Viele Fälle bereits verjährt oder kein hinreichender Tatverdacht

Nach MHG-Studie: Nur noch ein Verfahren gegen Kleriker in Bayern

Veröffentlicht am 06.08.2020 um 15:57 Uhr – Lesedauer: 

München ‐ 204 bayerische Geistliche sind im Rahmen der MHG-Studie des sexuellen Missbrauchs beschuldigt worden. Gegen die Mehrzahl leiteten die Staatsanwaltschaften Ermittlungen ein. Doch juristisch belangt werden kann so gut wie keiner mehr.

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Im Zuge der Missbrauchsstudie der katholischen Kirche aus dem Jahr 2018 läuft in Bayern nur noch ein einziges juristisches Verfahren gegen einen Geistlichen. Insgesamt hatten die Staatsanwaltschaften 148 Vorermittlungs- oder Ermittlungsverfahren eingeleitet, wie das bayerische Justizministerium auf eine Anfrage zweier Landtagsabgeordneter der Grünen mitteilte. Ursprünglich seien 204 bayerische katholische Kleriker im Sinne der Missbrauchsstudie beschuldigt worden, heißt es in der am Donnerstag veröffentlichten Antwort der Landesregierung.

Bei 56 Geistlichen sei schon nach erster Sichtung des Materials abzusehen gewesen, dass verfolgbare Straftaten nicht gegeben seien oder der Sachverhalt bereits früher Gegenstand eines Verfahrens gewesen sei. In diesen Fällen wurde kein Ermittlungsverfahren eröffnet. Gegen einen Beschuldigten wurde demnach im April Anklage wegen sexuellen Missbrauchs und schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern erhoben. Das Strafverfahren sei noch nicht abgeschlossen, hieß es. In einem weiteren Verfahren sei der Beschuldigte gestorben, bevor die Tatverdachtsprüfung der Staatsanwaltschaft abgeschlossen gewesen sei.

139 Verfahren eingestellt

Insgesamt 139 Verfahren wurden laut Justizministerium aus verschiedenen Gründen eingestellt: In 44 Fällen seien die Vorwürfe bereits in früheren Verfahren geprüft und gegebenenfalls abgeurteilt worden. 46 Verfahren wurden wegen Verjährung eingestellt. In 49 Verfahren lagen laut Ministerium keine zureichenden Anhaltspunkte für eine Straftat oder kein hinreichender Tatverdacht vor. Die sieben restlichen Verfahren wurden an Staatsanwaltschaften außerhalb Bayerns abgegeben.

Bei der 2018 veröffentlichten Untersuchung zu "Sexuellem Missbrauch an Minderjährigen durch katholische Priester, Diakone und männliche Ordensangehörige im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz" hatten Wissenschaftler der Universitäten Mannheim, Heidelberg und Gießen bundesweit kirchliche Akten analysiert. Nach den Anfangsbuchstaben der Universitätsstandorte wird diese auch MHG-Studie genannt. Insgesamt fanden die Experten für die Jahre 1946 bis 2014 Hinweise auf 3.677 Betroffene sexueller Übergriffe und auf rund 1.670 beschuldigte Priester, Diakone und Ordensleute in Deutschland. Eine Gruppe von Juristen hatte zusammen mit dem Institut für Weltanschauungsrecht (ifw) im Blick auf die Studienergebnisse bei Staatsanwaltschaften bundesweit Strafanzeige gegen Unbekannt erstattet, um den Ergebnissen der Studie nachzugehen. Als Ergänzung zur MHG-Studie haben einige Diözesen eigene Untersuchungen in Auftrag gegeben, darunter Würzburg, Essen und Köln. (mal/epd)