MHG-Studie hatte auf 190 Fälle im Gebiet der Erzdiözese verwiesen

Staatsanwaltschaft Freiburg hat Missbrauchsstudie aufgearbeitet

Veröffentlicht am 14.05.2020 um 16:26 Uhr – Lesedauer: 

Freiburg ‐ Für die Jahre 1946 bis 2014 verwies die sogenannte MHG-Studie der deutschen Bischöfe auf 190 Missbrauchsfälle im Gebiet des Erzbistums Freiburg. Nun hat die Staatsanwaltschaft ihre Prüfungen und Ermittlungen dazu abgeschlossen. Das ist das Ergebnis.

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Die Staatsanwaltschaft Freiburg hat ihre Prüfungen und Ermittlungen zu sexuellen Missbrauchsfällen im Erzbistum Freiburg bis auf einen Fall abgeschlossen. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft vom Donnerstag gab es bei 139 Fällen keine weiteren Ermittlungen, weil die mutmaßlichen Täter tot sind. 97 Fälle wurden weiter verfolgt: Gegen 52 Personen sowie in 11 Verfahren gegen Unbekannt wurden Ermittlungen eingeleitet. Hinzu kamen 34 Verfahren, die die Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe nach Freiburg überwies, weil sie ebenfalls das Gebiet der Erzdiözese betreffen.

Hintergrund ist eine von der Kirche in Auftrag gegebene bundesweite Studie zu Missbrauch. Für die Jahre 1946 bis 2014 verwies die sogenannte MHG-Studie auf 190 Fälle im Gebiet der Diözese Freiburg. Zu den Tatvorwürfen gehörten Beleidigung, Nötigung, Freiheitsberaubung, Kinderpornografie sowie schwerer sexueller Missbrauch von Kindern, Jugendlichen und Schutzbefohlenen. Laut Staatsanwaltschaft lag die Vielzahl der Vorwürfe Jahrzehnte zurück.

50 Verfahren eingestellt

Inzwischen wurden 50 Verfahren eingestellt. In 31 Fällen seien die Taten verjährt gewesen, in 9 Fällen sei kein strafrechtlich relevantes Verhalten feststellbar gewesen. 5 Beschuldigte starben und in 5 weiteren Fällen wurde deutlich, dass die Beschuldigten bereits verurteilt wurden. Schließlich wurden 11 Verfahren an andere Staatsanwaltschaften übergeben, weil Freiburg hier nicht zuständig sei. Damit verbleibt aktuell ein Ermittlungsverfahren gegen einen identifizierten Tatverdächtigen, wie die Freiburger Staatsanwaltschaft mitteilte. Alle anderen Verfahren in Zusammenhang mit der MHG-Studie seien abgeschlossen.

Bei der 2018 veröffentlichten Untersuchung zu "Sexuellem Missbrauch an Minderjährigen durch katholische Priester, Diakone und männliche Ordensangehörige im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz" hatten Wissenschaftler der Universitäten Mannheim, Heidelberg und Gießen (MHG) bundesweit kirchliche Akten analysiert. Insgesamt fanden die Experten für die Jahre 1946 bis 2014 Hinweise auf 3.677 Betroffene sexueller Übergriffe und auf rund 1.670 beschuldigte Priester, Diakone und Ordensleute in Deutschland. 190 Fälle entfielen auf das Gebiet der Erzdiözese Freiburg. Eine Gruppe von Juristen hatte zusammen mit dem Institut für Weltanschauungsrecht (ifw) im Blick auf die Studienergebnisse bei Staatsanwaltschaften bundesweit Strafanzeige gegen Unbekannt erstattet, um den Ergebnissen der Studie nachzugehen.

Als erste Institution in Deutschland hatte die katholische Kirche Ende April mit dem Missbrauchsbeauftragten der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig, eine Vereinbarung zur Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch beschlossen. Demnach soll die Aufarbeitung in den Diözesen durch unabhängige Kommissionen transparent und nach einheitlichen Kriterien erfolgen. Somit soll es in allen 27 deutschen (Erz-)Bistümern künftig eine solche unabhängige Kommission geben; einige Diözesen haben bereits mit einer Aufarbeitung nach festgelegten Standards begonnen. In den Kommissionen sollen Vertreter des jeweiligen Bistums, Experten aus Wissenschaft, Fachpraxis, Justiz und öffentlicher Verwaltung sowie Betroffene sitzen. (tmg/KNA)