Wirtschaftsrat-Mitglied: Auf Charismen von Frauen nicht verzichten
Als Jura-Professorin in Düsseldorf und Vorsitzende des Hildesgardis-Vereins in Bonn ist Charlotte Kreuter-Kirchhof eine gefragte Expertin. Nun kommt die Aufgabe als Mitglied des vatikanischen Wirtschaftsrates in Rom hinzu. Warum sie sich auf die Arbeit im Vatikan freut und sich noch viel mehr Frauen in kirchlichen Führungspositionen wünscht, erklärt sie im Interview.
Frage: Herzlichen Glückwunsch zu Ihrer Berufung in den vatikanischen Wirtschaftsrat. Waren Sie davon überrascht?
Kreuter-Kirchhof: Als mich die erste Anfrage um eine Mitarbeit erreichte, war ich sehr überrascht. Diese Überraschung hat sich nun in Vorfreude gewandelt.
Frage: Wann kam der Vatikan mit der ersten Anfrage auf Sie zu und wie lief der Prozess der Ernennung ab?
Kreuter-Kirchhof: Die Berufung in den Wirtschaftsrat ist eine Entscheidung des Papstes. Der Wirtschaftsrat ist ein Beratergremium des Vatikan und deshalb bestimmt am Ende Papst Franziskus, welche Expertinnen und Experten er beruft. Wie lange der Gesamtprozess gedauert haben mag, kann ich nicht beurteilen. Ich weiß noch nicht so lange davon. Jedenfalls lässt der Prozess die Sorgfalt eines Neuanfangs erkennen.
Frage: Sie sind eine angesehene Professorin für Öffentliches Recht und Vorsitzende des Hildegardis-Vereins, aber keine ausgewiesene Finanz-Expertin. Was meinen Sie: Warum wurden gerade Sie in den Wirtschaftsrat berufen?
Kreuter-Kirchhof: Der Hildegardis-Verein ist mit seinem Mentoring-Programm für Frauen, die Leitungsfunktionen in der katholischen Kirche übernehmen, im Vatikan durchaus bekannt. Das könnte eine Rolle gespielt haben. Gleichzeitig könnte aber auch der Gedanke der Nachhaltigkeit für die Berufung wichtig gewesen sein. Dem Thema Nachhaltigkeit widme ich mich in meiner wissenschaftlichen Arbeit nachdrücklich. Wir müssen darüber nachdenken, wie wir Finanzmittel wirksam auch für nachfolgende Generationen und die Bewahrung der Schöpfung einsetzen können. Gegenstand meiner Forschung ist es, ökonomische, ökologische und soziale Belange zusammenzudenken, um so unsere Wirtschaft und das gesellschaftliche Zusammenleben nachhaltig zu gestalten. Das Energierecht, einer meiner zentralen Arbeitsbereiche, ist ein gutes Beispiel dafür. Die Frage des Klimaschutzes und des Erhalts der Erdatmosphäre spielen dabei eine große Rolle.
Frage: Wie werden Ihre Aufgaben im Rat konkret aussehen?
Kreuter-Kirchhof: Der Rat soll sich mit den finanziellen und wirtschaftlichen Angelegenheiten des Vatikan befassen. Das Ziel ist, die finanziellen Mittel des Vatikan im Dienst des Hirtenamtes des Papstes einzusetzen und zugleich – das ist mir wichtig – die besondere Sendung der Kirche für das Gemeinwohl sichtbar zu machen. Dazu beizutragen, diesem hohen Anspruch gerecht zu werden, ist die wichtigste Aufgabe des vatikanischen Wirtschaftsrates.
Frage: Ihre Aufgabe im Rat geht mit einer großen Verantwortung für den Vatikan einher. Wie gehen Sie persönlich damit um?
Kreuter-Kirchhof: Ich habe großen Respekt vor dieser Aufgabe und freue ich mich zugleich über das Vertrauen, das in diesem Auftrag angelegt ist; auch freue ich mich auf die Begegnungen mit den anderen Mitgliedern des Rates, den Expertinnen und Experten, den Kardinälen und Bischöfen.
Frage: Wie oft werden Sie künftig im Vatikan sein?
Kreuter-Kirchhof: Ich gehe davon aus, dass die Treffen des Rates mehrmals im Jahr stattfinden werden. Die erste Sitzung wird sehr zeitnah einberufen. Sie wird per Videokonferenz stattfinden.
Frage: Die Corona-Krise setzt dem Vatikan derzeit finanziell zu, auch über eine mögliche Pleite wurde schon spekuliert. Wie sehen Sie die Finanzen des Vatikan: Ist er gut aufgestellt?
Kreuter-Kirchhof: Der Wirtschaftsrat wird zunächst die Fakten klären und sich der Widmung der Finanzen vergewissern. Mir scheint wichtig, dass die Kirche ihre Finanzen im Sinne der Frohen Botschaft einsetzt. Dazu gehört eine Orientierung an der Soziallehre der Kirche und am Prinzip der Nachhaltigkeit.
Frage: Der Papst ist mit seiner Kurienreform schon weit vorangekommen, aber die Kurie wird immer noch als veraltete Behörde wahrgenommen. Wie muss sich der Vatikan aufstellen, um zukunftsfähig zu sein?
Kreuter-Kirchhof: Ich erlebe die Neuberufung in den Wirtschaftsrat als deutliches Signal der gewünschten Zusammenarbeit von Bischöfen, Priestern und Laien sowie des Zusammenwirkens von Männern und Frauen. Gerade dieses spezielle Gremium wird zu einem Zeichen des Miteinanders, das die Kirche zukunftsfähig macht.
Frage: Von den sieben berufenen Laien sind sechs Frauen. Ebenfalls ein starkes Zeichen?
Kreuter-Kirchhof: Ja, absolut. Dies hat mich besonders als Vorsitzende des Hildegardis-Vereins gefreut, der sich seit vielen Jahren für die Erhöhung des Frauenanteils in kirchlichen Leitungspositionen einsetzt.
Frage: Wird es in Zukunft der Normalfall im Vatikan werden, dass Frauen und männliche Laien eine stärkere Rolle spielen?
Kreuter-Kirchhof: Ich würde mir dies wünschen. Ich glaube, dass die Berufungen ein klare Strukturentscheidung in diese Richtung treffen. Wir sind gemeinsam als Kirche unterwegs: Männer und Frauen, Kleriker und Laien. Wir gestalten gemeinsam die nächsten Schritte der Kirche.
Frage: Die Berufung so vieler Frauen in den Wirtschaftsrat, aber auch andere Personalien im Vatikan zeigen, dass sich der Papst mehr Verantwortung für Frauen und Laien in der Kirche wünscht. Wie weit wird das gehen? Wird es bald Nuntiae, Präfektinnen der Dikasterien, Diakoninnen oder Priesterinnen geben?
Kreuter-Kirchhof: Aus meiner Sicht ist in diesem Bereich sehr viel möglich. Aber es werden diesbezüglich gegenwärtig kontroverse Debatten in der Kirche geführt. Wenn ich mir die Arbeit im Hildegardis-Verein ansehe, die natürlich primär die deutsche Kirche betrifft, dann sehe ich hier ermutigende Zeichen. In vielen Bistümern übernehmen Frauen zentrale Leitungsaufgaben und tragen wesentlich zur Zukunftsfähigkeit unserer Kirche bei. Mein Eindruck ist, dass dies von allen Seiten als positiv und sehr bereichernd wahrgenommen wird. Viele Priester begrüßen diese Entwicklung. Sie ist im Interesse der Kirche und fußt auf der Frohen Botschaft. Die Kirche kann auf die Charismen und die Berufungen von Frauen nicht verzichten. Diesen großen Schatz muss sie nutzen, um das Evangelium verkünden zu können.