Pater Philipp König über das Sonntagsevangelium

Die alles entscheidende Frage

Veröffentlicht am 22.08.2020 um 17:45 Uhr – Lesedauer: 
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Frankfurt am Main ‐ Einfach sagen, was "man" eben so sagt oder selbst Position beziehen? Ausgerechnet der wankelmütige Petrus wagt sich aus der Deckung – und wird zum festen Felsen. Diese Gnade macht auch Pater Philipp König Mut.

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Impuls von Pater Philipp König

"Wer bin ich für dich wirklich?" Wer so fragt, beweist Mut und zeigt sich gleichzeitig verletzbar: Die Antwort könnte ja ganz anders ausfallen, als erhofft. So eine Frage fordert auch das Gegenüber heraus. Vermutlich kommen Gespräche dieser Art deswegen doch eher selten vor. Mir jedenfalls kommen solche Fragen nur schwer über die Lippen. Neben Mut und Ehrlichkeit braucht es dazu die passenden Umstände: Zeit und Ruhe, einen passenden Ort, um ungestört reden zu können. Eine Reise oder eine gemeinsame Wanderung, wie jetzt im Sommer, eignen sich dafür ziemlich gut.

Jesus nutzt die Gelegenheit, als er mit seinen Jüngern unterwegs bei Cäsarea Philippi war. Beim Lesen habe ich den Eindruck, dass er den Ort und die Situation ganz bewusst gewählt hat, weil er dieses Gespräch schon lange im Sinn hatte. Zuerst fragt Jesus, scheinbar nur beiläufig, für wen die Leute, also die anderen, ihn halten: Johannes der Täufer, Elija, Jeremia… Die Liste der möglichen Kandidaten ist lang. Doch es folgt die Frage, der die Jünger nicht mehr ausweichen können: "Ihr aber, für wen haltet IHR mich?"

"Für wen haltet ihr mich?" Diese Frage gilt nicht nur den Jüngern damals, sondern genauso uns heute. An dieser Frage entscheidet sich alles! Im Laufe von 2000 Jahren Christentum haben Menschen sich die unterschiedlichsten Vorstellungen von Jesus gemacht, ihn für allerlei (auch fragwürdige) Zwecke eingespannt, es existieren schlaue Theorien über ihn. Noch immer wird er von vielen geliebt, von anderen verspottet oder verachtet. Nicht wenigen ist er heute gleichgültig, manche haben noch nie etwas über ihn gehört... Doch für wen halte ich diesen Jesus?

Wer ist Jesus für mich? Diese Frage würde ich heute wohl anders beantworten als noch vor einigen Jahren. So wie ich mich entwickelt habe, so hat sich auch meine Beziehung zu Jesus Christus entwickelt. Da gibt es Zeiten inniger Vertrautheit und Nähe, aber auch Phasen, in denen mir das Verhältnis eher abgeklärt oder kühler vorkommt. Manchmal ändert sich das sogar von einem Tag auf den anderen…

"Du bist der Christus, der Sohn des lebendigen Gottes!" Petrus wagt sich als erster der Jünger aus der Deckung. Mit beeindruckender Klarheit spricht er aus, wer Jesus für ihn ist: der Messias und Gottessohn! Es ist mehr als Intuition, die da aus ihm spricht. Das kann Petrus nicht (nur) aus sich selbst haben. So stellt Jesus fest: "Nicht Fleisch und Blut haben dir das offenbart, sondern mein Vater im Himmel." Wer Jesus wirklich ist, das weiß ich nicht allein aufgrund meiner eigener Überlegung. Es braucht Gottes Hilfe.

Petrus ist für mich wie ein Spiegelbild für einen glaubenden Menschen. Wir kennen ihn als sympathischen Draufgänger: Er will wie Jesus auf dem Wasser gehen (und tut es!), sackt aber kurz darauf ein und geht fast unter (Mt 14,22-33). Erst bekundet er vollmundig seine Treue zu Jesus (Mt 26,33), um ihn wenig später ängstlich zu verleugnen (Mt 26,69-75). Petrus war sicher nicht perfekt, sondern hatte viele Ecken und Kanten. Auch wenn Petrus immer wieder fällt und versagt – jedes Mal kehrt er wieder zu Jesus zurück.

Und: Am Ende seines Lebens bezeugt er ihn schließlich mit seinem Blut. Das Bekenntnis des Petrus und seine kurvenreiche Biographie sind nicht voneinander zu trennen. Genau darauf baut Jesus seine Kirche. Nicht umsonst zieht unsere Tradition eine enge Verbindung zwischen Petrus und dem Bischof von Rom, dem Papst!

Petrus mit allem Auf und Ab: Mir macht er Mut, mich aus der Deckung zu wagen. Auch wenn ich weiß, dass ich – wie Petrus – oft hinter meinen Ansprüchen zurückbleibe und versage, so kann ich doch immer wieder zu Jesus zurückkehren. Ich brauche der alles entscheidenden Frage nicht auszuweichen, sondern kann mich ihr mit meiner ganzen Existenz stellen - weil ich weiß, dass Gott mir hilft, meine ureigene Antwort darauf zu finden: "Wer ist Jesus für mich?"

Von P. Philipp König OP

Aus dem Evangelium nach Matthäus (Mt 16,13–20)

In jener Zeit, als Jesus in das Gebiet von Cäsarea Philippi kam, fragte er seine Jünger und sprach: Für wen halten die Menschen den Menschensohn? Sie sagten: Die einen für Johannes den Täufer, andere für Elija, wieder andere für Jeremia oder sonst einen Propheten.

Da sagte er zu ihnen: Ihr aber, für wen haltet ihr mich? Simon Petrus antwortete und sprach: Du bist der Christus, der Sohn des lebendigen Gottes! Jesus antwortete und sagte zu ihm: Selig bist du, Simon Barjona; denn nicht Fleisch und Blut haben dir das offenbart, sondern mein Vater im Himmel.

Ich aber sage dir: Du bist Petrus und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen und die Pforten der Unterwelt werden sie nicht überwältigen. Ich werde dir die Schlüssel des Himmelreichs geben; was du auf Erden binden wirst, das wird im Himmel gebunden sein, und was du auf Erden lösen wirst, das wird im Himmel gelöst sein.

Dann befahl er den Jüngern, niemandem zu sagen, dass er der Christus sei.

Der Autor

Pater Philipp König gehört dem Dominikanerorden an und arbeitet als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Patristik und Antikes Christentum an der Hochschule St. Georgen in Frankfurt/Main. Außerdem ist er als Postulatsleiter in der Ordensausbildung tätig.

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