Pater Philipp zum "Abendgebet": Ein Format, das gebraucht wird
"Hiobsbotschaften in der Tagesschau, die Leichen im 'Tatort' und dann noch die eigenen Sorgen in Büro und Familie – Zeit, um all das zu verarbeiten, nehmen wir uns viel zu selten" – so textet katholisch.de seit 1.000 Folgen das Abendgebet mit Pater Philipp an: Jeden Abend setzt der Benediktinerpater aus der Abtei Maria Laach einen spirituellen Schlusspunkt zum Tag. Im Interview verrät er, was 1.000 Folgen Abendgebet und hunderte Gebetsanliegen für seinen eigenen Glauben bedeuten – und warum er im Abendgebet nie "Amen" sagt.
Frage: Pater Philipp, 1.000 Folgen Abendgebet – wie fühlt sich das an?
Pater Philipp: 1.000 Folgen sind schon eine Hausnummer. Mit dem Abendgebet habe ich das Gefühl, einen Dienst am Menschen zu leisten. Die Dankbarkeit vieler Menschen, die Rückmeldungen, die Gebetsanliegen berühren mich sehr. Als wir 2017 gestartet sind, hätte ich nicht erwartet, dass unser Format so gut angenommen wird. Aber wir scheinen einen Nerv getroffen zu haben, das Abendgebet füllt anscheinend eine Leerstelle und das finde ich großartig. Und dass mein Team und ich dazu beitragen, macht mich dankbar.
Frage: Im Internet hat das Format eine Fangemeinde. Werden Sie auch live angesprochen?
Pater Philipp: Es kommen häufiger E-Mails ans Kloster oder über katholisch.de, aber hin und wieder sprechen mich auch Menschen persönlich an. Meist sind es Klostergäste oder Touristen. Außerhalb von Maria Laach passiert es mir oft auf katholischen Events wie dem Katholikentag oder bei Festpredigten. In der Bahn hat mich bislang noch niemand erkannt.
Frage: Wie sind die Reaktionen?
Pater Philipp: Ich habe noch nie eine negative Rückmeldung bekommen. Manchmal werde ich mit Fragen konfrontiert. Zum Beispiel ist eine wiederkehrende Frage, weshalb ich zum Abschluss des Gebets nicht "Amen" sage. Das ist eine bewusste Entscheidung. Ich möchte, dass es jeder für sich sagt. Die Menschen, die aktiv mitbeten, haben so die Möglichkeit mit ihrem "Amen" für sich das Gebet und den Tag abzuschließen. Das Abendgebet soll eine Einladung sein, um gemeinsam den Tag abzuschließen.
Frage: Woher nehmen Sie Ihre Inspiration?
Pater Philipp: Als Benediktiner lesen wir jährlich die gesamte Heilige Schrift und hören aus den wichtigsten Büchern wesentliche Stellen immer und immer wieder. Meine persönliche Frömmigkeit ist auch tief mit der benediktinischen Spiritualität verwoben, so dass das Einlesen und Einhören für mich ein geübter Prozess ist. Die Bibel ist die Grundlage, auf der ich mir meine eigenen Gedanken zu mache. Die Bibelstellen setzen sich im Kopf fest und verbinden sich dann mit dem eigenen Leben. Entweder erlebe ich im Alltag eine Situation und mir fällt eine passende Bibelstelle dazu ein, oder es ist andersrum und ich lese einen Vers und überlege mir in der Vorbereitung, wie ich ihn für mein eigenes Leben übersetzen kann.
Ich möchte die Menschen auch einladen, die Bibel auf diese Weise zu lesen: Mir fällt ein Vers ins Auge und ich frage mich, was macht dieses Bibelwort mit mir? Das entspricht der uralten Tradition der Bibellesung in den Klöstern: Wie kann ich das Wort Gottes in mein Heute, in mein Leben übertragen. Das ist meine Antwort auf die immer aktuelle Frage: "Wie kann ich beten?". Natürlich gibt es da noch viele weitere Methoden.
Frage: Gibt es etwas, dass Sie aus den letzten zweieinhalb Jahren mitnehmen? Vielleicht sogar gelernt haben?
Pater Philipp: Es scheint mir, dass Formate wie das Abendgebet gebraucht werden. Mir fällt auf, dass es wichtig ist, dass wir, also Geistliche, da sind, dass wir gebraucht werden. Dass die Menschen außerhalb des Klosters eine Erwartung an uns richten. Ich bin also nicht nur Mönch, um für mich zu sein und für mich zu beten, sondern mein Gebetsleben ist auch ein stellvertretendes Leben. Dass wir für andere beten, das ist wichtig. Und das wird konkret im Abendgebet.
Frage: Im Anschluss an jedes Abendgebet gibt es die Möglichkeit Ihnen und Ihren Mitbrüdern persönliche Anliegen zu schicken, die Sie in Ihre Gebete miteinschließen. Wie genau funktioniert das von der Anlieferung bis zur Umsetzung?
Pater Philipp: Es erreichen uns mal mehr und mal weniger Anliegen. Es gibt Wochen, da kommt nichts und dann wieder Zeiten, da stapeln sich an die Hundert. Viele erreichen uns über die E-Mail-Adresse gebetsanliegen@katholisch.de, über das Kloster oder über Zettel in der Abteikirche von Maria Laach. Die Gebetsanliegen lese ich, drucke sie aus und schließe sie in mein persönliches Gebet am Tag mit ein und besonders bei schwerwiegenden Bitten bedenke ich die Absender in meinem persönlichen Gebet, beispielsweise in der Eucharistiefeier oder beim Rosenkranz. Und auch meine Mitbrüder beten während des Stundengebets für die Menschen, die uns Ihre Anliegen anvertrauen. Dann haben wir in Maria Laach noch eine Pinnwand, auf die wir Gebetsanliegen anpinnen und da stehen immer wieder Mönche davor und beten sehr konkret.
Niemand muss also Angst haben, dass sein Anliegen keine Beachtung findet. Es gibt so viele Möglichkeiten, wie wir die Gebetsanliegen der Menschen hier im Kloster integrieren, da wird jeder berücksichtigt. In seltenen Fällen schreibe ich dem Absender auch ein paar Worte zurück. Leider bleibt da nicht immer Zeit für.
Frage: Welche Art von Anliegen erreichen Sie?
Pater Philipp: Das deckt die ganze Bandbreite des menschlichen Lebens ab. Mal geht es um schwere Schicksalsschläge, um Leben und Tod. Dann wiederum geht es um Beistand für eine Prüfung, Bitten für eine leichte Geburt oder eine gute Ehe. Auch Heilung oder zerbrochene Beziehungen sind häufig Thema.
Frage: In einem früheren Interview haben Sie gesagt: "Ich möchte versuchen, den Mitbetern etwas von der Hoffnung zu vermitteln, die mich selbst erfüllt." Haben Sie das Gefühl dieses Ziel zu erreichen?
Pater Philipp: In Anbetracht der vielen Gebetsanliegen und Reaktionen, die ich erhalte, bin ich mir sogar sicher, dass mir dies glückt. Im Petrusbrief heißt es "Seid stets bereit, jedem Rede und Antwort zu stehen, der von euch Rechenschaft fordert über die Hoffnung, die euch erfüllt." (1 Petr 3,15). Das versuche ich in meinem Leben umzusetzen und ganz konkret wird es im Abendgebet. Da erzähle ich, was ich selbst glaube.