Ellen Ammann: Eine Diakonin in der katholischen Kirche
Über die Rolle der Frau in der katholischen Kirche wird seit Jahrzehnten gestritten. Eine Schlüsselfrage lautet, ob ihnen auch Weiheämter zugänglich gemacht werden sollten, wenigstens die unterste Stufe, das Diakonat. In der Reformdebatte Synodaler Weg zählt das Thema zu den heißen Eisen. Doch Diakoninnen gibt es längst, nur dürfen sie offiziell nicht so heißen.
Die Frage, ob sie eine Diakonin sei, beantwortet Dagmar Petermann (74) ohne zu zögern mit: "Ja, natürlich." Die verwitwete Mutter zweier erwachsener Kinder wohnt in Olching bei München und leitet das Säkularinstitut "Ancillae Sanctae Ecclesiae" (ASE), eine kleine geistliche Gemeinschaft von 30 Frauen, die quer verteilt über Deutschland leben. Sie ist die einzige Vereinigung ihrer Art weltweit, in der unverheiratete und verheiratete Katholikinnen miteinander einen spirituellen Weg gehen. Und sie untermauern es durch feierlich einander versprochene Gelübde, so wie es auch Ordensleute tun.
Ursprünglich hieß die Gemeinschaft "Vereinigung katholischer Diakoninnen". Nie hatte sie mehr als 160 Mitglieder. Ihre Gründerin Ellen Ammann (1870-1932) liegt auf dem Alten Südfriedhof in München begraben. Am 1. Juli wäre ihr 150. Geburtstag.
Ammann war eine sozial und christlich bewegte Pionierin der Frauenbewegung. Etliche Institutionen sind mit ihrem Namen verbunden: die Bahnhofsmission, der Katholische Deutsche Frauenbund (KDFB) in Bayern, die Katholische Stiftungshochschule in München, auch die Polizeiseelsorge. Die gebürtige Schwedin zog 1919 als eine der ersten weiblichen Abgeordneten in den Bayerischen Landtag ein und trug 1923 maßgeblich zur Vereitelung des Hitler-Putsches in München bei.
HTML-Elemente (z.B. Videos) sind ausgeblendet. Zum Einblenden der Elemente aktivieren Sie hier die entsprechenden Cookies.
Kaum bekannt ist eine Seite ihrer Frömmigkeit, die sie selbst vor ihrem Ehemann geheimhielt. Gegen seinen Wunsch schloss sie sich mit einigen Gefährtinnen 1914 einer franziskanischen Drittordensgemeinschaft an. Doch sie wollte noch etwas anderes, und dazu inspirierte sie nicht zuletzt der in Straßburg lehrende Bibelwissenschaftler Michael Faulhaber.
Der Professor hielt 1909 in Darmstadt einen Vortrag über den Diakonat der Frau. Als er 1917 Erzbischof von München und Freising wurde, nahm Ammann sofort zu ihm Kontakt auf. Dem Wunsch der Frauen nach einer förmlichen Weihe konnte er zwar nicht entsprechen, aber am 10. Oktober 1919 legte Ammann gemeinsam mit sieben weiteren Frauen vor ihm in seiner Hauskapelle ihre Gelübde ab. Mit Faulhabers Segen gab sich die Gruppe ihren ursprünglichen Namen. Der Erzbischof weihte für jede Frau eine Kerze, einen Ring und eine Medaille.
Frauen hadern mit Bezeichnung "Mägde"
Mit der Gründung einer sozial-karitativen Frauenschule trieb Ammann die Professionalisierung der Sozialarbeit voran, die anfangs rein weiblich dominiert war. Aber der Katholikin ging es um mehr, um eine Berufung: Aus ihrem Glauben heraus schwebte ihr ein dritter Stand für Frauen vor, neben den traditionellen Rollen der Ordens- und Ehefrau: eine "heilige Schar", die sich christlicher Wohltätigkeit verschreibt und dafür auch ein gemeinsames spirituelles Leben pflegt. Die Idee fand Anklang bei Faulhaber. Er stand den Diakoninnen in den Anfangsmonaten als spiritueller Begleiter zur Seite.
1952 musste sich die Gruppe auf römisches Geheiß umbenennen. Mit der neuen Bezeichnung als "Mägde" der katholischen Kirche sind die Frauen bis heute alles andere als glücklich. Sie selbst sprechen von sich als "Frauen der Kirche im Dienst an der Welt". Ihren Diakonat leben sie im Alltag mit individueller Ausprägung. Manchmal spielt der Beruf eine Rolle, etwa bei einer Krankenschwester, manchmal das Ehrenamt wie bei Petermann, die sich im katholischen Frauenbund engagiert.
Diskretion ist für die Gruppe von Anfang an wichtig. Niemand soll erfahren, wer der Vereinigung angehört. Wegen der jahrzehntelang geübten Zurückhaltung ist die Gemeinschaft trotz ihrer päpstlichen Anerkennung bis heute selbst in Kirchenkreisen so gut wie unbekannt. Im Erzbistum München und Freising gilt ihre Gründerin indes als heiße Kandidatin für ein Seligsprechungsverfahren.