Bischof Kohlgraf: Merkwürdiges Gefühl trotz "Batman"-Maske
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Mainz gilt als lebensfrohe Stadt und Hochburg der Fastnacht. Doch die rheinland-pfälzische Landeshauptstadt ist genauso von den Corona-Einschränkungen getroffen wie der Rest Deutschlands. Der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf blickt mir rheinischem Humor und voller Zuversicht in die Zukunft, wie er im Interview für den Himmelklar-Podcast erzählt.
Frage: Herr Bischof, wie fühlen Sie sich gerade? Wie geht es Ihnen?
Kohlgraf: Also gesundheitlich geht es mir gut. Da kann ich wirklich nicht klagen. Ich war auch die ganze Zeit gesund, aber die ganze Situation ist auch für mich, auch wenn ich auf hohem Niveau klage, sehr gewöhnungsbedürftig und auch bedrückend natürlich.
Frage: Wie kann ich mir das vorstellen? Wie sieht Ihr Alltag gerade aus?
Kohlgraf: Also ein Großteil meiner öffentlichen Termine ist weg im Moment, zum Beispiel habe ich keine Firmungen erst einmal auf unbestimmte Zeit, auch Gesprächstermine nehme ich nur bedingt wahr, Telefonkonferenzen, Konferenzen mit kleinen Gruppen auf großem Abstand, das ist alles irgendwie geblieben. Also ich versuche mit den Anderen in Verantwortung unsere Diözese zu leiten. Das klappt auch irgendwie, aber viele persönliche Begegnungen und große Gottesdienste, das was den bischöflichen Alltag so ein bisschen erhellt, das fällt natürlich alles aus im Moment.
Frage: Und auch das Zwischenmenschliche, mal einen Wein trinken oder ähnliches.
Kohlgraf: Ja, das Zwischenmenschliche ist natürlich auch so eine Sache, das stimmt. Das merkt man auch in der Stadt. Mainz an sich lässt sich jetzt die grundsätzliche Lebensfreude auch nicht komplett kaputt machen. Es ist doch wieder ein Leben in der Stadt aufgeblüht, aber man merkt natürlich, dass es nicht der Normalzustand ist. Auch durch die Maske bedingt, man sieht also nur noch selten fröhliche Gesichter.
Frage: Das ist auch ein ganz guter Punkt, da geht ja so ein schönes Foto von Ihnen gerade rund wie Sie verschiedene Masken anprobieren. Eine schwarze zum Beispiel mit einem Bistum-Mainz-Logo darauf wo die Katholische Nachrichtenagentur geschrieben hat: Da sehen Sie aus wie Batman. Wie ist das so?
Kohlgraf: Man fühlt sich nicht wie Batman unter dem Ding, ehrlich gesagt. Das war natürlich ein bisschen als kleiner rheinischer Beitrag gedacht, weil der Rheinländer an sich jetzt grundsätzlich mit Kostümierung kein Problem hat. Und das war auch nur eine kleine Auswahl meiner Möglichkeiten, mittlerweile verfüge ich über zwölf oder dreizehn sehr formschöner, farbenfroher und auch sehr hygienischer Masken. Aber es ist merkwürdig.
Frage: Wie kommen Sie da so mit klar? Also ich finde das irgendwie immer sehr unangenehm, das ist ein beklemmendes Gefühl, ist mein Eindruck.
Kohlgraf: Wenn ich Fahrrad fahre oder beim Sport kann ich die nicht tragen, das ist völlig klar. Ich trage die, wie es das Gesetz vorschreibt, wenn ich ins Geschäft hinein gehe. Mit dem Bus fahre ich im Moment nicht, aber wenn ich auf den Wochenmarkt gehe, an den Stand, da trage ich sie dann, aber im normalen Alltag in der Stadt trage ich sie nicht.
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Frage: Was hören Sie von den Menschen in den Gemeinden im Bistum? Wie finden die das so?
Kohlgraf: Ich fange mal mit dem Positiven an. Ich erlebe, dass unheimlich viel Gutes auch entstanden ist und viele Ideen auch in dieser Situation Gottesdienst zu feiern. Also insofern ist jetzt nicht das komplette gottesdienstliche Leben zusammengebrochen. Die Formen haben sich aus der Not heraus verändert. Mal gucken was davon bleiben wird. Ich erlebe dann Menschen, die sagen: "Ich möchte im Moment auch noch gar nicht raus, ich möchte auch aus persönlicher Sicherheit noch Zuhause bleiben." Die feiern dann etwa die medialen Angebote mit. Ich kenne aber auch Leute genauso, das andere Extrem, die sehr sorglos mit der Situation umgehen, wo ich mich manchmal frage: Woher nehmen die so ihre Selbstgewissheit mit achtzig Jahren zu sagen: "Mir kann nichts passieren." Es schwankt sehr stark. Ich glaube, dass viele auch nicht wissen, wie sie mit dieser Situation umgehen müssen.
Frage: Ich habe ein Zitat von Ihnen gefunden, dass Sie auch sagen, was die Gottesdienste angeht, das sehen Sie auch zwiespältig, nicht wahr? Einerseits freut man sich, dass es wieder losgeht, auf der anderen Seite so wirklich wie man sich das vorstellt, eine gottesdienstliche Gemeinschaft ist das ja auch nicht.
Kohlgraf: Also wenn ich jetzt als Bischof sagen würde: "Ich freue mich nicht, dass wir wieder Gottesdienste im Dom oder in den Pfarreien feiern." Wäre das auch eine merkwürdige Botschaft. Ich freue mich natürlich, dass wir uns wieder versammeln können, aber was heißt jetzt versammeln? Also wir werden eine zweistellige Zahl von Menschen in den Mainzer Dom lassen, in diesen riesigen Raum. Man wird kaum singen können, die Leute sitzen getrennt und auch die Formen der Kommunionausteilung nehmen jetzt zum Teil bizarre Züge an. Also das sind natürlich alles Dinge wo ich sage: Ist das eigentlich noch eine würdige Form? Da müssen wir glaube ich gut gucken und wir im Mainzer Dom würde ich jetzt sagen, wir probieren das jetzt erst einmal ein bis zwei Wochen aus und reflektieren dann auch noch einmal über die Form was man vielleicht doch noch einmal ändern muss. Und niemand weiß wie lange das geht. Das finde ich ehrlich gesagt die eher bedrückende Frage.
Frage: Aber würdig ist glaube ich ein ganz wichtiges Wort. Da habe ich jetzt auch schonmal drüber nachgedacht. Die frage ist ja, wie kann man wirklich Kommunion feiern ohne Körperkontakt und ohne Abstand? Das ist ja eigentlich nicht so wirklich möglich und die Frage ist: Ist das denn wirklich würdiger meinetwegen mit der Zange die Kommunion zu verteilen oder mit einer Plexiglasscheibe, als es überhaupt nicht zu machen? Ich finde, das ist eine ganz schwere Frage.
Kohlgraf: Das sind schwere Fragen und es gab ja auch schon Kritik daran, das man sagt: "Dieses ganze Diskutieren über Hygienemaßnahmen, wird das der Eucharistie gerecht?" Tatsächlich kann man die Frage stellen. Auf der anderen Seite jetzt zu sagen: "Wir feiern jetzt in dieser Situation gar keine Eucharistie." Das haben einige Bischöfe so entschieden. Wir haben uns in Mainz dafür entschieden wieder Eucharistie zu feiern mit denen, die das wollen. Und ich denke, wir finden im Dom eine einigermaßen würdige Form, die jetzt nicht mit Zange hantiert oder so. Ich glaube da gibt es auch Formen, die irgendwo noch der Würde des Sakraments entsprechen.
Frage: Ihre Mitbrüder im Bischofsamt haben Sie schon angesprochen. Mich würde einmal interessieren, wie läuft denn die Abstimmung bei so einem ganz großen Thema? Ich habe ein Foto gesehen, wie sie sich als ständiger Rat zum ersten Mal komplett über Videokonferenz getroffen haben. Macht denn da jeder sein Ding oder versucht man da irgendwie einen gemeinsamen Weg zu finden?
Kohlgraf: Gemeinsame Vorschriften oder Maßregeln sind ja rausgekommen, die dann auch für alle gelten. Also etwa die Hygienemaßstäbe, die dann für alle Bischöfe auch Maßstab sind, aber es hängt natürlich auch an den einzelnen Landesregierungen. Also ich habe zum Beispiel mit zwei Landesregierungen zu tun, mit denen wir dann auch gesondert gesprochen haben. Das Land Hessen tickt dann in manchen Fragen etwas anders als Rheinland-Pfalz, auch was etwa die Geschäftswelt und so weiter angeht. Aber ich glaube wir haben jetzt für das ganze Bistum gute Regelungen gefunden, da hat hier ein Krisenstab gearbeitet, auch sehr akribisch und auch immer wieder mit Überraschungen konfrontiert. Ich glaube das ist ganz gut und wir warten jetzt mal ab was passiert. Es gibt allerdings auch von Pfarrern die Rückmeldung, dass sie sagen, dass sie noch keine öffentlichen Eucharistiefeiern anbieten werden. Zum Teil auch, weil die Kirchen so klein sind. Wenn wir in die ländlichen Regionen schauen haben wir es oft nicht mit großen Pfarrkirchen zu tun, sondern mit kleinen Dorfkirchen, wo auch regional sehr unterschiedlich geschaut werden muss. Vielleicht auch noch einmal ein weiterer Grund für diesen Flickenteppich der unterschiedlichen Praktiken in den unterschiedlichen Diözesen: Wir haben natürlich auch in den Regionen Deutschlands sehr unterschiedliche Situationen, auf die die Länder ja versuchen auch zu reagieren, wenn Sie von Norden nach Süden gucken etwa.
Frage: Aber die einzelnen Gemeinden bei Ihnen im Bistum haben dann auch die Freiheit zu sagen: "Wir machen das jetzt nicht oder wir machen es mit eigenen Regeln."
Kohlgraf: Die grundsätzlichen Regeln gelten. Die einzelnen Gemeinden müssen gucken, wie das für sie vor Ort umsetzbar ist. Wir haben auch Priester, die zur Risikogruppe gehören, da würde ich dann eher zur Vorsicht mahnen und zu Geduld, als das die sich jetzt aus pastoralem Eifer ins Getümmel stürzen und am Ende daraus vielleicht mehr Probleme als Chancen erwachsen. Das muss man wirklich vor Ort gut gucken. Ich habe auch ermutigt, dort wo es möglich ist, über andere Gottesdienstformen nachzudenken, wo man vielleicht sieht, dass eine Eucharistiefeier in diesem Raum schwierig wäre, aber es können sich ja auch drei Leute zum Rosenkranzgebet oder zur eucharistischen Anbetung oder zum Kreuzweg treffen. Da sollen die Gemeinden auch gucken was möglich ist.
Frage: Gibt es denn schon konkretere Überlegungen wie man das vom Bistum unterstützen kann?
Kohlgraf: Wir setzen regelmäßig Hilfen auf die Homepage, das wird auch weiter so bleiben, aber auch von vielen Pfarrern höre ich das. Sie bieten Gebetshilfen für kleine Familiengottesdienste oder für private Gebete an, die sie ins Netz stellen. Da ist zum Beispiel viel gewachsen und ich höre auch von Leuten, die mich ansprechen oder mir schreiben und sagen: "Wir wünschen uns gerade in dieser Übergangssituation, wo manche noch nicht in den lebendigen Gottesdienst vor Ort kommen können, dass diese Angebote auch weiterlaufen, um auch den Kontakt zu den Menschen zu halten, die derzeit vielleicht aus guten und persönlichen Gründen sich noch nicht diesem Risiko aussetzen möchten."
Frage: Ich weiß, dass die schwierigste Frage im Moment ist, in die Zukunft zu blicken. Sie haben ja gesagt, dass man jetzt Stück für Stück gucken muss, wie es weitergeht. Aber was geht Ihnen denn durch den Kopf? Sie haben ja schon die Sakramente gerade angesprochen. Firmung, Kommunion, das ist gerade nicht möglich. Dann haben wir in den nächsten Wochen auch das Fronleichnamsfest. Gibt es denn da schon Überlegungen, wie man mit diesen Dingen umgeht, wenn wir jetzt noch Monate lang in diesem Zustand sind?
Kohlgraf: Die großen Versammlungen wie Fronleichnam sehe ich im Moment für uns nicht als möglich. Das sage ich ganz ehrlich, wie das gehen soll weiß ich nicht. Vielleicht finden wir eine andere Form, aber darüber haben wir noch nicht gesprochen. Man muss jetzt auch erst einmal auf die gesetzlichen Vorgaben warten, was vielleicht in sechs Wochen für Großveranstaltungen gilt, das ist jetzt noch nicht absehbar. Im Moment rechne ich eher damit, dass Dinge ausfallen, als das sie in der großen Form stattfinden. Wie lange das alles geht, das vermag ich nicht zu sagen. Das glaube ich vermag auch die Politik derzeit nicht zu sagen, weil niemand die Entwicklungen absehen kann, auch gegebenenfalls eine zweite oder dritte Ansteckungswelle. Wir wissen ja gar nicht, was im Oktober oder im Dezember ist. Also wenn der Mainzer schon seine Fastnacht in Frage stellt, dann merkt man eigentlich schon wie ernst die Situation sein muss.
Frage: Hat Mainz da schon etwas zu gesagt? Köln, Aachen und Düsseldorf, die sagen, dass es stattfindet, aber man weiß noch nicht in welcher Form.
Kohlgraf: Was ich von Mainz wahrnehme ist, dass hier Signale kommen, dass es hier in der Form nicht stattfinden kann. So habe ich das in den Zeitungen gelesen. Ich weiß nicht wie endgültig die Entscheidungen jetzt sind, aber von den Fastnachtsvereinen kamen deutliche Signale.
Frage: Das ist eine viel schlechtere Note, als ich eigentlich enden wollte.
Kohlgraf: Das Leben geht ja weiter und wer weiß was für Formen von Hauskarneval oder Hausfastnacht sich entwickeln. Da muss man jetzt auch mal abwarten. Insofern würde ich dieses positive Signal schon an den Schluss setzen. Auf der anderen Seite genauso wie digitale Gottesdienste eine Möglichkeit sind Gottesdienst zu feiern, aber auch nicht das Gemeinschaftserlebnis in der üblichen Form ermöglichen, kann ich mir eine digitale Fastnacht eigentlich nur relativ schlecht auf Dauer vorstellen.
Frage: Sprechen wir nochmal drüber, wenn es so weit ist. Meine Abschlussfrage, die jeder beantworten muss: Was bringt Ihnen Hoffnung im Moment?
Kohlgraf: Was bringt mir Hoffnung? Also Hoffnung bringt mir mein Glaube, der mehr ist als nur eine billige Tröstung, dass alles irgendwann wieder gut wird. Mir macht auch Hoffnung, dass wir ehrlich gesagt immer noch in einer Gesellschaft leben, für die Solidarität, Gemeinsinn und Gemeinwohl auch eine Rolle spielen. Und ich glaube, dass das jetzt auch gerade in dieser Krise nicht den Bach heruntergegangen ist. Ganz im Gegenteil, sondern dass es auch viele Formen von Solidarität gegeben hat und ich wünsche mir, dass das auch weitergeht.