Corona-Pandemie betrifft auch Ordensfrauen in Köln

Zwischen Klausur und Quarantäne: Zu Besuch im Benediktinerinnen-Kloster

Veröffentlicht am 17.05.2020 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Köln ‐ Eigentlich müssten die Benediktinerinnen mit der Corona-Pandemie gut zurecht kommen. Schließlich gehört Zurückgezogenheit zu ihrem Lebensmodell. Doch auch für die Nonnen in Köln-Raderberg hat sich in den vergangenen Monaten einiges geändert – im Umgang mit Gästen und untereinander.

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Auch in Corona-Zeiten sollen die Bedürftigen nicht hungern müssen, also macht sich Schwester Franziska an die Arbeit. Vor dem Kloster der Benediktinerinnen vom Heiligen Sakrament in Köln-Raderberg hat sie mit ihren Mitschwestern einen Gabenzaun errichtet. Als sie die Stofftaschen am Zaun mit Essen befüllt, hält ein Fahrradfahrer neben ihr. Er trägt einen Mundschutz, nähert sich fast schon schüchtern dem Zaun, mit gebührendem Abstand zur Schwester. Der Mann scheint zu überlegen, ob er ein wenig Nahrung mitnehmen soll – und radelt dann doch davon.

So vorsichtig läuft der Kontakt zwischen Besuchern und Nonnen zurzeit häufig ab. Wenn er denn überhaupt zustande kommt. "Seit das Corona-Virus ausgebrochen ist, besuchen uns deutlich weniger Menschen", sagt Schwester Franziska. Das Kloster der Benediktinerinnen ist eigentlich ein Ort der Begegnung. Normalerweise kommen jedes Frühjahr etwa 2.000 Kommunionskinder zu Besuch. Auch sonst ist die Kirche im Kloster immer gut gefüllt gewesen – sei es bei den öffentlichen Gottesdiensten oder dem Adventssingen im Dezember. Auf der Bank vor dem Kloster machten es sich die Menschen gemütlich, um für einen Moment abzuschalten vom hektischen Treiben in der Stadt. Sie kamen häufig mit den Schwestern ins Gespräch.

Kontakte fast auf null gestellt

Mit Ausbruch des Virus wurden diese Kontakte fast auf null gestellt. Die zwei Welten, in denen die Schwestern leben – der Innenraum mit der Klausur und der Außenbereich – sind fast gänzlich voneinander getrennt. Zumindest dürfen die Benediktinerinnen seit Anfang Mai wieder Gäste zu ihren Gottesdiensten empfangen – wenn auch in deutlich begrenzter Anzahl. Ein paar Menschen suchten aber auch davor noch die Nähe zum Kloster. Die 80 Osterkerzen etwa, die die Schwestern zum Mitnehmen vor die Tür stellten, waren sofort vergriffen.

Auch während Corona betreiben die Benediktinerinnen ihre Essensausgabe, neben dem Gabenzaun eine weitere Möglichkeit, um bedürftige Menschen zu versorgen. Konnten sich die Besucher das Essen vorher noch selbst aussuchen, haben die Schwester die Care-Pakete nun bereits gepackt und reichen sie den Menschen am Eingangstor über zwei Tische hinweg an. Dafür gab es von den Verantwortlichen der Kölner Tafel in der Südstadt schon einen Dankesanruf. Denn nicht jeder hält während Corona die Hilfsversorgung aufrecht.

Trotzdem. "Wir spüren die veränderte Atmosphäre, die über der ganzen Stadt zu liegen scheint", sagt Schwester Emmanuela Kohlhaas, die das Kloster der Benediktinerinnen als Priorin leitet. "Die Menschen, die um uns herum sonst sehr lebendig sind, sind jetzt weniger, nicht oder anders da." Wenn die Schwestern überhaupt einen positiven Aspekt aus der Krise ziehen können, dann diesen: Weil sie ohnehin das ganze Jahr in Klausur, also zurückgezogen leben, sind sie für die Corona-Zeit bestens vorbereitet. "Als der Lockdown kam und die Vorschriften verkündet wurden, haben wir gedacht: Das macht für uns keinen großen Unterschied zur Zeit davor. Das Leben findet bei uns in der Hauptsache nach innen statt, es ist eine Art Biotop", sagt Schwester Emmanuela.

Adventssingen der Benediktinerinnen
Bild: ©Benediktinerinnen Köln

Beim Adventssingen im Dezember 2019 war von der Corona-Pandemie noch nichts zu spüren. Die Kapelle der Benediktinerinnen vom Heiligsten Sakrament in Köln-Raderberg ist gut gefüllt.

In diesem Biotop leben derzeit 32 Nonnen. Die jüngste ist 20 Jahre alt, die älteste stolze 97. Gemeinsam essen, singen, beten sie, machen Filmabende. "Wir tun das, was Familien auch tun. Wir sind eine Lebensgemeinschaft unter einem Dach", sagt Schwester Emmanuela. Um einen Ausbruch des Corona-Virus hinter den Klostermauern zu verhindern, treffen auch die Benediktinerinnen Vorsichtsmaßnahmen. "Wir versuchen, Distanz zu wahren, verzichten auf den Friedensgruß. Wir versuchen, Hygienemaßnahmen einzuhalten. Aber wir können uns nicht immer aus dem Weg gehen." Kein Wunder bei einer 32-Personen-WG.

Besonders schwierig fällt das Kontaktverbot beim Essen. "Abstand halten geht ganz einfach nicht, aber das Problem hat man bei einer Familie ja auch, die um den Küchentisch herumsitzt. Brot mit den Händen zu verteilen, haben wir aber vermieden, mit Zangen gearbeitet", sagt Schwester Emmanuela. An manchen Stellen fällt das Nicht-Berühren leichter: "Die Schwestern versuchen, mit ihrem Skapulier die Türklinken oder die Kaffeemaschine zu benutzen."

Ihre Außenkontakte, sagt Schwester Emmanuela, hätten die Schwestern aber minimiert und sich freiwillig zur Klausur in eine Zusatzquarantäne begeben. "Ich habe seit Beginn der Maßnahmen bis letzte Woche, wo ich wegen eines Baus zum Notar und zur Architektin musste, keinen Schritt vor die Tür getan. Wir haben auch versucht, Arzttermine und Sport zu vermeiden. Wir haben natürlich einen großen Garten. Dort können wir wunderbar joggen und spazieren", sagt sie. Der sei mindestens so schön wie der Park. "Der heilige Benedikt will ja auch, dass wir alles im Innenraum haben und möglichst wenig rauslaufen müssen." Natürlich ließen sich bestimmte Aktivitäten wie Einkaufen aber nicht vermeiden.

Gleich zwei Herausforderungen für die Schwestern

Anfang Februar war bei den Benediktinerinnen besondere Vorsicht geboten. Eine chinesischstämmige Schwester kam aus ihrem Heimatland nach Köln zurück – eine Woche, bevor Flugreisen aus China komplett gestrichen wurden. Die Schwester begab sich in eine freiwillige 14-tägige Quarantäne. "Sie hat in der Zeit ihr Zimmer praktisch nicht verlassen", berichtet Schwester Emmanuela. Kurz vor Karneval kam dann noch eine Erkältungswelle dazu. Doch beide Ereignisse überstanden die Schwestern ohne Folgen. Man müsse eben diszipliniert sein, betont die Priorin: "Ich kann nur an die Schwestern appellieren, aufmerksam zu sein und ihnen zu sagen: Wie würdest du dich fühlen, wenn dein Fehlverhalten jemand anderen das Leben kostet?"

Der verminderte Kontakt hat für Schwester Emmanuela aber nicht nur Nachteile. Klar, beim Friedensgruß oder wenn sie anderen Schwestern zu einem Feiertag gratuliere, fehle er. "Gleichzeitig habe ich mich aber auch bei der letzten Messe gefragt: Warum saßen wir in der Zeit, in der wir weniger waren, nicht weiter auseinander? Denn so kann man mit wenigen Personen auch einen Raum ausfüllen. Es gibt ein geheimes Maß an Abstand in der Gesellschaft. Ich habe das Gefühl, dieses Maß erweitert sich gerade. Und das ist nicht nur negativ. Ich habe mich früher während Erkältungswellen auch immer geärgert, wenn mir jemand aus 30 Zentimetern Entfernung zuflüsterte: 'Ich bin erkältet.'"

Schwester Emmanuela und Thomas Frings
Bild: ©Benediktinerinnen Köln

Pfarrer Thomas Frings (r.) lebt seit Herbst 2017 bei den Kölner Benediktinerinnen um Priorin Emmanuela Kohlhaas.

Ein weiterer Vorteil: Es bleibt mehr Zeit, die Kontakte auf dem schriftlichen oder telefonischen Weg zu pflegen. "Wir bekommen häufiger Anrufe von Menschen, die uns sonst nur einmal im Jahr kontaktieren. Die Klöster auf der ganzen Welt haben Briefe und Mails herumgeschickt, wie es ihnen gerade geht. Die Zeit haben wir uns sonst im Alltagsgeschäft nicht genommen. An Weihnachten habe ich Stress, wenn ich 200 oder 300 Mails auf einmal schreiben muss, jetzt kann ich es aufteilen", freut sich Schwester Emmanuela.

Ganz "unter sich" sind die Benediktinerinnen übrigens nicht. Seit Herbst 2017 ist Pfarrer Thomas Frings Teil der Gemeinschaft. Der "Bruder unter den Schwestern", wie er sich selbst bezeichnet. Bis vor kurzem wohnte Frings noch im Gästebereich des Klosters, jetzt ist er frisch ins Rektorat direkt neben dem Kloster gezogen – und wohnt dort unter anderem mit einer achtköpfigen Flüchtlingsfamilie.

Haben die Schwestern Tipps in der Corona-Krise?

Man könnte meinen, Pfarrer Frings hätte in der Corona-Zeit weit weniger zu tun. Aber ganz im Gegenteil. "Als die öffentlichen Gottesdienstverbote auftraten, habe ich hier im Haus alle Gottesdienste übernommen. Ich habe also so viele Messen gefeiert wie seit Jahren nicht mehr", berichtet er. Auf die gewohnten Rituale nicht verzichten zu müssen, gibt den Schwestern und dem Bruder in der Corona-Krise Kraft. "Wir freuen uns darüber, dass wir weiter die Messen feiern können", sagt Pfarrer Frings, "haben aber auch an die gedacht, denen es eine ganze Zeit nicht erlaubt war."

Nicht erlaubt – aktuell trifft das gerade auf ganz viel zu, was uns als Menschen Freude bereitet und gut tut. Zeit mit Freunden verbringen, die Großeltern besuchen, ins Kino oder essen gehen, Sport mit seinem Team treiben, reisen. Das ist ungewohnt und schlägt uns aufs Gemüt. Was können wir also von den Benediktinerinnen lernen, die das zurückgezogene Leben kennen, damit wir in Corona-Zeiten nicht verzweifeln?

"Was wirklich hilft, ist Struktur. Feste Zeiten zum Essen und für bestimmte Aktivitäten", sagt Schwester Emmanuela. "Daneben hilft alles, was dazu beiträgt, gelassen zu bleiben. Natürlich können sich in diesen Zeiten Konflikte ganz schnell an Kleinigkeiten hochheizen, weil alle Nerven blank liegen. Ich freue mich auf jeden Fall, wenn die Corona-Zeit bald endet." Da spricht Schwester Emmanuela für fast alle Menschen. Vielleicht kann sie auf dem kurzen Dienstweg ja ein gutes Wort für uns einlegen.

Von Martin Henning