Georg Ratzinger ist gestorben
Georg Ratzinger ist tot. Wie katholisch.de aus Kreisen des Bistums Regensburg erfuhr, ist der Bruder des emeritierten Papstes Benedikt XVI. im Alter von 96 Jahren in Regensburg gestorben. Genauere Umstände sind derzeit noch nicht bekannt.
Vor zwei Wochen hatte der Papst-Bruder einen letzten Besuch des emeritierten Papstes erhalten, bei dem die beiden Brüder voneinander Abschied nahmen. Die fünftägige Abschiedsreise war kurzfristig aufgrund des sich verschlechternden Gesundheitszustands von Georg Ratzinger anberaumt worden. Der Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer bezeichnete den Besuch als "Reise der Menschlichkeit". Bei ihren privaten Begegnungen wurden die Brüder abgeschirmt, öffentliche Termine gab es keine. Ihr Verhältnis gilt als eng; regelmäßig hatte Georg seinen Bruder im Vatikan besucht, fast täglich sollen sie telefoniert haben. Ursprünglich hatten die Brüder ihren Lebensabend zusammen in Regensburg verbringen wollen. Georg Ratzinger lebte bis zuletzt in der Regensburger Innenstadt.
Voderholzer nahm mit persönlichen Worten Abschied: "Lieber Domkapellmeister, Sie waren mir ein priesterlicher Mitbruder und Ratgeber. Ihre Musik war Gebetsschule, Glaubensunterweisung und Predigt. Unzählige Eucharistiefeiern im Regensburger Dom und in anderen Kirchen verdanken Ihrem Dirigat Schönheit, Herzenswärme und Erhabenheit. Konzertsäle konnten Sie in Gebetshäuser verwandeln." Er danke Ratzinger "für diesen ganz besonderen priesterlichen Dienst" in tiefer Verbundenheit, so der Bischof. Auf der Website der Regensburger Domspatzen hieß es zum Tod Ratzingers: "Die Gesänge seiner Domspatzen werden ihn in den Himmel begleiten." Zudem wollen die Sänger die Totenmesse für ihren langjährigen Leiter musikalisch gestalten. Domkapellmeister Christian Heiß sagte über Ratzinger: "Ohne ihn wäre ich nicht das, was ich heute bin." Heiß' Vorgänger Roland Büchner sagte: "Er verkörperte die Verbindung von Priester und Musiker in idealer Weise, war Vorbild und Orientierung für Generationen von Domspatzen."
Wenige Minuten nach Bekanntwerden der Nachricht kondolierte der Vorsitzende der Polnischen Bischofskonferenz, Erzbischof Stanisław Gądecki, über seinen Twitter-Account: "Im Namen der Polnischen Bischofskonferenz möchte ich mein aufrichtiges Beileid zum Tod von Mons. Georg Ratzinger seinem Bruder Papst em. Benedikt XVI., seiner Familie und seinen Angehörigen sowie der Kirche in Deutschland zum Ausdruck bringen." Auch der Münchner Kardinal Reinhard Marx kondolierte: "Als Erzbischof seines Heimatbistums fühle ich mich dem verstorbenen Georg Ratzinger und auch seinem Bruder ... sehr verbunden." In dieser Situation fühle er sich besonders dem Papst emeritus nahe, der seinen Bruder verloren habe. "Mit seinem Besuch in Regensburg hat er ein Zeichen echter christlicher Nächstenliebe gesetzt", so Marx.
30 Jahre lang Domkapellmeister in Regensburg
Ratzinger wurde 1924 in Pleiskirchen bei Altötting geboren. 1951 wurde er zusammen mit seinem Bruder von Kardinal Michael von Faulhaber zum Priester der Erzdiözese München und Freising geweiht. Neben seinem priesterlichen Dienst studierte er Kirchenmusik an der Münchner Musikhochschule. Nach seinem ersten Engagement als Chordirektor in Traunstein wurde er 1964 als Domkapellmeister an den Regensburger Dom berufen, wo er damit auch den Domspatzen vorstand. In Ratzingers Amtszeit, die 1994 endete, fiel unter anderem das 1.000-jährige Jubiläum des berühmten Knabenchors. Neben seiner Tätigkeit als Dirigent wirkte er auch als Komponist. Unter anderem schrieb er eine Messe zum Heiligen Jahr 2000 und einen Satz zu "O du fröhliche", der von den Domspatzen gerne als Zugabe gegeben wurde. Mit mehr als 1.000 Konzerten auf der ganzen Welt festigte Ratzinger den Ruf des Knabenchors. Ratzinger hinterlässt seinen Bruder Joseph, die 1921 geborene Schwester Maria starb bereits 1991 im Alter von 69 Jahren.
Einen Schatten auf Ratzingers Tätigkeit bei den Domspatzen werfen Missbrauchsfälle. Bei den Domspatzen gab es nach Angaben des vom Bistum Regensburg beauftragten Rechtsanwalts Ulrich Weber zwischen 1953 und 1992 mindestens 231 Fälle von Misshandlung, in wenigstens 62 Fällen kam es zu sexueller Gewalt. 2017 wurde der Bericht des unabhängigen Sonderermittlers zu Missbrauch und Gewalt bei den Domspatzen veröffentlicht. Ihm zufolge habe Ratzinger von vielen Vorfällen gewusst, sei aber nicht eingeschritten.
Büchner, Ratzingers Nachfolger als Domkapellmeister, sagte einmal über seinen Vorgänger, er habe ihn "als herausragenden Musiker erlebt, der impulsiv, ja fanatisch sein konnte, wenn er seine Vorstellungen von musikalischer Qualität durchsetzte". Danach habe er "der sanftmütigste Mensch der Welt" sein können. "Manche Schüler sahen ihn als Vorbild, andere fürchteten ihn als Schläger." Es habe "ein System der Angst" geherrscht. "Das muss ans Licht, auch wenn es weh tut." Laut einer Pressemeldung des Bistums Regensburg aus dem Jahr 2016 begrüßte Ratzinger die rückhaltlose Aufklärung des Missbrauchs bei den Domspatzen, nachdem er zuvor gegenüber dem Bayerischen Rundfunk die "Kampagne" als "Irrsinn" bezeichnet hatte.
Am Abend wurde bekannt, dass Georg Ratzinger seine letzte Ruhe nicht im Grab seiner Familie finden wird. Er wird im Stiftungsgrab der Domspatzen auf dem unteren Katholischen Friedhof in Regensburg begraben, wie das Management des Knabenchors laut Medienberichten mitteilte. Soweit es die Corona-Beschränkungen zulassen, werden die Domspatzen das Requiem für ihren ehemaligen Chorleiter gestalten. Ratzingers Leichnam soll nach Angaben des Bayerischen Rundfunks in der Stiftskirche St. Johann neben dem Dom aufgebahrt werden. Dort wird die Öffentlichkeit Gelegenheit haben, Abschied nehmen zu können. Außerdem sollen ein Rosenkranzgebet und ein Requiem im Regensburger Dom geplant sein. (fxn)
Wird laufend ergänzt.