ARD zeigt spannende Reportage über "Maria 2.0"

Predigen statt Leuchter putzen: Der Frauenaufstand in der Kirche

Veröffentlicht am 09.08.2020 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 4 MINUTEN

Stuttgart ‐ Viele fragen sich, wie ein Neuanfang zu einer glaubwürdigen Kirche und eine Gleichstellung der Frauen innerhalb der römisch-katholischen Kirche aussehen kann. Nicht zuletzt die Bewegung "Maria 2.0" steht für diese Diskussion. Auch eine Reportage im Ersten geht dieser Frage nach.

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Im Lesekreis der Gemeinde Heilig Kreuz in Münster trafen sich im Frühjahr 2019 ein Dutzend Frauen, um über "Evangelii gaudium" zu sprechen, das erste Apostolische Schreiben von Papst Franziskus. Sie diskutierten dabei auch ihre persönliche Situation als Frauen in der Kirche und ihre täglichen Schwierigkeiten. Oft wurden sie von kirchenfernen Menschen gefragt, warum sie überhaupt noch dabei seien. Sie beschlossen, dem Warten auf Veränderungen ein Ende zu setzen - und selbst aktiv zu werden.

Sie organisierten eine Streikwoche und gründeten die Initiative "Maria 2.0". Die Frauen-Protestbewegung fordert nichts Geringeres als einen Neuanfang der katholischen Kirche einschließlich der restlosen Aufklärung aller Missbrauchsfälle; außerdem eine absolute Geschlechtergerechtigkeit bis hin zur Öffnung von Weiheämtern für Frauen.

Die Filmemacherinnen Henriette Bornkamp und Heike Fink dokumentieren in der Reportage "Echtes Leben: Die Kirchenrebellinnen - Maria 2.0" die bundesweiten Aktivitäten der Frauen und sammelten Stimmen pro und contra. Das Erste strahlt den Film am 9. August um 17.30 Uhr aus.

Nerv der Zeit getroffen

Mit ihrem Kampf für eine geschwisterliche Kirche traf die Initiative "Maria 2.0" aus Münster einen Nerv der Zeit, zeigen die Filmemacherinnen. Schon die erste Aktion - eine bundesweite Streikwoche, bei der die Frauen im Mai 2019 landauf, landab vor der Kirche ihre eigenen Gottesdienste abhielten - erregte großes Aufsehen. Hinzu kam das plakative Porträt einer Madonna mit zugeklebtem Mund, das zum Symbol von "Maria 2.0" wurde. Die Malerin Lisa Kötter und ihre Mitstreiterin Andrea Voss-Frick gehören zu den Gründerinnen der Initiative. Die Kirche als moralische Instanz müsse sich nach den vielen Missbrauchsfällen und Vertuschungen erneuern, meint Voss-Frick, um überhaupt wieder als eine solche Instanz wahrgenommen zu werden.

Lisa Kötters Frauenbild Nr. 1 zeigt Maria mit zugeklebtem Mund
Bild: ©Lisa Kötter

Kennzeichen der Bewegung: Die Madonna mit zugeklebtem Mund.

Mit einer Online-Petition zum Missbrauchsskandal, die sie dem Papst übergeben wollen, sammelte "Maria 2.0" inzwischen rund 45.000 Unterschriften von Unterstützerinnen und Unterstützern. Die Kirchenrebellinnen werden inzwischen national und international wahrgenommen und zu ihrer Meinung befragt, berichten die Filmemacherinnen.

Aus der Bevölkerung und von Verbänden wie dem Katholischen Deutschen Frauenbund (KDFB) werden sie zu Vorträgen eingeladen. Auch bei anderen Veranstaltungen wie dem größten deutschen Klosterfest der Steyler Missionare in Sankt Augustin treten Aktivistinnen auf, die sich für ein Frauenpriestertum einsetzen. Die Filmemacherinnen besuchen zudem die ehemalige Benediktinerin und heutige "Bischöfin" Christine Mayr-Lumetzberger. Sie ist der Kopf einer weltweiten Gruppe katholischer, nicht anerkannter Priesterinnen.

Auch Gegeninitiative kommt zu Wort

Zu Wort kommen auch Frauen der Gegeninitiative "Maria 1.0" aus Altötting, die an den Wert der Mitarbeit von Frauen in kirchlichen Ehrenämtern erinnern. Die Kirche habe keine Strukturkrise, sondern eine Glaubenskrise, betont die Initiatorin Johanna Stohr. Gegner des Frauenpriestertums wie der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki und Weihbischof Dominikus Schwaderlapp nehmen ebenfalls Stellung und berufen sich auf Entscheidungen des Vatikan.

Die Debatte werde angesichts des schwindenden Gehorsams der Frauen sehr emotional geführt, bilanzieren die Filmemacherinnen. Und sie sei noch lange nicht abgeschlossen. Bornkamp und Fink zeigen den Mut der "Kirchenrebellinnen", es trotz wenig Hoffnung auf eine baldige Änderung mit den "verkrusteten Strukturen der römisch-katholischen Kirche" immer wieder aufzunehmen: insgesamt eine spannende Reportage, die die Positionen von Befürworterinnen wie auch Gegnern aufzeigt.

Von Heide-Marie Göbbel (KNA)

Fernsehtipp

"Echtes Leben: Die Kirchenrebellinnen - Maria 2.0", Reportage von Henriette Bornkamp und Heike Fink. Das Erste, So 09.08., 17.30 – 18.00 Uhr. Mit Untertiteln für Hörgeschädigte.