Umbaupläne für zu groß gewordenes Gotteshaus

Umnutzung mit neuem Konzept: Wenn die Kirche geteilt wird

Veröffentlicht am 06.05.2020 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Neuss ‐ Vielerorts werden die Kirchen zu groß für die kleiner werdende Gottesdienstgemeinde. Viele Bauten der jüngeren Geschichte stehen vor dem Aus. Ein Dorf zeigt, wie ein älteres Gebäude den neuen Gegebenheiten Rechnung tragen kann.

  • Teilen:

Die Geschichte dieser Kirche liest sich wie die so vieler anderer auch: Das Dorf Holzheim am Niederrhein wurde erstmals im Jahr 801 erwähnt, seit 1195 ist auch eine Kirche dort nachweisbar. Durch Kriege wird sie mal beschädigt, dann wieder ausgebessert, später wird an- oder umgebaut – bis zum Jahr 1837. Da stürzen bei einem Sturm Teile des Gotteshauses ein. Was übrigbleibt, ist baufällig. In den Jahren 1841 und 1842 bekommen die Holzheimer eine neue Kirche. So lange wie ihre Vorgängerin hält sie nicht: Nach einer Bombardierung 1944 bleibt nur der Türm übrig. An ihn wird Ende der 1940er Jahre eine neue, große Kirche angebaut – die Bruchkante ist durch die verschiedenfarbigen Backsteine bis heute sichtbar.

Obwohl der Neubau seinen neugotischen Vorgänger nicht rekonstruieren will, bleibt die Kirche in ihrem inneren Aufbau klassisch: Der Grundriss ist kreuzförmig, in den Seitenschiffen stehen Seitenaltäre für die heilige Maria und den Kirchenpatron Martin von Tours. Der Altarraum ist durch mehrere Treppenstufen erhöht und ähnelt etwas einer Bühne. Altar, Ambo und Tabernakel wollen weder historisch wirken noch sind sie betont modern gestaltet. Im Großen und Ganzen begegnet dem Besucher die Holzheimer Kirche wie zahlreiche andere der Region: vom Krieg angeknackst, aber mit sichtbarer langer Tradition.

Wie das gesamte Rheinland wächst auch Holzheim in der Folgezeit. Immer mehr Menschen ziehen in den Ort, der seit 1979 ein Teil der Stadt Neuss ist. Anfang der 1980er Jahre entsteht ein Pfarrzentrum mit großem Saal und Gruppenräumen, 2001 wird die Kirche mit viel Aufwand renoviert. Doch seit einigen Jahren erlebt auch dieser Ort das, was anderswo bereits lange Realität ist: Die Menschen kommen immer weniger in die Kirche, die Katholikenzahl sinkt und die Kirchengemeinde – mittlerweile Teil eines Gemeindeverbands – wird immer älter. Die große Kirche und das geräumige Pfarrzentrum sind derweil in die Jahre gekommen, es herrscht Sanierungsstau: Im Pfarrzentrum wurde seit der Erbauung nie wieder etwas gemacht, das Dach und die Elektrik müssten erneuert werden. Außerdem kann man den großen Pfarrsaal nur im Ganzen beleuchten und beheizen, auch für kleinere Gruppen entstehen also hohe Strom- und Heizkosten. In der Kirche ist der weiße Anstrich schon sehr nachgedunkelt, auch hier müssten Heizung und Elektrik dringend erneuert werden. Was nun?

Nicht mehr jedes Gebäude behalten

Schon vor drei Jahren wird die Gemeinde vom Erzbistum Köln angesprochen, an einer Projektgruppe teilzunehmen und den eigenen Gebäudestand zu reflektieren. Das Ergebnis: Beide Gebäude braucht die Gemeinde in dieser Größe nicht mehr – und sie kann sie sich auch gar nicht mehr leisten. Es entsteht der Gedanke, nur ein Gebäude zu behalten und darin alle Funktionen unterzubringen. Dieses Gebäude soll die Kirche sein.

Architekten werden beauftragt, sich Lösungen zu überlegen und Vorschläge zu machen. Da die Kirche für das Dorf einen großen Identifikationscharakter hat, soll sie – zumindest von außen – weitgehend in ihrer bisherigen Form erhalten bleiben. Die großen Veränderungen würden sich also in ihrem Inneren abspielen.

Bild: ©katholisch.de/cph

Wo momentan noch der Altar steht, soll der Pfarrsaal eingebaut werden.

Am Ende entscheidet man sich für eine Teilung des Kirchenraums: Das Querschiff soll zukünftig ein Atrium bilden, von dem aus der Gottesdienstraum und das neue Pfarrzentrum erreicht werden können. Wo bisher der Altar steht, sollen dann Sitzungen stattfinden und Feste gefeiert werden. Der Bereich wird entkernt und nimmt dann den Pfarrsaal, Gruppenräume und Büros auf.

Der Altar wandert an das andere Ende der Kirche in den bisherigen Eingangsbereich, der Gottesdienstraum wird also gedreht. Das Taufbecken und die Orgel müssen an andere Stellen des Gebäudes umziehen. Vom Atrium wird der Gottesdienstraum durch eine Glastür getrennt, bei großen Messen können die Türen geöffnet und so Platz für mehr Gläubige geschaffen werden.

Von außen wenig verändern

Von außen gilt die Prämisse: So wenig wie möglich verändern, um das Gesamtbild zu erhalten. Die größte Veränderung wird der neue Haupteingang; an dessen Stelle befindet sich bisher der Beichtstuhl. Ähnliches gilt aber auch für das Innere. Altar, Ambo, Orgel und Kunstgegenstände sollen soweit wie möglich übernommen werden und sich in das veränderte Raumkonzept einpassen. Das hat auch finanzielle Gründe: Für die Inneneinrichtung muss die Pfarrei allein aufkommen. Bei den restlichen Maßnahmen stellt das Erzbistum 70 Prozent der Gelder, die Pfarrei etwa 30 Prozent.

Bild: ©katholisch.de/cph

Die Orgel muss umziehen. Wo jetzt das Taufbecken steht, wird der Platz des Altars sein.

Die sollen auch durch den Erlös aus dem bisherigen Pfarrzentrum generiert werden. Das Grundstück wird verpachtet. Was ein neuer Eigentümer mit dem bisherigen Gebäude dort macht, ist ungewiss – der Abriss nicht ausgeschlossen.

Im Stadtteil hat das Umbauvorhaben anfangs für viel Gemurmel gesorgt. Das habe sich aber seit der Präsentation der Pläne beim Neujahrsempfang dieses Jahr gelegt, sagt Pfarrer Michael Tewes – die praktischen Erwägungen leuchteten vielen ein: "Das ist auch eine finanzielle Notwendigkeit, sonst steuern wir in die Pleite hinein", so der Geistliche. Vom Neuaufbau der Kirche seien aber alle angetan gewesen – auch die Schützen, die den Pfarrsaal beim jährlichen Schützenfest stets nutzen.

Bild: ©katholisch.de/cph

An die Stelle des Beichtstuhls tritt der neue Haupteingang.

Die Planungen müssen nun noch von einigen Gremien sowohl in Holzheim wie auch in Köln abgesegnet werden. Anfang kommenden Jahres sollten die Bauarbeiten dann eigentlich beginnen. Wenn es dann losgeht, soll der Umbau zwischen 12 und 14 Monate dauern. Für diese Zeit würde die Gemeinde die Messen im Pfarrsaal feiern – wie auch bei der letzten Kirchenrenovierung vor fast 20 Jahren. Die Corona-Pandemie hat den Beteiligten allerdings einen Strich durch die Rechnung gemacht. Viele Gremien tagen momentan nicht und das Projekt wird sich auf noch unbekannte Zeit verzögern. "Vor dem Herbst tut sich erstmal gar nichts", so Tewes.

Was dennoch feststeht: Wie es jetzt ist, wird es nicht für immer bleiben. Auch im vermeintlich tiefkatholischen Rheinland sind neue Konzepte für heute übergroße Kirchenbauten der Vergangenheit nötig. Wo mancherorts abgerissen und neu gebaut wird, hat man sich in Holzheim für einen vermittelnden Ansatz entschieden – damit wenigstens von außen die Kirche noch in gewohnter Weise im Dorf bleibt.

Von Christoph Paul Hartmann