Hoppe: Vieldeutigkeit biblischer Gleichnisse ist großes Glück
Für die Schriftstellerin Felicitas Hoppe ist es ein "großes Glück", dass die Gleichnisse der Bibel sich nicht so einfach entschlüsseln oder übersetzen lassen. "Was würden wir sonst sonntags in der Kirche machen? Wenn wir genau wüssten, welches Rezept uns Jesus in die Hand drückt, müssten wir stattdessen auf der Straße demonstrierten", so Hoppe im Magazin "reformiert". Dagegen seien die Menschen bis heute noch daran, sich mit den Gleichnissen auseinanderzusetzen, ermutigen und irritieren zu lassen.
Die biblischen Texte könne man zwar auch literarisch lesen. Hoppe mahnt jedoch an, sie als religiöse Texte mit einem Offenbarungsanspruch ernst zu nehmen. Auf der anderen Seite spricht sie sich auch für den eigenen Wert literarischer Texte aus und wehrt sich dagegen, Literatur theologisch zu vereinnahmen: "Sprache ist immer ambivalent. Das gilt für das literarische Wort genauso wie für das göttliche Wort in der Bibel", betont sie. "Wenn ein literarischer Text religiöse Motive aufgreift – und das tun sehr viele Texte –, bedeutet das noch lange nicht, dass es sich um einen religiösen Text handelt."
Imprägnierung durch Katholizismus
Sie selbst beschreibt sich im Interview als von ihrem katholischen Glauben imprägniert. "Mit dem Katholizismus verbinde ich eine reiche Erzähltradition, die stark mündlich geprägt und bildhaft ist. Als Kind habe ich im Gottesdienst Texte gehört, ohne sie zu verstehen." Ihr Empfinden und Erzählen seien bis heute von Texten und Liedern des Katholizismus geprägt.
Felicitas Hoppe (59) lebt in Berlin, fährt aber jedes Jahr in schweizerische Leuk, um dort zu schreiben. 2012 wurde sie mit dem renommierten Georg-Büchner-Preis ausgezeichnet. Ende des Monats ist Sie auf Einladung von Pfarrer Martin Rüsch im Zürcher Grossmünster zu Gast. (cph)