Warum dieses Wochenende zwölf Frauen eine Predigt halten
Es begann mit einem Übersetzungsfehler. Ein Übersetzungsfehler, der erst 2016 in der neuen Einheitsübersetzung der Bibel klar behoben wurde. Jahrhundertelang sprach man von dem Apostel Junias – doch nach der Meinung vieler Exegeten war es wohl die Apostelin Junia (Röm 16,1-16). Aus Mann wurde Frau, doch diese Korrektur schafft noch lange keine Geschlechtergerechtigkeit in der katholischen Kirche. Ein frühes Beispiel geschlechtsspezifischer Ungleichbehandlung, findet die Katholische Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd). Nicht nur deshalb startet der Frauenverband am 17. Mai, dem Gedenktag der Apostelin Junia, den ersten bundesweiten Predigerinnentag.
"12 Frauen. 12 Orte. 12 Predigten" – so wirbt der Frauenverband für die Aktion und fasst damit das Konzept des Tages zusammen: Zwölf Frauen, geistliche Leiterinnen oder Begleiterinnen der kfd, halten an diesem Tag Predigten in ganz Deutschland und wollen damit ein Zeichen für eine geschlechtergerechte Kirche setzen. Mit dabei ist auch Ulrike Göken-Huismann, geistliche Begleiterin und Vorstandsmitglied des kfd-Bundesverbandes. "Junia wird in der neuen Einheitsübersetzung von 2016 klar und deutlich Apostelin genannt. Ich freue mich sehr darauf, an ihrem Festtag zu predigen und quasi in ihrer Nachfolge das Wort Gottes zu verkünden", so die Theologin.
In gleich drei Kirchen im Bistum Münster wird Göken-Huismann an diesem Wochenende predigen – während Wort-Gottes-Feiern. "Ursprünglich wollten wir alle in einer Eucharistiefeier predigen. Die Corona-Krise zwingt uns, einmal mehr zu beweisen, dass wir Frauen flexibel und geübt darin sind, das Beste aus einer Situation zu machen", sagt sie. Aus diesem Grund werden sechs Predigten ins Internet verlegt. Dort werden sie als Text-, Video- oder Audiodatei abrufbar sein. Die anderen sechs Frauen predigen in Wort-Gottes-Feiern oder Eucharistiefeiern.
„Um wie viel reicher wäre unsere Verkündigung, wenn regelmäßig Männer und Frauen predigen würden?“
Aus dem Erzbistum München und Freising predigt die geistliche Begleiterin des Diözesanverbands und Gemeindereferentin Elisabeth Maria Rappl. Ihre Predigt wird als Textdatei zur Verfügung gestellt – auch sie sollte eigentlich in einer Eucharistiefeier predigen. Das ändere jedoch nichts an ihrer Motivation, denn sie finde es nach wie vor wichtig, dass Kirchengemeinden Predigerinnen erleben. "Um wie viel reicher wäre unsere Verkündigung, wenn regelmäßig Männer und Frauen predigen würden?", fragt Rappl. Dafür müsste die Kirche Frauen jedoch als gleichberechtigt annehmen. Sie sieht in der Aktion am Tag der Apostelin Junia deshalb eine "große Chance für alle: Christinnen und Christen, Männer und Frauen, Kleine und Große, Junge und Alte. Möge es zu einer gelebten Praxis in unserer Gemeinde werden."
Auch das Kirchenrecht sieht vor, dass Laien "nach Maßgabe der Vorschriften der Bischofskonferenz" in Kirchen und Kapellen predigen dürfen, "wenn das unter bestimmten Umständen notwendig oder in Einzelfällen als nützlich angeraten ist". Das kirchliche Gesetzbuch ergänzt für Messfeiern jedoch einen entscheidenden Punkt: "Unter den Formen der Predigt ragt die Homilie hervor, die Teil der Liturgie selbst ist und dem Priester oder dem Diakon vorbehalten wird." Damit ist die Predigt während der Heiligen Messe, die die zuvor gehaltenen Lesungen auslegt, für alle Frauen und nicht-geweihten Männer ausgeschlossen. Die "Ordnung des Predigtdienstes von Laien", 1988 von der Deutschen Bischofskonferenz herausgegeben, sieht jedoch vor, dass Laien in Wortgottesdiensten predigen dürfen.
Das Recht liegt bei den Bischöfen
Dabei haben eigentlich allein die Bischöfe das Recht zu predigen, was mit ihrer Bischofsweihe verbunden ist. Entziehen kann ihnen dieses Recht strafweise nur der Papst. Ein anderer Diözesanbischof kann ihm lediglich verbieten, auf seinem Bistumsgebiet zu predigen; doch ansonsten darf er das überall tun. Mit ihrer Weihe erhalten Priester und Diakone eine grundsätzliche Predigt-Befugnis, die der Bischof einschränken oder entziehen kann. Ob Pfarrer oder Bischof: Priester stehen in der Nachfolge Jesu, der in der Predigt repräsentiert werden soll. Auch damit wird begründet, dass nur sie predigen dürfen.
Renate Flath aus dem Bistum Mainz findet, dass durch diese Regelung die Hälfte des möglichen Glaubenszeugnis fehle – und damit "die Sicht von Frauen auf unseren Glauben und das Evangelium". Die geistlich-theologische Begleiterin des Diözesanverbandes und Pastoralreferentin wird in einer Kirche im hessischen Bensheim nicht nur während einer Wort-Gottes-Feier, sondern auch in einer Eucharistiefeier predigen. "Ich bin dafür, das Predigtverbot für Nichtgeweihte in der Heiligen Messe endlich abzuschaffen. Es schließt faktisch Frauen aus, somit fehlt etwas in der ganz zentralen Aufgabe der Verkündigung", sagt Flath.
Göken-Huismann aus dem kfd-Bundesvorstand stimmt ihr zu. Sie sieht den Predigerinnentag zudem als Beitrag für den Synodalen Weg, denn eine Rücknahme des Predigtverbots für Laien in einer Eucharistiefeier "wäre ein kleiner, aber wichtiger Schritt im Hinblick auf die notwendige Erneuerung der Kirche."