Erzbischof von Madrid gilt als Mann des Ausgleichs

Ein Kardinal nach dem Geschmack von Franziskus – Carlos Osoro wird 75

Veröffentlicht am 16.05.2020 um 12:24 Uhr – Lesedauer: 

Madrid ‐ Heute feiert Kardinal Carlos Osoro seinen 75. Geburtstag. Der "Franziskus-Mann" an der Spitze des Hauptstadt-Bistums Madrid steht für einen neuen, gemäßigteren Kurs in Spaniens katholischer Kirche.

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Es war das Ende einer Ära, als Carlos Osoro Sierra 2014 die Leitung des Erzbistums Madrid übernahm. Zuvor hatte über 20 Jahre der konservative Kardinal Antonio Rouco Varela Spaniens Hauptstadtdiözese geleitet. Der personelle Wechsel bedeutete zugleich einen Wandel für die gesamte katholische Kirche im Land.

Kardinal Rouco hatte sie ein Vierteljahrhundert lang mit klarer Kante dominiert: ein politischer Oberhirte, der den Kulturkampf mit den lange regierenden Sozialisten mit aller Härte annahm. Oft focht er ihn gemeinsam und öffentlichkeitswirksam mit der christdemokratischen Partei (Partido Popular) aus.

Die Einführung der "Homo-Ehe" konnte Rouco allerdings ebenso wenig stoppen wie eine weitgehende Liberalisierung der Abtreibungsgesetze. Auch gegen die zunehmende Distanz vieler Spanier zur Kirche, die noch bis in die 70er Jahre quasi den Rang einer Staatsreligion innehatte, vermochte der polarisierende Kardinal wenig auszurichten.

Ein Gelegenheit also für Osoro, in Madrid für frischen Wind zu sorgen. Tatsächlich ist seit 2014 einiges anders in der Hauptstadt mit ihren 3,5 Millionen Katholiken. Der aus Kantabrien stammende Erzbischof gilt als Mann des Ausgleichs. Wenn Weggefährten ihn beschreiben, fallen häufig die Stichwörter "Dialog" und "Mäßigung". Der pastoral orientierte Kirchenführer will - gerade bei kontroversen gesellschaftlichen Fragen - nicht anklagen oder schmähen. Er will vermitteln, Frieden stiften. Und das ist ganz im Sinne von Papst Franziskus.

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Osoro, der heute 75 Jahre alt wird, wurde in der Provinz Santander an der Nordküste geboren. Nachdem er zunächst ein Studium der Pädagogik und Mathematik in Madrid abschloss, trat er ins Spätberufenenseminar in Salamanca ein und studierte Theologie und Philosophie an der dortigen Päpstlichen Universität. 1973 wurde er zum Priester geweiht.

1996 ernannte ihn Papst Johannes Paul II. (1978-2005) zum Bischof von Orense. Es folgte ein steiler Aufstieg. Von 2002 bis 2009 leitete Osoro das Erzbistum Oviedo und wurde anschließend von Benedikt XVI. (2005-2013) zum Erzbischof von Valencia ernannt. 2014 dann der Wechsel nach Madrid und 2016 der vorläufige Karrierehöhepunkt: Franziskus nahm den Spanier ins Kardinalskollegium auf.

Osoro genießt breiten Rückhalt in Bischofskonferenz

In der Spanischen Bischofskonferenz genießt Osoro mittlerweile breiten Rückhalt. Seine Amtsbrüder wählten ihn im März erneut zum Vizepräsidenten. Mit dem neuen Vorsitzenden, Barcelonas Kardinal Juan Jose Omella, bestimmt er nun die Geschicke der katholischen Kirche des Landes. Schon länger bilden die beiden ein kirchenpolitisches Tandem, das vom Papst angestoßene Reformen, etwa in Sachen Missbrauchsprävention, auch gegen Widerstände vorantreibt.

Osoro lässt keine Gelegenheit aus, die Positionen von Franziskus zu verteidigen. "Der Papst sucht die Nähe zu allen Menschen", sagte er einmal in einem Interview. Dazu gehörten auch jene, die "in einem Widerspruch zu unserer Lebensauffassung" lebten. Darum dürften Homosexuelle ebenso wenig wie wiederverheiratete Geschiedene oder Transsexuelle "verdammt und verurteilt" werden.

Bild: ©Fotolia.com/curto

Auch im Katalonien-Konflikt zeigte sich Kardinal Carlos Osoro vor einigen Jahren als Mann des Ausgleichs. Das Foto zeigt eine Unabhängigkeits-Demo von Katalanen, die mit Flaggen durch die Straßen Barcelonas ziehen.

Weitere Belege für diese offene Haltung gibt es viele. Wo immer es in Spanien Konflikte gibt - der Kardinal aus Madrid plädiert für Besonnenheit. Auf die Frage, ob er sich vor einer möglichen Unabhängigkeit Kataloniens fürchte, antwortete er diplomatisch: "Ich fürchte nichts außer Gott."

Ähnlich ging der Erzbischof bei der umstrittenen Verlegung des Grabes von Diktator Francisco Franco (1892-1975) vor. In dem monatelangen Rechtsstreit zwischen der Regierung und den Franco-Angehörigen vermied Osoro, Partei für eine der Seiten zu ergreifen. Als Franco am Ende auf den Friedhof El Pardo-Mingorrubio am Rande Madrids gebracht wurde, widersprach das Erzbistum nicht.

Der Kardinal setzt in den Auseinandersetzungen mit der sozialistisch geführten Regierung auf Verständigung statt auf Konfrontation. Und das trotz gravierender Konfliktfelder: Es gibt Streit über den Religionsunterricht, den Kirchenbesitz; selbst der Staatskirchenvertrag als Ganzes scheint nicht mehr unantastbar.

Doch zunächst muss ganz Spanien eine andere Krise überstehen: die Corona-Pandemie. Osoro äußerte, seinem Naturell entsprechend, bereits große Zuversicht: "Wir werden gestärkt aus dieser Zeit hervorgehen", sagte er kürzlich. Die Notlage habe die Wertvorstellungen der Spanier zum Besseren verändert. "Wir sehen jetzt viel klarer, was im Leben wirklich wichtig ist." Man kann nur wünschen, dass er damit richtig liegt.

Von Alexander Pitz (KNA)