Nur der Pfarrer soll leiten: Rom zementiert den Klerikalismus
Die Kleruskongregation zündet viele pastorale Nebelkerzen in ihrer neuen Instruktion zur "pastoralen Umkehr der Pfarrgemeinde im Dienst der missionarischen Sendung der Kirche", bevor sie jeden Versuch einer partizipativen Pfarreileitung so deutlich wie nie ausschließt. Nimmt man sie ernst, wird das in vielen deutschen Bistümern einen empfindlichen Abbau an Beteiligungsrechten der Laien bedeuten. Die Instruktion dürfte alle vor den Kopf stoßen, die sich in den letzten Jahren bemüht haben, auf den Priestermangel zu reagieren und das Leben in den Pfarreien trotzdem organisatorisch abzusichern – und sie ist ein Dokument eines zumindest von Optimisten überwunden geglaubten totalen Klerikalismus.
Die Beobachtungen in den ersten Kapiteln der Instruktion sind durchaus treffend. Dass die territoriale Ausrichtung von Pfarreien etwa ihre Selbstverständlichkeit verliert angesichts gestiegener Mobilität und Digitalisierung. Dass die "bloße Wiederholung von Aktivitäten, die das Leben der Menschen nicht berühren" sterile Überlebensversuche sind, die oft mit "allgemeiner Gleichgültigkeit zur Kenntnis genommen" werden, ist eine so schmerzhafte wie zutreffende Beobachtung, gerade angesichts der aktuellen Entwicklungen der Kirchenbindung nicht nur in Deutschland.
Zeitdiagnose ohne Folgen
Kurios wirkt die Zeitdiagnose allerdings dann, wenn ein pfarrliches Leben aus "der Evangelisierung innewohnenden spirituellen Dynamik" angemahnt wird – und der Kongregation strukturell dann doch nur einfällt, eine möglichst scharfe Trennung zwischen dem Leitungsamt des Priesters und der Weltverantwortung der Laien einzuziehen. Überraschenderweise ist die Konsequenz aus dem Hören auf die Zeichen der Zeit nämlich, möglichst wenig zu verändern, möglichst wenige Strukturen zu hinterfragen, möglichst stark die Leitungsrolle des Pfarrers zu betonen.
„Den kirchenrechtlichen Rechtfertigungsstrategien, denen sich vor allem im deutschsprachigen Raum viele Akademietagungen, kanonistische Beiträge und bischöfliche Reformer gewidmet haben, schiebt die Kleruskongregation explizit einen Riegel vor.“
Ganz überraschend kommt das nicht. Schon die Ablehnung der Trierer Pfarreireneform durch Rom hing damit zusammen, dass die angestammten Vorrechte der Pfarrer nicht angemessen zur Geltung kamen. Die verschiedenen Modelle der Gemeindeleitung durch Laien, wie sie seit Jahrzehnten in der Schweiz und in jüngerer Zeit auch in verschiedenen deutschen Diözesen praktiziert werden, basierte kirchenrechtlich schon immer auf einer besonders weiten und beteiligungsfreundlichen Auslegung des can. 517 § 2 CIC. Der Wortlaut wurde maximal gedehnt: "Wenn der Diözesanbischof wegen Priestermangels glaubt, einen Diakon oder eine andere Person, die nicht die Priesterweihe empfangen hat, oder eine Gemeinschaft von Personen an der Wahrnehmung der Seelsorgeaufgaben einer Pfarrei beteiligen zu müssen", heißt es dort, dann muss trotzdem ein Priester die Seelsorge leiten und die Vollmachten und Befugnisse eines Pfarrers ausüben.
Den kreativen Füllungen und kirchenrechtlichen Rechtfertigungsstrategien, denen sich vor allem im deutschsprachigen Raum viele Akademietagungen, kanonistische Beiträge und bischöfliche Reformer gewidmet haben, schiebt die Kleruskongregation nun explizit einen Riegel vor und kassiert mit der Absage an "Leitungsteams", "Leitungsequipes" oder ähnlichen Begriffen nicht nur Bezeichnungen, sondern desavouiert im Nebensatz ohne Würdigung der Erfahrungen Lösungen wie das international beachtete und geschätzte Gemeindeleitungsmodell der Diözese Poitiers, das auf "Equipes" aus beauftragten Laien aus der Mitte der Pfarrei basiert.
Keine Zusammenarbeit auf Augenhöhe mit dem Pfarrer
Die seit Jahrzehnten erfolgreich praktizierte gemeinsame Verantwortung der kooperativen Leitung des "Rottenburger Modells", das seit 1968 im Bistum Rottenburg-Stuttgart angewandt wird, dürfte mit dieser Instruktion kaum kompatibel sein, und selbst bescheidenere Möglichkeiten wie der Verzicht des Pfarrers auf den Stiftungsratsvorsitz, der in der Nachbardiözese Freiburg möglich ist, findet keinen Gefallen. Der Pfarrer ist der "verantwortliche Verwalter des pfarrlichen Vermögens".
Die in Teilen der Welt praktizierte Zusammenarbeit auf Augenhöhe ist den Autoren der Instruktion ein Graus: Nicht nur Leitungsteams aus Priestern und Laien sind nicht zulässig. Deutlich wird eingeschärft, dass selbst in den pfarrlichen Räten der Pfarrer nicht Mitglied eines Gremiums ist – das könnte die Rolle des Pfarrers verunklaren: "Es ist daran zu erinnern, dass der Pfarrer nicht zu den Mitgliedern des Vermögensverwaltungsrates zählt, sondern ihn leitet." Immerhin ist der Pfarrer gehalten, die Vorschläge der Räte "wohlwollend zu prüfen" und "aufmerksam zu bedenken".
Die Einrahmung der engen Auslegung bestehender Normen durch eine angebliche Sorge um eine missionarische Kirche ist eine Farce. Völlig unverbunden stehen die Erwägungen von Papst-Worten und Konzilsdokumenten vor und nach den Regeln. Warum eine Zementierung der klerikalen Überhöhung des Priesters als alleiniger Letztverantwortlicher in allen Dingen der Evangelisierung dienen soll, bleibt ein Geheimnis der Autoren. Geradezu komisch wirkt es, wenn die maximal konservative Auslegung des Kirchenrechts – die in einigen Teilen der Weltkirche nicht nur konservativ, sondern reaktionär wirken wird – damit gerechtfertigt wird, dass die historische Institution Pfarrei "nicht in der Unbeweglichkeit oder in einer Besorgnis erregenden pastoralen Monotonie gefangen" bleiben soll.
Römische Selbstbezüglichkeit
Typisch für die Form römischer Dokumente ist der Fußnotenapparat ein Beispiel für kirchliche Selbstbezüglichkeit: Fast ausschließlich das Kirchenrecht und Äußerungen des Lehramts werden zitiert. Hat die Kleruskongregation die wissenschaftlichen und pastoralen Debatten der letzten 50 Jahre zur Kenntnis genommen? Weiß sie, wie Gemeinden in der Schweiz, in Poitiers, in Rottenburg-Stuttgart funktionieren, was sich dort bewährt hat und was nicht? Hat sie je mit einem Laien-Gemeindeleiter aus Osnabrück oder einer Stiftungsratsvorsitzenden in Freiburg gesprochen? Auf eine ökumenische Weitung des Blicks darauf, wie Christen anderer Konfessionen mit denselben Herausforderungen umgehen, wagt man schon gar nicht zu hoffen.
„Eine Struktur soll für die ganze Welt verbindlich gemacht werden, ohne Respekt vor gewachsenen Traditionen und Organisationskulturen.“
Hilfreiche Hinweise für die sehr verschiedenen Ortskirchen der Weltkirche gibt die Kleruskongregation jedenfalls nicht; eine Struktur soll für die ganze Welt verbindlich gemacht werden, ohne Respekt vor gewachsenen Traditionen und Organisationskulturen – und ohne Rücksicht darauf, dass viele der dem Pfarrer vorbehaltenen Aufgaben weniger Hirtensorge als Verwaltung darstellen.
Symptomatisch ist ein Zitat von Papst Franziskus, das die typische verbale Aufgeschlossenheit bei vollständiger Verhaltensstarre des kirchenamtlichen Handelns aufzeigt: "Wie notwendig sind die Pastoralräte!", heißt es ganz euphorisch in einer Ansprache von 2013 anlässlich einer Begegnung mit Mitgliedern von Pastoralräten in Assisi. "Ein Pfarrer kann die Pfarrei ohne die pastoralen Räte nicht leiten!" Was für den Laien wie ein Plädoyer für eine gemeinsame Verantwortung klingt, ist für den Kirchenrechtler nur rhetorisches Dekor, eine Verschleierung der tatsächlichen Machtverhältnisse in der Pfarrei. Die sind nämlich mit dieser Instruktion immer noch da, wo sie schon beim Pfarrer von Ars waren, egal wie oft man das Zweite Vatikanum auch bemüht: "Der Priester ist ein Mensch, der Gottes Stelle vertritt, ein Mensch, der mit Gottes Vollmacht bekleidet ist."