Kindermissionswerk hofft auf Differenzierung

Facebook verbietet Blackfacing: Was bedeutet das für die Sternsinger?

Veröffentlicht am 12.08.2020 um 13:35 Uhr – Lesedauer: 

Aachen/Menlo Park ‐ Auf Facebook ist "Blackfacing" künftig verboten: die Darstellung schwarzer Menschen durch geschminkte Weiße. Auch bei den Sternsingern wird die Tradition eines schwarz angemalten Königs seit Jahren diskutiert. Bei dem Hilfswerk hofft man auf eine differenzierte Betrachtung.

  • Teilen:

Facebook verbietet nun "Blackfacing" auf seiner Plattform: In den am Dienstag vorgestellten neuen "Community Standards" wird die Darstellung schwarzgeschminkter weißer Menschen erstmals explizit erwähnt. Wörtlich heißt es: "Karikaturen schwarzer Menschen in Form von Blackface" gelten als Hassrede. Neben Blackfacing wurden neu auch "schädliche Stereotype" als unerwünscht aufgenommen, darunter antisemitische Darstellungen einer angeblichen jüdischen Weltverschwörung.

In Europa wird die Debatte vor allem mit Blick auf die niederländische Tradition des "Zwarten Piet" geführt, einem Begleiter des Nikolaus, vergleichbar mit Knecht Ruprecht oder Krampus. Er wird in der für Sklaven holländischer Kaufleute des 17. Jahrhunderts typischen Kleidung mit schwarzgeschminktem Gesicht und feuerroten Lippen dargestellt. Vertreter schwarzer Menschen beklagen seit Jahren, dass diese Darstellung rassistisch und beleidigend ist.

Demonstranten halten die Faust in die Luft.
Bild: ©picture alliance/Tone Koene (Archivbild)

Demonstration gegen den "Zwarte Piet". In den Niederlanden wenden sich seit Jahren Vertreter schwarzer Menschen gegen die rassistische Darstellung in der Sinterklaas-Tradition.

Auch in der katholischen Kirche im deutschsprachigen Raum wird Blackfacing seit Jahren kontrovers diskutiert. Beim Sternsingen ist es vielerorts noch üblich, einen der verkleideten Könige durch Schminke als schwarz darzustellen und so zu symbolisieren, dass die drei Könige aus den früher bekannten drei Erdteilen Afrika, Asien und Europa stammen. In Österreich forderten 2017 Anhänger des FPÖ-Politikers Norbert Hofer lautstark ihren schwarzen König zurück, der auf einem von dem Politiker veröffentlichten Foto fehlte.

Positive Tradition statt Blackfacing

Mit Blackfacing hat das nach Meinung des Kindermissionswerks, neben dem Bund der Deutschen Katholischen Jugend einer der Träger der Aktion in Deutschland, nichts zu tun. Die abwertende Darstellung schwarzer Menschen im 19. Jahrhundert auf Jahrmärkten und bei "Minstrel Shows" in den USA und die karikierende Darstellung des Zwarten Piets müsse man unterscheiden von der positiven Intention und Tradition der Sternsinger. Bei der Sozialaktion solle ausgedrückt werden, "dass Gott für alle Menschen Mensch geworden ist", wie das Kindermissionswerk auf seiner Webseite erläutert.

„Es ist nicht zu erwarten, dass Facebook zwischen der positiven Darstellung des schwarzen Königs und einer rassistischen Darstellung des Blackfacings differenziert“

—  Zitat: Thomas Römer, Sprecher des Kindermissionswerks

Von Facebook wünscht sich das Hilfswerk daher auch eine differenzierte Betrachtung bei der Bewertung von schwarzgeschminkten weißen Menschen. Auf Anfrage von katholisch.de hieß es, man befürchte, dass Bilder mit schwarzgeschminkten Kindern bei den Sternsingern unter die am Dienstag vorgestellten neuen Regeln für Hassrede des Sozialen Netzwerks fallen könnten. "Es ist nicht zu erwarten, dass Facebook zwischen der positiven Darstellung des schwarzen Königs und einer rassistischen Darstellung des Blackfacings differenziert", so der Pressesprecher des Kindermissionswerks, Thomas Römer. Man wolle niemanden verletzen. Ein Sprecher der Initiative Schwarze Menschen in Deutschland (ISD) dagegen betonte gegenüber katholisch.de, dass eine solche Differenzierung nicht möglich sei: "Es geht nicht um die Intention, sondern um die Wirkung solcher Darstellungen. Weiße Menschen schwarz anmalen ist eine rassistische, belastete Tradition." Auch wenn es gut gemeint sei: Die Darstellung schmerze und rufe Erinnerungen an rassistische Erfahrungen wach.

„Es geht nicht um die Intention, sondern um die Wirkung solcher Darstellungen. Weiße Menschen schwarz anmalen ist eine rassistische, belastete Tradition.“

—  Zitat: Initiative Schwarze Menschen in Deutschland

Das sieht man auch in der Europäischen Union so. Eine Entschließung des EU-Parlaments zu Grundrechten von Menschen afrikanischer Abstammung in Europa hatte im März 2019 festgehalten, dass "diskriminierende Stereotypen in einigen Traditionen in ganz Europa" fortbestehen und darunter ausdrücklich auch Blackfacing gefasst. Solche Traditionen würden "tief verwurzelte Stereotypen über Menschen afrikanischer Abstammung, die die Diskriminierung verschärfen können" aufrechterhalten. Welche Traditionen damit genau im Blick waren, steht nicht in der Resolution.

Kein Verbot bei den Sternsingern geplant

Beim Kindermissionswerk wirbt man zwar nicht explizit mit schwarz angemalten Königen in der eigenen Öffentlichkeitsarbeit. Es sei aber nicht zu vermeiden, dass immer wieder derartige Darstellungen auch in offiziellen Sternsinger-Medien auftauchten – schließlich bilde die Berichterstattung aus den Tausenden von teilnehmenden Gruppen die Realität vor Ort ab, so Römer. Und da sei das Schwarzanmalen oft noch üblich. Ein Verbot seitens der Träger werde es nicht geben. Stattdessen, so der Sprecher, wolle man einen Diskurs anregen, ob die Tradition noch sinnvoll sei. Überhaupt sei eine klare Regelung aufgrund der vielen Beteiligten auf allen Ebenen kaum durchzusetzen.

Sternsinger singen bei der Eröffnungsaktion auf dem Residenzplatz in Würzburg.
Bild: ©KNA (Archivbild)

Auch wenn es kein offizielles Verbot gibt: Nicht mehr überall ist es selbstverständlich, dass ein schwarzangemalter König dazugehört.

Auf der Webseite bringt sich das Kindermissionswerk vorsichtig in Distanz zur Tradition des schwarzangemalten Königs, ohne allzu deutlich zu werden. Auch wenn man die positive Intention betont: "Gleichwohl geht die Gleichsetzung von Hautfarbe und Herkunft heute nicht mehr auf", so das Hilfswerk. Eine klare Anweisung gibt das Kindermissionswerk in seiner Liste häufiger Fragen nicht. Stattdessen wird in der Rubrik “Brauchtum” die Überzeugung ausgedrückt, "dass der ursprüngliche Sinn der Tradition besser deutlich wird, wenn Kinder als Sternsinger so gehen, wie sie eben sind: vielfältig in ihrem Aussehen".

Initiative Schwarze Menschen in Deutschland offen für Dialog

Das wäre auch im Interesse der Initiative Schwarze Menschen in Deutschland. Ihr Sprecher weist darauf hin, dass mit der schwarzen Farbe die Hautfarbe nicht-weißer Menschen als exotisch dargestellt wird. Die Journalistin Alice Hasters fragt in ihrem Buch "Was weiße Menschen nicht über Rassismus hören wollen", warum die Farbe unbedingt für die beabsichtigte Aussage nötig sei. "Von mir würde doch auch niemand erwarten, dass ich nur mit weißer Farbe im Gesicht einen weißen Charakter verkörpern kann", schreibt sie zu den Sternsingern. Als Symbol für Vielfalt tauge die Darstellung nicht, heißt es auch bei der ISD. Dabei gäbe es eine ganz naheliegende Lösung: "Man kann doch einfach schwarze Kinder an der Aktion beteiligen. Anmalen ist nicht nötig."

„Man kann doch einfach schwarze Kinder an der Aktion beteiligen. Anmalen ist nicht nötig.“

—  Zitat: Initiative Schwarze Menschen in Deutschland

Noch ist nicht klar, was die neuen Richtlinien von Facebook für die Sternsinger-Aktion bedeuten. Beim Kindermissionswerk wird man prüfen, ob sich für die nächste Aktion zu Dreikönig 2021 etwas ändern muss. Bisher stellt man sich noch auf den Standpunkt, dass die gute Absicht genügt, um zwischen rassistischer Darstellung und positiver Tradition zu unterscheiden. Ob die Community Standards des weltweit größten sozialen Netzwerks einen Katalysator für eine inhaltliche Neubewertung darstellen, ist noch nicht abzusehen. Bei der Initiative Schwarzer Menschen wäre man jedenfalls offen für einen Dialog mit den Sternsingern.

Von Felix Neumann