Ludwig IX.: Kreuzfahrer, "Mönchskönig" und Reliquiensammler
Der König starb an jenem Ort, wo sich einst die Akropolis der antiken Großmacht Karthago befand. Auf dem höchsten Punkt des Bursa-Hügels soll damals sein Zelt gestanden haben, als Ludwig IX. an jenem 25. August 1270, vor 750 Jahren, auf dem Weg zum Siebten Kreuzzug dahingerafft wurde, ob von Ruhr, Gelbfieber oder Pest. Er war Frankreichs letzter König, dem die fast 200 Jahre umspannende Kreuzzugsidee noch echt am Herzen lag – und der letzte, der von der Kirche heiliggesprochen wurde. "Jerusalem" soll sein letztes Wort gewesen sein.
Wegen seiner untadeligen Haltung und seiner überaus strengen Lebensführung, die ihm den Spitznamen "Mönchskönig" eintrug, galt Ludwig IX. im Spätmittelalter als ein Inbegriff des christlichen Herrschers: demütig und entschlossen, gottergeben und asketisch, großzügig und gerecht. Tatsächlich war er dabei keineswegs friedfertig – und regierte äußerst autoritär. Sein ansonsten treuer Gefolgsmann Jean de Joinville kritisierte, der König sei gleichgültig gegenüber seiner eigenen Frau Margarete von der Provence, die ihm zwölf Kinder gebar, und vergöttere dafür seine Mutter, Blanka von Kastilien.
Schon mit zwölf Jahren fiel Ludwig 1226 die Krone zu, nachdem sein Vater Ludwig VIII. auf dem Weg zum Albigenserkreuzzug ins Languedoc gestorben war. In seiner langen Amtszeit verfestigte sich, was seinen beiden Vorgängern militärisch gelungen war: die territoriale Umklammerung Englands endgültig abzuschütteln und der Krone im Norden und Westen des heutigen Frankreich riesige Gebiete anzugliedern.
Europas mächtigster Herrscher
Er selbst fügte im Süden das Languedoc hinzu. Verwaltung und Finanzwesen modernisierte und straffte Ludwig IX. in seinem gesamten Herrschaftsbereich. Mit dem Tod des Stauferkaisers Friedrich II. 1250 und dem Zerfall der kaiserlichen Zentralmacht war er endgültig der mächtigste Herrscher in Europa – der Auftakt zu einem "französischen Jahrhundert".
Von seinem Vater erbte er auch die Anhänglichkeit an die zeitgenössische Idee, Jerusalem und das Heilige Land wieder aus der Hand des Islam zu befreien. Nachdem die christlichen Kreuzfahrer 1204 das christliche Konstantinopel und seine Schätze geplündert hatten, kaufte Ludwig 1238 vom Herrscher des dortigen Kreuzfahrerstaates, Kaiser Balduin II., bzw. von den Venezianern die verehrte Dornenkrone Christi, Teile vom "Wahren Kreuz" Christi sowie die Spitze der "Heiligen Lanze".
Dieser Mann wollte ganz Afrika missionieren
Erzbischof Charles Lavigerie hatte eine Vision: Ganz Afrika soll christlich werden. Deshalb gründete er 1868 eine Missionsgesellschaft: die "Weißen Väter". Bis heute setzt sich der Orden besonders für den christlich-islamischen Dialog ein.Für diese und andere Reliquien ließ er in Paris die 1248 fertiggestellte Sainte-Chapelle erbauen, als "Mysterien-Schrein der Christenheit". Bis zur Französischen Revolution verblieb die Krone in dieser vielleicht schönsten gotischen Kapelle überhaupt. Auch beim verheerenden Brand der Pariser Kathedrale Notre-Dame im April 2019 konnte sie erneut gerettet werden.
Kreuzzüge verliefen im Sand
Gleich zweimal nahm Ludwig, der bereits 1297 heiliggesprochen werden sollte, das Kreuz – als Gelübde nach einer schweren Malaria-Erkrankung auf seinem Feldzug 1244 in die Saintonge. Zur Truppensammlung, später zum Flottenbau ließ er dafür in der Camargue eigens die Festungsstadt Aigues-Mortes ausbauen. Allerdings missachtete er dabei den Ratschlag des antiken Stararchitekten Vitruv. Der Römer hatte nämlich bereits im 1. Jahrhundert festgehalten, man dürfe keinen Hafen im Schwemmland eines Flussdeltas anlegen. So versandete das Festungsprojekt – wie auch seine Kreuzzüge selbst buchstäblich im Sand verliefen.
Der von ihm angeführte Zug mit der Ordnungszahl sechs führte 1249/50 zwar zur Einnahme der ägyptischen Küstenstadt Damiette. Dennoch geriet Ludwig bald darauf in Gefangenschaft der Mamelukken und musste gegen ein hohes Lösegeld freigekauft werden. Der König reiste noch für weitere Jahre in die Levante, ohne jedoch Größeres erreichen zu können. Beim Siebten Kreuzzug dann, 20 Jahre später, wählte Ludwig mit dem Weg über Tunis die vermeintliche günstigere Strecke, um die Scharte von damals auszuwetzen. Doch er kam nicht im Ansatz so weit wie erträumt. Mit 56 Jahren endete die Rückeroberung des Heiligen Landes, bevor sie begann.
Einer von Ludwigs Söhnen, Johann Tristan, wurde sogar auf dem einen Kreuzzug geboren – 1250 in Damiette – und starb auf dem anderen, drei Wochen vor seinem Vater, 1270 in Tunis. Auf dem Bursa-Hügel von Karthago, Ludwigs Sterbeort, wurde in den 1880er Jahren die mächtige Kathedrale St. Louis errichtet. Von ihr sollte eine Signalwirkung für die Wiedererrichtung eines katholischen Nordafrika französischer Prägung ausgehen, nachdem Papst Leo XIII. 1884 den Franzosen Charles Martial Lavigerie (1825-1892) zum ersten Erzbischof von Karthago und damit – nach antiker Tradition – zum Primas von ganz Afrika ("Primas Africae") ernannt hatte.
Ludwigs als Reliquien verehrte Eingeweide, die Kardinal Lavigerie von Siziliens abgesetztem König Franz II. erwarb, fanden hier ihren neuen Aufbewahrungsort. Nach der Unabhängigkeit Tunesiens 1956 wurden sie in die Sainte-Chapelle nach Paris gebracht, Ludwigs eigene Reliquienkammer. Damit schloss sich auch ein Kreis zwischen Kampf und Kreuzzug, Wanderschaft und frommer Verehrung. Die meisten seiner Gebeine lagen bis zur Zerstörung während der Revolution von 1789 in Saint-Denis, der Grablege von Frankreichs Königen.