Theologe Biesinger: Beitrag zur Selbstzerstörung

ZdK-Präsident Sternberg kritisiert Vatikan-Papier zu Gemeindereformen

Veröffentlicht am 21.07.2020 um 18:37 Uhr – Lesedauer: 
Thomas Sternberg, Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK).
Bild: © KNA

Osnabrück/Tübingen ‐ Die Instruktion zu Gemeindereformen verfehle die Realität der katholischen Kirche in Deutschland, kritisiert Thomas Sternberg. Der Synodale Weg werde davon nicht gestoppt, so der ZdK-Präsident. Theologe Albert Biesinger nennt das Dokument "arrogant".

  • Teilen:

Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Thomas Sternberg, hat das neue Vatikan-Papier zu Gemeindereformen scharf kritisiert. "Die Instruktion verfehlt die Realität der katholischen Kirche in Deutschland", sagte er am Dienstag den Zeitungen der Verlagsgruppe Bistumspresse in Osnabrück. "Sie zeichnet etwas als Ideal, was biblisch und historisch, theologisch und praktisch weder wünschenswert noch real ist", so der Vertreter des höchsten repräsentativen Laien-Gremiums in der deutschen katholischen Kirche. Die Gemeinden hierzulande seien in Sachen Mitverantwortung längst viel weiter.

Nach der am Montag in Rom veröffentlichten Instruktion bleiben Laien von der Gemeindeleitung ausgeschlossen. Dagegen stärkt der Text die Rolle des Pfarrers. Bestrebungen, die Leitung von Pfarreien beispielsweise Teams aus Priestern und kirchlich Engagierten sowie anderen Mitarbeitern anzuvertrauen, widerspricht das Schreiben direkt. Laien wird weiterhin die Predigt in Messfeiern untersagt. "Das Bild der Pfarrgemeinde, die sich um den Pfarrer schart, wird, abgesehen von dem schiefen Ideal, schon durch einen Priestermangel unmöglich, der längst dramatische Züge angenommen hat", sagte Sternberg weiter. Auch werde die Vielfalt der Dienste, die die Laien verrichten, nicht gesehen.

Frauen finden keine Erwähnung

Anders als in dem Papier dargelegt, seien Räte nicht reine Informations-, Beratungs- und Hilfsgremien, betonte der ZdK-Präsident. "In Deutschland sind durch Konkordate die Kirchenvorstände als Entscheidungsgremien etabliert." Auch die Pfarrgemeinderäte seien in der Praxis zu wichtigen Weichenstellern geworden. "Man fragt sich, wer denn bereit sein sollte, sich einem Wahlverfahren zu unterziehen, um anschließend lediglich als Berater zu fungieren."

Überhaupt sei es nicht so, als würden die Laien mit Macht nach liturgischer Präsenz und Mitbestimmung drängen, erklärte Sternberg. "Man muss um sie werben, und mit Vorstellungen, die völlig abseits demokratischer Erfahrungen liegen, wird dies nicht gelingen." Frauen, die zumeist das Gesicht der deutschen Pfarreien prägten, fänden im Text keine Erwähnung. Ungeachtet der Aussagen des Papiers werde die Notlage einen Reformprozess beschleunigen, der längst eingesetzt habe und nicht gestoppt werden könne, so Sternberg. Im Hinblick auf den in der deutschen Kirche laufenden Reformprozess sagte er: "Die partizipative Suche nach neuen Antworten auf dem Synodalen Weg wird nicht gestoppt."

Theologe Biesinger: "Beitrag zur Selbstzerstörung"

Der Tübinger Theologe Albert Biesinger hält das vatikanische Dokument mit Blick auf die Zukunft der Kirche für gefährlich. Es sei "arrogant, ohne vorherige breite Konsultationen mit den Bischofskonferenzen weltweit über Perspektiven der Gemeindeentwicklung Vorgaben machen zu wollen", so Biesinger. Er sieht in dem Papier einen "Beitrag zur Selbstzerstörung". Die Instruktion zeige die Handschrift von zwei deutschen Priestern im Vatikan, denen Biesinger empfahl, "zuerst fünf Jahre eine deutsche Großraumpfarrei zu leiten und fünf Jahre am Amazonas zu arbeiten, bevor sie sich zu Seelsorgefragen äußern".

Aus Sicht Biesingers ist das Papier insofern klug aufgebaut, als es im ersten Teil häufig Papst Franziskus zitiere, dessen innovatives Denken aber im zweiten Teil mit den praktischen Konsequenzen keine Rolle spiele. Darin gehe es vorwiegend "um die Durchsetzung des Kirchenrechts vor 30 Jahren, das bei der Lösung der aktuellen Herausforderungen und Umbrüche nicht mehr angemessen und hilfreich" sei. Auch die Ansätze und Beschlüsse der Amazonas-Synode kämen in der Instruktion nicht vor. Biesinger wörtlich: "Mit diesen Vorgaben ist der Abbau der Kirche in der Fläche vorprogrammiert."

Priester würden noch mehr überfordert, und immer weniger würden diesen Beruf ausüben wollen. Der Wissenschaftler rief die deutschsprachigen Bischöfe auf, "im Sinne der vom Konzil geforderten Kollegialität und der von Papst Franziskus betonten Synodalität diesem Treiben Einhalt zu gebieten". Eine rasche Überarbeitung dieser Instruktion sei unausweichlich. (mpl/KNA)