So könnte die Zukunft der Kirche in Australien aussehen
Mehr Einfluss für Laien, eine größere Zahl von Frauen in Leitungspositionen und ein offener Umgang mit den Finanzen von Kirchengemeinden und Diözesen – diese Änderungsvorschläge macht diversen Medien zufolge ein Bericht zu neuen Leitungsstrukturen in der katholischen Kirche von Australien. Die Bischöfe des Landes hatten das Papier bei einer siebenköpfigen Expertengruppe auf Empfehlung der "Royal Commission" in Auftrag gegeben, die die Vorwürfe des sexuellen Missbrauchs an Minderjährigen in der Kirche geprüft hatte. Das staatliche Gremium zur Verfolgung von Kindesmissbrauch hatte in der Kirche des Landes "eine Kultur des ehrerbietigen Gehorsams" ausgemacht, die jahrzehntelangen Missbrauch förderte und dessen Vertuschung ermöglichte. Auch viele Bischöfe des Landes hatten ein "katastrophales Versagen" der Kirche eingeräumt und ihren Willen zu Veränderungen bekräftigt.
Die konkreten Vorschläge des etwas mehr als 200 Seiten umfassenden Berichts ist bislang noch geheim und liegt nur der Australischen Bischofskonferenz vor. Diese hatte Anfang der Woche die 86 Punkte für eine Erneuerung der kirchlichen Leitungsstrukturen offiziell begrüßt und angekündigt, sich auf ihrer kommenden Vollversammlung im November intensiv mit den Ergebnissen der Expertengruppe auseinanderzusetzen. Die Bischöfe sehen in dem Papier "weitreichende Auswirkungen für Leben und Sendung der Kirche", wie der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Brisbanes Erzbischof Mark Coleridge, sagte.
Die Experten rund um den ehemaligen Richter und Vorsitzenden des "Truth, Justice and Healing Council" Neville Owen arbeiteten 15 Monate an ihrem Bericht. Owen ist gläubiger Katholik und beschäftigt sich an der Spitze des kirchlichen Council bereits seit vielen Jahren mit der Aufarbeitung und Untersuchung von Kindesmissbrauch durch Kirchenmitarbeiter. Die Arbeit der im vergangenen Jahr eingesetzten Expertengruppe sollte nach Vorgabe der Bischöfe "im Licht der katholischen Ekklesiologie" stattfinden. Recherchen australischer Medien zufolge haben Owen und sein Team vorgeschlagen, dass die Bischöfe ihre Beschlüsse künftig nicht mehr allein treffen, sondern gemeinsam mit entsprechend ausgebildeten Laien entscheiden sollen und auch von diesen in ihren Entscheidungen überprüft werden sollen.
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Dazu sollen auf allen Strukturebenen Räte eingerichtet werden, die paritätisch mit Frauen und Männer besetzt sind. Außerdem machten die vornehmlich aus dem kirchlichen Umfeld stammenden Experten das Fehlen von professionellen Leitungsstrukturen in zahlreichen kirchlichen Einrichtungen aus. Zur Behebung dieses Missstandes sollen sie vorschlagen, dass sich die Kirche an allgemeingültigen Standards orientiert sowie eine Rechenschaftspflicht und regelmäßige Finanzreporte einführt.
Besonders bei den Finanzen sehen sie Handlungsbedarf, da kirchliche Wohltätigkeitsorganisationen bislang von einer umfassenden Berichtspflicht in diesen Belangen an staatliche Einrichtungen ausgenommen sind. Außerdem hatte die Kirche den Wert ihrer Besitzungen in der Vergangenheit bei Behörden zu gering angegeben, um weniger Zahlungen an Missbrauchsopfer leisten zu müssen. Doch an diesem Punkt hatten die Bischöfe bereits Verbesserungen versprochen. Melbournes Erzbischof Peter Comensoli sagte vor Kurzem in einem Zeitungsinterview, dass "wir uns einem jährlichen Bericht irgendeiner Art annähern". Details müssten jedoch noch abgestimmt werden.
Reformgruppen halten Umgang mit Bericht für "höchst ironisch"
Würden die Vorschläge des Berichts der Expertengruppe auch nur teilweise umgesetzt, steht der Kirche in Australien ein Paradigmenwechsel bevor, wie Beobachter meinen. Eventuelle Änderungen hin zu einer synodaleren Kirche, in der Bischöfe freiwillig Macht an ungeweihte Männer und Frauen abgeben, könnte ihrer Meinung nach auch Symbolwirkung für andere Länder haben. Doch während einige kirchliche Reformgruppen die in den Medien veröffentlichten Vorschläge des Berichts begrüßen, halten andere eine Veränderung der Kirchenstrukturen für unwahrscheinlich.
So bezeichnen sie es als "höchst ironisch", dass sich die Bischöfe weigern, einen Bericht zu veröffentlichen, der sie zu größerer Transparenz auffordert. Viele Laien wollen den Bischöfen nicht allein die Entscheidung überlassen, wie mit den Vorschlägen des Papiers umzugehen ist, sondern darüber öffentlich beim für das kommende Jahr einberufenen Plenarkonzil der australischen Kirche diskutieren. Vielleicht können die australischen Katholiken auf diese Weise einen Weg aus der größten Krise ihrer 200-jährigen Geschichte finden, die durch die Missbrauchsfälle ausgelöst wurde.