Segnet Menschen, keine Gitter!
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Zugegeben: Was Gitter angeht, ist das nun neu an der Nordseite des Kölner Doms angebrachte eines der schöneren. Drei Meter hoch, 47 Meter lang, edel schmiedeeisern auf höchstem handwerklichen Niveau errichtet, kunstvolle und witzige Details bis hin zum eisernen Miniatur-Prälaten. Jetzt hat es auch noch einen Segen. Während anderswo die beispiellos hohen Kirchenaustrittszahlen diskutiert werden, segnet in Köln anlässlich des Patroziniums der Hohen Domkirche St. Petrus der Dompropst emeritus höchstselbst – ein Metallgitter.
Schon die völlig ironiefreie Pressemitteilung des Metropolitankapitels mit der Ankündigung der Zeremonie sorgte für Kopfschütteln – zu naheliegend die Nachfrage: Unter großem Bahnhof wird ein Metallgitter feierlich gesegnet, das die sehr profane Aufgabe hat, Wildpinkler, Andenkensammler und andere Vandalen von der Dommauer fernzuhalten – dafür ist Segen über? Über einen barmherzigen Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen und den Segen nicht für Zäune, sondern für Menschen, die sich zwar gegenseitig lieben, dabei aber den oder die Falsche lieben, debattiert die Kirche seit Jahren.
Segen ist mit das Wertvollste, was die Kirche den Menschen zu bieten hat – der Zuspruch Gottes. Dazu gehört auch, Gegenstände und ihre Nutzung in den Kontext des Heils zu stellen, das Benediktionale ist voll davon. Sogar eine eigene Rubrik für die "Segnung jeglicher Dinge" gibt es da unter der Nummer 99. Mauern und Gitter kommen allerdings nicht vor, und wenn Christen im Gleichnis an die "Hecken und Zäune" geschickt werden, sind damit auch eher die Ränder der Gesellschaft gemeint, nicht Schutzmaßnahmen an der kirchlichen Zentrale.
Die Gitter-Segnung sollte wohl schöne Bilder liefern. Fromme volkskirchliche Folklore, eine Kernkompetenz der Kirche. Bezeichnend ist, was die von der Pressestelle des Doms verbreiteten Bilder zeigen: Eine Gruppe älterer Herren in schwarz, die sichtlich Freude an ihrer kleinen Feier haben und mit sich zufrieden sind. Bezeichnend ist auch, was die Bilder nicht zeigen: Eine Gruppe von Frauen der Protestbewegung Maria 2.0 steht ebenfalls am Gitter. Ihre Forderung ist der beste Kommentar zu diesem kuriosen Vorgang: "Segnet Menschen, keine Gitter!"