Theologe: "Unsinnig zu sagen: Ich nehme die Bibel wörtlich"
Der Mainzer Theologe Thomas Hieke wendet sich gegen einen Missbrauch von Bibeltexten. "Wie jedes Menschenwort ist auch die Bibel nicht ohne Auslegung, nicht ohne Interpretation zu verstehen. Schon jede Übersetzung ist eine Interpretation. Jedes Lesen, jedes Vorlesen ist schon eine Auslegung", sagte Hieke in einem am Donnerstag ausgestrahlten Interview des Deutschlandfunks. "Es ist auch unsinnig zu sagen: Ich nehme die Bibel wörtlich, denn das wäre auch Interpretation und noch dazu eine unangemessene."
Für ihn sei die Bibel ein "Schatz von Lebenserfahrungen von Menschen, und dieser Schatz, diese Lebenserfahrungen, sind zu Literatur kristallisiert", so Hieke, Autor des Buchs "Bibel falsch verstanden". Wenn Menschen diese Literatur behutsam läsen, profitierten sie von diesen Lebens- und Gotteserfahrungen. Ein "gelingendes Leben" sei das Ziel. "Wenn aber eine Auslegung der Bibel zum Leben nicht mehr befähigt, sondern vor dem Leben Angst macht, dann ist, glaube ich, die Auslegung falsch."
Zwei Säulen für richtige Interpretation der Bibel
Es gebe Interessen von Menschen, "die sich einen Text zu eigen machen, aber sich des Textes dann letztlich bemächtigen und den Text nicht mehr interpretieren, sondern gebrauchen und dann unter Umständen missbrauchen." Hieke wies darauf hin, dass man das gerne bei Muslimen kritisiere, den Koran für politische Interessen zu instrumentalisieren. "Aber das passiert auch mit der Bibel."
Um die Bibel richtig zu interpretieren, gebe es zwei Säulen, erklärte der Theologe. Es müsse stets auf den Kontext von Bibelstellen geschaut werden. "Also: nie aus dem Kontext heraus lösen." Und dann gebe es noch die "Auslegungsgemeinschaft". Hieke erklärte: "Davon gibt es ganz viele. Das ist jetzt nicht nur die römisch-katholische Kirche, das ist eigentlich jede Pfarrgemeinde, jeder Bibelkreis oder, wenn ich mit meinen Studierenden im Seminar sitze, sind wir auch eine Auslegungsgemeinschaft." (KNA)