Umstrittene Gruppe in Benin

Pfarrer Vigan gründet nach Exorzismus eine Sekte und wird Papst

Veröffentlicht am 23.06.2020 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Banamè ‐ Er sollte ihr die Dämonen austreiben, doch dann glaubt ein Priester einer jungen Frau, dass sie Gott sei. Er erklärt sich zum Papst und bricht mit der Kirche. Nach den skurrilen Vorgängen in Benin hat die Kirche nun endgültig ein Machtwort gesprochen.

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Es gibt Geschichten, die klingen wie aus einem mittelmäßigen Hollywoodfilm – zu unglaubwürdig ist die Handlung. Doch was in Benin geschehen ist, hätte sich wohl noch nicht einmal ein Autor in der Traumfabrik vorstellen können.

Alles beginnt im Januar 2009 in Banamé, einem kleinen Dorf in der Nähe der Bistumsstadt Abomey. Pfarrer von Sainte-Odile ist seit einigen Jahren Mathias Vigan, der auch als Exorzist arbeitet. In Benin sind Exorzismen nicht so außergewöhnlich wie in anderen Erdteilen: Der Glaube an böse Geister und Hexerei ist dort verbreitet. So ist es keine Seltenheit, dass auch zu Pfarrer Vigan Menschen kommen, die glauben, von einem Dämon besessen zu sein – oder angeblich heimgesuchte Verwandte mitbringen.

Ein solcher Fall begegnet Vigan auch an diesem Januartag. Eine Frau bringt ihre Nichte Vicentia Tadagbé Tchranvoukinni zu ihm, die damals zwischen 16 und 19 Jahre alt ist – über ihren bisherigen Lebensweg gibt es widersprüchliche Angaben. Vicentia geht es seit einiger Zeit nicht so gut, sie fühlt sich krank, hat Lähmungserscheinungen, isst nicht mehr und ihre schulischen Leistungen lassen nach. Für ihre Tante Anzeichen von Besessenheit. Also beginnt Vigan über einen längeren Zeitraum eine ganze Reihe von Exorzismen. Doch diese entwickeln sich anders als gedacht. Nach zwei Wochen Sitzungen und Gebeten sagt Vicentia dem Pfarrer, dass sie Offenbarungen erhalten habe, nun von allen Sünden frei sei und göttliche Gaben bekommen habe. Sie nennt sich nun Parfaite, die Perfekte.

Eine junge Frau wird zu Gott

Vigan glaubt ihr und nimmt sie in seinem Haus auf. Schnell kommen Pilger zu der jungen Frau, auch viele katholische Priester und Ordensleute wollen dort Wunder erfahren haben. Am Karfreitag dieses Jahres behauptet Parfaite dann, eine Botschaft von der Jungfrau Maria erhalten zu haben und bezeichnet sich nun als Heiligen Geist. Letztendlich behauptet sie von sich, "Daagbo" zu sein, also Gott. Laut ihren Erzählungen ist sie im Himmel als ein "Tabernakel" Gottes erschaffen und von einem Erzengel auf die Erde gebracht worden. Bald kommt noch eine weitere junge Frau dazu: Nicole Soglo war drei Monate vorher bei Mathias Vigan zum Exorzismus gewesen. Sie wird von der Gottesperson nun zur Repräsentation der Heiligen Maria erklärt, die das Böse besiegen könne.

Mithilfe der beiden Frauen baut Vigan eine Gemeinschaft auf, die mit Offenbarungen und Heilungen wirbt  – und erfolgreich Leute anzieht. Das ruft natürlich das Bistum auf den Plan: Der Bischof von Abomey, Eugène Cyrille Houndékan, lehnt die Gruppe ab und bezeichnet sie als abweichlerische Sekte. Vigan wird offiziell von der Pfarrei abgezogen und mehrmals versetzt, kehrt aber immer wieder nach Banamè zurück. 2011 wird dann offiziell die (unter wechselnden Namen operierende) "Heiligste Kirche Jesu Christi, Mission Banamè" gegründet, Vigan daraufhin suspendiert. Der ruft sich im November 2012 dann selbst zum "Papst Christoph XVIII." aus, nachdem Daagbo ihn dazu ernannt hat. Zwei Monate später werden er und Daagbo gemeinsam mit allen ihren Anhängern von Houndékan exkommuniziert. Katholiken wird verboten, an Zeremonien der abgespalteten Gemeinschaft teilzunehmen. Den Pilgerzustrom reduziert das nicht. Vielmehr weiht Vigan Priester, Bischöfe und Kardinäle und teilt sie selbsterrichteten Diözesen zu. Anhänger der Sekte gibt es mittlerweile weltweit.

Bild: ©Youtube

So präsentiert sich Daagbo in Videos der Sekte.

Die Gruppe um Daagbo will die Welt vom Bösen befreien und die katholische Kirche erneuern. Anstatt in Rom soll sich das Zentrum der Christenheit nun in Banamè befinden. Zudem will sie das Böse bekämpfen. Daagbo sieht sich als Erfüllung der Prophezeiungen etwa von Lourdes, Fatima oder Medjugorje.

Negative Schlagzeilen

So skurril die Bewegung zunächst anmutet, hat sie doch für negative Schlagzeilen gesorgt. Benin ist ein multireligiöses Land, in dem Katholiken und Muslime gemeinsam mit den Anhängern evangelikaler und Pfingstkirchen sowie traditioneller Religionen leben. Lange Zeit war das Zusammenleben dieser Gruppen friedlich, dagegen macht die Kirche aus Banamè allerdings Stimmung. So hetzt Daagbo regelmäßig gegen die katholische Kirche. Sie wirft den Bischöfen unter anderem vor, sich durch die Ablehnung ihrer Gruppe gegen den Heiligen Geist zu stellen und bezeichnet sie als Verbündete des Teufels, als Zauberer, Mafiosi und Freimaurer. Zudem kommt es immer wieder zu Zusammenstößen von Sektenmitgliedern mit den Gläubigen anderer Gemeinschaften. Dazu kommen verbale Angriffe etwa auf Voodoo-Anhänger.

Wegen ihrer Größe ist die Banamè-Kirche auch ein politischer Faktor in Benin geworden. So unterstützt Daagbo bei den Präsidentschaftswahlen 2016 den Kandidaten Patrice Talon, der dann unerwartet gegen den Favoriten Boni Yoyi gewinnt. Seitdem erfährt der Präsident immer wieder Unterstützung aus der Kirche – was in der Mehrheitsgesellschaft mindestens für Unbehagen sorgt.

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Für Aufregung hat die Kirche auch 2017 gesorgt. Mit Holzkohle und Weihrauch sind Anhänger in ein versiegeltes Haus eingebrochen, um ihre Seelen zu reinigen. Mindestens vier Menschen ersticken bei diesem Ritual. Zwar gibt es Beschuldigungen gegen Leitungsfiguren der Banamè-Kirche, zu einem Prozess ist es bisher allerdings nicht gekommen. Weiterhin werden Daagbo und weitere Sektenvertreter der Selbstbereicherung bezichtigt. Durch Eintrittskarten für Zeremonien und den Verkauf von heiligen Salzen und Ölen zur Abwehr von Dämonen soll viel Geld angehäuft worden sein. Mitte 2019 hat ein Gericht die Konten unter anderem von Daagbo eingefroren, eine weitere Anklage ist möglich. Vertreter der Sekte tun all diese Anschuldigungen als konzertierte Propaganda der katholischen Kirche ab.

Es wird stiller

Anfang Juni 2020 verkündete die Bischofskonferenz Benins auf ihrer Vollversammlung, dass der Vatikan Mathias Vigan bereits Ende März aus dem Priesterstand entlassen hat. Man habe Vigan oft genug gewarnt, heißt es aus Rom. Nun sei er nach Suspendierung und Exkommunikation auch kein Priester mehr. Seine Weihe ist damit nicht ungültig, diese zurückzunehmen ist nicht möglich. Allerdings verliert Vigan damit seine priesterlichen Rechte und Pflichten, darf also keine Sakramente mehr spenden. An den Zölibat muss er sich aber weiterhin halten. (Can. 290ff. CIC)

Auch abseits der Entscheidung der katholischen Kirche scheint es für Daagbo, Vigan und deren Anhänger gerade nicht besonders gut zu laufen. Nicht zuletzt wegen der Skandale der letzten Jahre hat die Kirche aus Banamè Mitglieder verloren und zieht auch nicht mehr so viele neue an wie in der Anfangszeit. Die Zahl der Priester ist gesunken, die der Kardinäle hat sich halbiert. Dieser Niedergang hat dazu geführt, dass die Botschaften von Daagbo, verbreitet vor allem durch den sekteneigenen Youtube-Kanal, zuletzt deutlich gemäßigter geworden sind. Ob das der Kirche wieder Aufwind verschaffen kann, ist ungewiss. Daagbo hat jedenfalls schon verkündet, an ihrer göttlichen Mission festzuhalten.

Von Christoph Paul Hartmann