gezielte Ignorierung oder fehlende Information könnte da die Ursache sein", hält Kraus fest. Konzilsbeschlüsse dürfe man aber nicht ignorieren.
Allerdings bewerten andere Theologen die Sachlage durchaus gegenteilig. Sie bezweifeln, dass Diakoninnen in der frühen Kirche wirklich geweiht wurden, sondern vergleichen dieses Ritual eher mit der Segnung einer Äbtissin. Segensfeiern zur Einführung in ein kirchliches Amt gibt es etwa im Zusammenhang mit der Verleihung der Missio canonica bis heute.
Verschiedene Aufgaben des Diakonenamts
Kurten regt zudem an, die Natur des Amtes zu überdenken. In der frühen Kirche hätten Diakoninnen vor allem in der Seelsorge für Frauen Bedeutung gehabt, etwa in der Taufe und der Fürsorge von Kranken – auch heute wichtige Aufgaben. Zudem unterschieden sich die Aufgaben der Ständigen Diakone und zum Beispiel der Gemeindereferentinnen und -referenten im Hinblick auf ihre seelsorglichen und katechetischen Dienste nicht. Der Unterschied liege allein in der sehr liturgischen Fokussierung und der Weihe. Es käme darauf an, dass das, was vor allem Frauen in der Kirche in Diakonie, Verkündigung und Seelsorge ehrenamtlich oder als Gemeindereferentinnen bereits täten durch die Möglichkeit einer Diakoninnenweihe spirituell gestärkt und ihre Berufung bestätigt werde. So könnten sie eine diakonisch zugewandte, partnerschaftliche, mütterliche und schwesterliche Kirche auch offiziell verkörpern.
Uneins sind sich beide Forscher über die Beziehung von Diakonen- und Priesteramt. Kurten ist der Ansicht, dass sich beides wegen der Einheit des katholischen Weiheamtes nicht voneinander trennen ließe – "was die Erfolgsaussichten für Diakoninnen natürlich schmälert", gibt sie zu. Die Argumentation sollte sich auch nicht allein darauf beschränken, welche Ämter mit welchen Aufgaben es historisch gegeben habe, sondern auch einbeziehen, was vom Wesen des Weiheamtes her heute für die Kirche im Sinne Jesu richtig und notwendig wäre. Es gebe auch überzeugende Argumente für das Priesteramt der Frau. Kraus betont hingegen, dass das Zweite Vaticanum bewusst Diakonat und Priestertum entkoppelt und das Diakonat des Mannes wieder als eigenständiges, sakramentales Amt eingeführt habe.
Ob diese Aspekte des Diakonats in der neuen Studienkommission eine Rolle spielen werden, ist mit Blick auf deren Besetzung fraglich. Im Gremium von 2016 saß mit der US-Theologin Phyllis Zagano eine ausgesprochene Befürworterin des Frauendiakonats. Eine solche Stimme fehlt in der jetzigen Gruppe. Zu der gehören zwei Diakone aus den USA, also Menschen mit Praxiserfahrung. Zudem weibliche und männliche Vertreter aus Katechetik, Exegese und Dogmatik. Als gebürtige Deutsche gehören die im schweizerischen Freiburg wirkende Dogmatikern Barbara Hallensleben und der Theologe Manfred Hauke aus Lugano dem Gremium an. Vor allem letzterer ist bisher durch betont konservative Aussagen zu dem Thema aufgefallen, nicht zuletzt trägt seine Dissertation den Titel "Die Problematik um das Frauenpriestertum vor dem Hintergrund der Schöpfungs- und Erlösungsordnung" (1981).
Bereits kurz nach seiner Berufung in die Runde hatte Hauke in der Zeitung "Die Tagespost" gesagt, dass es um einen Vorschlag der Kommission gehen könnte, "ein nichtsakramentales Diakonat der Frau einzuführen – was im Grunde niemand will, aber ins Gespräch gebracht wurde, um andere Ziele zu erreichen –, oder eine feierliche Segnung von Mitarbeiterinnen in der Seelsorge – was nichts Neues wäre, wie die Geschichte der altkirchlichen Diakonissen zeigt". Den Begriff "Diakonisse" wählt er bewusst als Unterscheidung zu einer Diakonin – und benutzt dazu ein Wort, das im Protestantismus Frauen beschreibt, die in einer ordensähnlichen Gemeinschaft leben. Dies zeigt, dass auch auf der Ebene der Begrifflichkeit die Auseinandersetzung um das Frauendiakonat ausgetragen wird. "Hauke wird ein extremer Pol in der Kommission", prognostiziert Kraus. Kurten bemerkt dagegen: "Hauke hat bisher nicht erkennen lassen, dass er Diakoninnen befördern will, ist aber offen für weitere Forschungsergebnisse."
Mit dabei: Eine Papstvertraute
Eine weitere spannende Personalie ist die Pariser Exegetin Anne-Marie Pelletier. Sie ist persönlich mit Papst Franziskus bekannt und hat die Kreuzwegmeditationen für den Karfreitag im Jahr 2017 geschrieben. Außerdem war sie vor der Bischofssynode 2015 Teil einer reformorientierten Austauschrunde mehrerer Wissenschaftler und Bischöfe. Von ihr könnte sich Kraus ein Engagement für die Wiedereinführung von Diakoninnen vorstellen.
Mit Blick auf das Gesamtbild halten einige Beobachter fest, dass die nun gebildete Kommission eher konservativ besetzt ist, zumindest äußerten mehrere Mitglieder in ihrer bisherigen Laufbahn Zweifel gegenüber dem Frauendiakonat. Weiterhin ist erwähnenswert, dass fast alle ihre Mitglieder aus der sogenannten westlichen Welt stammen: Die Ukraine, USA, Spanien, Großbritannien, die Schweiz, Italien und Frankreich sind vertreten, obwohl die Anregung aus der Amazonas-Synode kam, wird diese Region nicht repräsentiert. Neben der weniger historischen Ausrichtung könnte es also auch lokal um eine Verschiebung des Blickpunktes gehen – so sind etwa die USA ein Land, in dem es relativ viele Diakone gibt.
Aussagen über das Ergebnis der Beratungen der zehn Akademiker lassen sich daraus aber nicht ableiten. Dass das Gremium überhaupt existiert, zeigt aber, wie ernst der Papst das Thema des Frauendiakonats nimmt – und dass er im Sinne seiner Bemühungen um Synodalität die Diskussion darüber am Laufen halten will, auch außerhalb des Amazonas-Kontextes. Durch Bildung und Zusammensetzung der Kommission zeigt er, dass er ungern Entscheidungen allein trifft, sondern lieber auf die Expertise von Fachleuten setzt. Was außerdem sicher ist: Forcieren will er das Frauendiakonat mit diesem Winkelzug nicht.