Befremdung auf der einen, Zustimmung auf der anderen Seite

Lob und Kritik: Bischöfe reagieren verschieden auf Vatikan-Instruktion

Veröffentlicht am 23.07.2020 um 19:30 Uhr – Lesedauer: 

Bonn ‐ Immer mehr Oberhirten reagieren auf die am Montag veröffentlichte Vatikan-Instruktion zu Pfarreireformen – mit ganz unterschiedlichen Rückmeldungen. Nun haben sich auch der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck und der Augsburger Bischof Bertram Meier zu Wort gemeldet.

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Katholische Bischöfe in Deutschland haben unterschiedlich auf die Vatikan-Instruktion zu Reformen in Kirchengemeinden reagiert. Während sich der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki und der Augsburger Bischof Bertram Meier zustimmend äußerten, überwiegen bisher die kritischen Stimmen.

Der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck etwa kritisierte: "Die Instruktion nimmt in keiner Weise zur Kenntnis, dass wir in Deutschland – aber auch in vielen anderen Ländern der Weltkirche – kirchliches Leben nicht mehr nach den Mustern der bisher bekannten Volkskirche gestalten können", sagte er am Donnerstag in Essen. "Es befremdet mich sehr, dass ein solches Dokument ohne Vorankündigung und Berücksichtigung der tatsächlichen Situation in den jeweiligen Ortskirchen veröffentlicht wird." Das Bistum Essen werde seine Prozesse der Erneuerung und Veränderung fortsetzen – "so schwierig und so schmerzhaft sie auch manchmal sind".

Nach der am Montag in Rom veröffentlichten Instruktion mit dem Titel "Die pastorale Umkehr der Pfarrgemeinde im Dienst an der missionarischen Sendung der Kirche" bleiben Laien in der katholischen Kirche von der Gemeindeleitung ausgeschlossen. Dagegen hebt der Text die Rolle des Pfarrers hervor. Bestrebungen, die Leitung von Pfarreien beispielsweise Teams aus Priestern und kirchlich Engagierten sowie anderen Mitarbeitern anzuvertrauen, widerspricht das Schreiben direkt.

Was Dokument fordere, "ist faktisch gar nicht zu realisieren"

Zu einem christlichen Glauben in Vielfalt und Offenheit gehöre auch, sich von einem Klerikalismus zu verabschieden, der nicht zuletzt nach den Skandalen des vielfältigen klerikalen Machtmissbrauchs zu Recht keine Akzeptanz mehr finden dürfe, so Overbeck weiter. "Ich bin außerordentlich froh über das große Engagement vieler Frauen und Männer, die ehrenamtlich wie hauptberuflich in unserer Kirche auf allen Ebenen mitarbeiten - und die selbstverständlich auch in leitenden Funktionen ihren Dienst tun."

Auf all die Menschen, die sich aus tiefstem Herzen für die Zukunft der katholischen Kirche einsetzten und nach Lösungen schwieriger Fragen suchten, wirke ein solches Dokument irritierend und verletzend, weil es keinerlei Interesse und Verständnis für die Situation vor Ort zeige, erklärte der Ruhrbischof. 

Der in Deutschland zunehmende Priestermangel ist für Overbeck zudem ein klares Signal, dass es keine Alternative zu dem laufenden Erneuerungsprozessen gebe. "Das, was das Dokument einfordert, ist faktisch gar nicht zu realisieren, weil es die Priester gar nicht mehr gibt, die allein zahlenmäßig benötigt würden, um all den Vorgaben zu entsprechen", so der Bischof.

Bild: ©KNA/Harald Oppitz

Aus Sicht des Augsburger Bischofs Bertram Meier liegt die Vatikan-Instruktion "ganz auf der Linie, die Papst Franziskus schon in seinem Folgedokument zur Amazonas-Synode angestimmt und oft wiederholt hat." Sein Bistum könne damit "gut leben".

Das Bistum Augsburg kann dagegen nach den Worten seines Bischofs Bertram Meier mit der neuen Vatikan-Instruktion "gut leben". Die Vorgaben lägen "ganz auf der Linie, die Papst Franziskus schon in seinem Folgedokument zur Amazonas-Synode angestimmt und oft wiederholt hat: Ihm geht es um die pastorale Umkehr der Kirche", sagte Meier am Donnerstag im Augsburg. Die wahre Erneuerung der Kirche setze weniger auf eine Veränderung von Strukturen, sie müsse tiefer an die Substanz gehen. "Ziel ist eine geistliche Reform."

Meier erklärte: "Rückkehr in die Pastoral, Gang in die Diakonie und Hinwendung zu den Armen durch ein möglichst engmaschiges Netz, das von Männern und Frauen, die sich in der Nachfolge Jesu verstehen, geknüpft wird. So zeigt sich eine missionarische Kirche." Auf die Pfarrei-Ebene übertragen heiße das, alle seien aufgerufen, an diesem missionarischen Auftrag mitzuwirken.

Meier ergänzte: "Bei allem Einsatz der Mitglieder des Volkes Gottes (Laien) kommt dem Leitenden Pfarrer einer Seelsorgeeinheit der Dienst der Einheit zu." Er leite die Pfarrei oder Pfarreiengemeinschaft im Auftrag Jesu Christi. "In diesem Dienst wird der Pfarrer von möglichst vielen Frauen und Männer gut beraten und tatkräftig unterstützt, weiß sich aber auch in seiner Lebensform menschlich getragen. Das kann unsere Pfarrer entlasten und zugleich die Berufungszufriedenheit erhöhen." Die Pastorale Raumplanung 2025 und die Satzungen für die Laiengremien im Bistum Augsburg bewegten sich im Rahmen der neuen Instruktion, fügte Meier an.

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In einem am Donnerstag vom Bistum Trier veröffentlichten Video warb der Trierer Generalvikar Ulrich Graf von Plettenberg dafür, sich weiterhin für die Umsetzung der Diözesan-Synode einzusetzen. Er nehme unterschiedliche Reaktionen aus dem Bistum wahr. "Einige fühlen sich in ihrer bewahrenden Haltung bestärkt – nicht wenige aber sind irritiert und enttäuscht bis dahin, dass sie sich von Kirche abwenden wollen." 

Ziel der Instruktion sei es, Möglichkeiten und Einschränkungen für die Reformprozesse von Pfarreien zu formulieren. "Für uns im Bistum Trier sind viele der Aussagen nicht fremd. Wir kennen sie schon aus unseren Gesprächen in Rom", sagte der Generalvikar. Die Instruktion bringe diese nun in eine kirchenrechtliche Fassung und auf eine weltkirchliche Ebene. Für die Umsetzung des Synodenergebnisses im Bistum habe die Instruktion zunächst keine Auswirkungen, denn "unsere Vorüberlegungen für eine neue Orientierung nach der römischen Intervention" griffen die "von Rom gesetzten roten Linien" bereits auf. 

"Rottenburger Modell" stehe nicht zur Disposition

Der Rottenburg-Stuttgarter Bischof Gebhard Fürst will auch nach der Vatikan-Instruktion am sogenannten "Rottenburger Modell" festhalten. Den Weg der Mitwirkung und Mitverantwortung von Laien bei der Führung von Diözese, Dekanaten und Kirchengemeinden wolle man weiter beschreiten. "Das Rottenburger Modell steht nicht zur Disposition. Die darin festgeschriebene starke Beteiligung der Laien in all unseren Gremien bis zum Diözesanrat, der bei uns auch das Haushaltsrecht hat, ist ein großer Vorteil für die Ortskirche – und sie ist eine klare Konsequenz aus dem Zweiten Vatikanischen Konzil", so Fürst. Das Schreiben aus Rom habe ihn deshalb ebenso überrascht wie andere seiner Amtskollegen in Deutschland, sagte der Bischof. In der heutigen Zeit gebe es keine Alternative zum Prinzip des Miteinanders, so Fürst weiter. "Das hat sich bei uns in der Diözese Rottenburg-Stuttgart in 50 Jahren sehr gut bewährt." Die gemeinsame Leitung der Kirchengemeinden durch Laien und Kleriker sieht der Bischof vollauf im Einklang mit dem Kirchenrecht.

Zahlreiche Kirchenvertreter und Theologen aus Deutschland kritisierten das Papier als rückwärtsgewandt. Scharfe Kritik gab es von den Bischöfen Franz-Josef Bode (Osnabrück) und Peter Kohlgraf (Mainz). Auch Bambergs Erzbischof Ludwig Schick sagte, die Instruktion bringe für die Kirche und ihren missionarischen Auftrag "mehr Schaden als Nutzen", und nannte das Papier theologisch defizitär. Der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki hingegen lobte die Vatikan-Instruktion. (cbr/KNA)